Unterwelten in der Zeche Zollern

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Dortmund – Unterwelten sind seit jeher für die Menschen von besonderer Bedeutung. Über Religionen und Mythen haben sich Bilder von einer Welt jenseits des Sichtbaren in unseren Köpfen eingeprägt. Weitgehend im Verborgenen liegt auch die reale Unterwelt mit Tunneln, U-Bahnen und Stollen. Gerade im Ruhrgebiet breitet sich eine ganz eigene, riesige Landschaft unter unsern Füßen aus. Nicht irdische und wirkliche Unterwelten haben eins gemeinsam – sie sind gleichermaßen bedrohliche wie faszinierende Räume im Verborgenen. In der Ausstellung “Über Unterwelten” holt das LWL-Industriemuseum Zeche Zollern diese Räume erstmals gemeinsam ans Licht. Die neue Ausstellung ist ein weiterer Beleg für die Vitalität der Kulturstadt Dortmund und ihrer Museumslandschaft. Nicht zuletzt durch die Eröffnung des Kulturzentrums Dortmunder U bekommt die größte Stadt Westfalens zusätzliche kulturelle Impulse.

Unterwelten

Der Feuerleviathan als Straßenbild mit 3D-Effekt im Ehrenhof der Zeche Zollern, gemalt von Lydia Hitzfeld. – Foto: LWL/Stephan Schütze

Vom 29. März 2014 bis 2. November 2014 lädt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in der Zentrale seines Industriemuseums Zeche Zollern in Dortmund zu einer Reise durch Zeit und Raum ein. Im ehemaligen Werkstattgebäude des Bergwerks entfalten sich auf zwei Ausstellungsebenen Mythos und Realität der Unterwelten. Spannende Inszenierungen und eindrucksvolle Exponate sprechen Gefühl und Verstand der Besucher an.

Wie ein Bauer mit Hacke und Pflug arbeiten – für einen Mann hohen Standes im alten Ägypten undenkbar. Im Totenreich jedoch musste jeder aufs Feld, ob arm oder reich. Vorsorgliche Ägypter behalfen sich mit sogenannten “Uschebtis”. Die kleinen Figuren wurden ins Grab gelegt und sollten stellvertretend für den Herrn Frondienste verrichten. Sechs Uschebtis gehören zu den ältesten Botschaftern aus dem Jenseits, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in der Ausstellung “Über Unterwelten. Zeichen und Zauber des anderen Raums” vom 29. März bis 2. November in seinem Industriemuseum Zeche Zollern in Dortmund präsentiert.

Die Schau zu Mythos und Realität der Welt jenseits des Sichtbaren schlägt einen Bogen von Unterwelts-Vorstellungen in verschiedenen Kulturen über den Bergbau und die Infrastruktur unter der Erde bis hin zu aktuellen Themen wie Fracking und Erdwärme.Spannende Inszenierungen und mehr als 300 Exponate warten auf die Besucher, darunter eine über 2.000 Jahre alte Mumie, ein seltener Kupferstich von Michelangelos “Jüngstem Gericht”, Notgepäck für den Luftschutzbunker und ein Bohrkern aus 6.000 Metern Tiefe. Interviews, Filme, Fotografien, zeitgenössische Kunst und Arbeiten von Schülern überraschen mit neuen Sichtweisen auf ein Thema, das die Menschheit seit ihrem Anbeginn beschäftigt. “Gerade diese Vielfalt macht die Ausstellung so originell und spannend”, erklärte LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch am Donnerstag (27.3.) in Dortmund. Er stellte besonders heraus, dass die Kuratoren schon bei der Planung Menschen verschiedenen Alters und unterschiedlicher Herkunft mit einbezogen hätten. “Mit diesem Ansatz geht das Projekt weit über die Grenzen der traditionellen Museumsarbeit hinaus”, so Kirsch.Auch die Besucher werden ins Geschehen einbezogen: Sie können beispielsweise eine virtuelle Seilfahrt unternehmen, auf einem Simulator Erschütterungen im Boden wahrnehmen oder notieren, welche Gegenstände sie im Ernstfall mit in einen Bunker nehmen würden. Ein vielseitiges Programm mit Exkursionen, Vorträgen, Film, Lesungen, Theater, Crime und Science Slam begleitet die Ausstellung. Eigens für die Schau gebaut wurde ein Eidophusikon. In diesem “Kino” aus der Zeit, bevor die Bilder laufen lernten, führen ehrenamtliche Mitarbeiter die Schauergeschichte “Als die Hölle auf die Erde kam” vor.

