Spargelzeit voraus – ALLES SPARGEL

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Westfalen – „Asparagus ante portas“ – wenn die Spargelzeit beginnt, ziehen die Feinschmecker mit diesem Schlachtruf auf die Spargelhöfe und in die einschlägigen Gaststätten des westfälischen Tieflands. Gleich vor Ort oder zuhause genießen sie dann die kulinarischen Volltreffer mit Schinken, Sauce Béarnaise oder zerlassener Butter und Kartoffeln. Beliebt ist auch die niederländische Sauce, die Sauce Hollandaise, die allerdings in Frankreich erfunden wurde. Von welchem Feld der Spargel kam, ist dem Intensivanwender egal. Hauptsache er kam frisch gestochen in die Küche und die Stangen quietschten, wenn sie aneinander gerieben wurden.

Spargelzeit

Der Klassiker: Mit Kartoffeln, Schinken, zerlassener Butter und etwas Schnittlauch – Foto Emilia Baczynska auf Pixabay

Im Spargelrausch erinnert sich niemand an den römischen Feldherrn Quinctilius Varus, dem wir Westfalen nicht nur das Hermannsdenkmal und das Westfälische Römermuseum in Haltern, sondern auch den Spargel verdanken.

Der Kiepenkerl bloggt

Dieser Text wurde von Armin Berninghaus für seine Westfalium-Kolumne „Das Kiepenkerl-Blog“ verfasst. Mehr anregende Gedanken vom Kiepenkerl gibt es hier – Foto Armin Berninghaus

Und das kam so: Im Jahr neun nach Christi Geburt wurde Varus bei dem Versuch, dem Römischen Reich das Gebiet zwischen Rhein und Elbe einzuverleiben, mit seinen drei Legionen von einem gewissen Arminius in die Falle gelockt. Für den Sieg hatte der Sohn des Cheruskerfürsten Segimer seiner Horde uriger Ackerbauern und Jäger reiche Beute und Setzlinge des gezähmten Spargels „asparagus officinalis“ versprochen. Als ehemaliger Anführer germanischer Hilfstruppen in römischen Diensten schätzte er nicht nur den Geschmack des Kaisergemüses. Er wusste auch, dass Varus im Tross stets einige Asparagus-Setzlinge mitführte. Die wollte Arminius erbeuten und auf den sandigen Böden des Münsterlandes heimisch machen. Historisch ist der Beginn der Spargelzeit in Westfalen also im klassischen Altertum zu verorten.

Spargel war damals nicht nur das Leibgericht des römischen Feldherrn und Feinschmeckers Lucius Lukullus, sondern auch von Kaiser Augustus. Der Adoptivsohn von Cäsar prägte die einzige auf Spargel bezogene Redewendung. Er fügte seinen eilig auszuführenden Weisungen die Worte hinzu: „Velocius quam asparagi conquantur“. Damit standen dem Befehlsempfänger 20 Minuten zur Verfügung, um den Auftrag auszuführen. Nämlich so viel, wie der Asparagus zum Kochen benötigt.

Die Griechen glaubten durch das Tragen von Spargelsprossen unerwünschten Kindersegen fernhalten zu können. Dagegen gab es in Böotien die Sitte, Brautleute mit Spargellaub zu bekränzen, denn Kindersegen war erwünscht. Der griechische Schriftsteller Plutarch berichtet aber auch, dass Theseus, einer der berühmten Helden der griechischen Mythologie, die wunderschöne Perigone in eindeutiger Absicht verfolgte. Perigone konnte sich seines Zugriffs entziehen, indem sie sich im Garten in einem Dickicht aus Spargel und Pimpinelle verbarg. Schließlich war Perigone von seinem Bitten so gerührt, dass sie freiwillig aus dem Versteck kam und sein Flehen erhörte.

Spargelzeit

Die Schlacht am Teutoburger Wald und der Spargel – Foto Stephan Mosel/Wikimedia Commons

Die antiken Spargellutscher glaubten, dass der Spargel männlich sei. Deshalb war Damen im Mittelalter der Genuss von Spargel verboten. Es war nicht allgemein bekannt, dass Spargel zu den wenigen zweihäusigen Blütenpflanzen gehört, von denen es Männchen und Weibchen gibt. Wegen des geschlechtlichen Durcheinanders ranken sich viele Geschichten um den Spargel. Allerdings wussten bereits die alten Ägypter, dass Spargel als Anregungsmittel das hält, was Sellerie verspricht.

Was verleiht dem merkwürdigen Bleichgemüse die hervorragende Stellung in der Küche? Hier die Fakten: Der weiße Stangenspargel besteht zu 95 Prozent aus Wasser. Sein Aroma verdankt er der Asparaginsäure, einem Wirkstoff, der den Organismus entschlackt. Sein Diätwert ist enorm, denn 100 Gramm enthalten nur 15 Kalorien.

Bleibt zu klären, wie man das sperrige Gemüse stilgerecht vom Teller in den Mund befördert. Spargelenthusiasten sagen: „In der Spargelzeit ist alles erlaubt. Die Finger und das Besteck – ungeteilt oder mundgerecht zerschnitten.“

Der Speise für Leckermäuler haftet ein Hauch von Exklusivität und etwas Geheimnisvollem an. Eine Schreiberin drückte das im Gästebuch eines anonymen Hotels so aus: „Ich fühl’ mich immer wie verhext, im Frühling wenn der Spargel wächst.“

Also nicht vergessen: Spargel essen! An St. Johanni, dem 24. Juni, ist alles vorbei.

Westfalium-Serie ALLES SPARGEL – Rezepte, Informationen, Adressen

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