Unterwelten

Die Mumie eines Mannes stammt aus der Ptolemäische Periode (332-31 vor Christus). Foto: LWL-Industriemuseum

Nicht nur in Dortmund, auch an den sieben weiteren Standorten des LWL-Industriemuseums können Besucher abtauchen in die Unterwelt. Das Spektrum der Begleitausstellungen reicht von versunkenen Schiffen über Dessous in der Mode und die verborgene Welt der Glashütten von Murano bis hin zu Rüstungsproduktion und Krieg. “Es war genau diese Vielseitigkeit des Themas ‘Unterwelten‘, die uns gereizt hat. Es bietet ganz unterschiedliche Zugänge und inspiriert Ausstellungsmacher ebenso wie Künstler oder Schüler. Das zeigen unsere Präsentationen in diesem Jahr”, erklärte Dirk Zache, Direktor des LWL-Industriemuseums.

Im Foyer des historischen Werkstattgebäudes der Zeche Zollern stimmt Kunst die Besucher auf den Übergang in eine andere Welt ein: Der schwebende Einbaum des Künstlers Gordon Brown erinnert an das Boot, das die Seele des Toten über den Grenzfluss in die Unterwelt bringt. Die Videoinstallation “Höllentrip” der Medienkünstler Heidrun Holzfeind und Christoph Draeger entlässt die Zuschauer mit einem rasanten Zusammenschnitt von Unterweltenszenen aus über 100 Filmen in die Ausstellung. Diese entfaltet sich auf zwei Etagen mit einer Fläche von insgesamt 600 Quadratmetern.

Unterwelten

Im “Eidophusikon”, einem Theater mit beweglichen Kulissen, läuft das Stück “Als die Hölle auf die Erde kam”. Foto: LWL/Hudemann

Die ältesten und kostbarsten Exponate erwarten die Besucher in der Ausstellungsabteilung über Mythen, Religionen und Wissenschaften. Bronzefiguren, eine über 2.000 Jahre alte Prachtvase, Handschriften, Kupferstiche aus Mittelalter und früher Neuzeit – sie zeigen bekannte Götter aus der ägyptischen und griechisch-römischen Unterwelt wie Osiris und Hades, “Reiseführer” wie den Götterboten Hermes, der die verstorbenen Seelen zum Styx führt, Wanderer zwischen den Welten wie Herakles, Odysseus und Orpheus, aber auch Jesus als Sieger auf der zerbrochenen Höllentür oder in einer Darstellung Albrecht Dürers von Christus in der Vorhölle (Faksimile).

“Gerade die Übergänge in den anderen Raum haben Künstler und Schriftsteller immer wieder fasziniert”, so Kurator und Projektleiter Dr. Eckhard Schinkel. Auch das Höllentor, das der französische Bildhauer Auguste Rodin für das Kunstgewerbemuseum in Paris entwarf, kennzeichnet einen solchen Übergang. Das LWL-Industriemuseum zeigt einen Bronzeguss des ersten Modells von 1880. Farbenfroh kommen die hinterleuchteten Abbildungen von Miniaturen aus einer mittelalterlichen Prachthandschrift daher, die das Ghetty-Museum in Los Angeles zur Verfügung gestellt hat. In 13 Szenen begleitet der Betrachter den Ritter Tondal bei seinem Gang durch die Hölle.

Dem christlichen Weltbild stellt die Ausstellung Jenseitsvorstellungen aus anderen Religionen gegenüber, die oft überraschende Parallelen aufweisen. So zeigt die Abbildung auf einer japanischen Seidenrolle, wie ein erleuchteter Schüler Buddhas die Seele eines Verstorbenen aus einem brodelnden Kessel zieht, während ein Dämon das Feuer schürt. Ein Säckchen mit heiliger Erde vom Ölberg steht für den jüdischen Bestattungsritus.
Geöffnet Di-So 10-18 Uhr
Eintritt: 6 Euro, ermäßigt 4 Euro, Kinder 3 Euro

An den sieben weiteren Standorten des LWL-Industriemuseums beleuchten Begleitausstellungen weitere Facetten des Themas “Unterwelten”.

Zeche Hannover, Bochum
Einfach anders! Jugendliche Subkulturen im Ruhrgebiet (5.4.2014-7.9.2014)
Zeche Nachtigall, Witten
Vorstoß ins Ungewisse. 300 Jahre Bergbau im Hettberg (6.4.-21.12.2014)
Henrichshütte Hattingen
Stahl und Moral. Die Henrichshütte im Krieg 1914-1945 (9.5.-9.11.2014)
Schiffshebewerk Henrichenburg, Waltrop
Versunkene Schiffe. Abenteuer Unterwasserarchäologie (10.10.2014-5.7.2015)
TextilWerk Bocholt
Reiz & Scham. Kleider, Körper und Dessous. Eine Übernahme aus dem LVR-Industriemuseum (4.4.- 2.11.2014)
Ziegeleimuseum Lage
Unterwelten. Die andere Sicht der Dinge (6.4.-21.9.2014)
Glashütte Gernheim, Petershagen
Glashütten auf Murano. Einblicke in eine verborgene Welt (13.4.-12.10.14)
L’arte del vetro. Glas des 19. Jahrhunderts aus Murano (13.4.-12.10.14)

www.unterwelten.lwl.org

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