Die Vergangenheit wird oft verklärt, weiss der Kiepenkerl: Mit Bezug auf Loriot heißt es dann mitunter: „Früher war mehr Lametta”.

Früher gehörte das Lametta zu Weihnachten und zum Weihnachtsschmuck. Die Erinnerung an die Vergangenheit wird oft verklärt – Foto Pixabay
Der Ausdruck „Früher war mehr Lametta” stammt aus dem Sketch „Weihnachten bei den Hoppenstedts” von Loriot, einem der bekanntesten deutschen Humoristen. In diesem Sketch beschwert sich Opa Hoppenstedt, dass früher mehr Lametta an den Weihnachtsbäumen hing. Die Vergangenheit wird verklärt.
Lametta sind die glitzernden Fäden, die oft zur Dekoration von Weihnachtsbäumen verwendet werden. Der Spruch drückt eine gewisse Nostalgie und den Wunsch nach den „guten alten Zeiten” aus, in denen die Weihnachtsbäume prachtvoller geschmückt waren.
Die humorvollen Szenen und der unverwechselbare Charme von Loriots Komik lassen den Sketch zu einem zeitlosen Klassiker werden.
Diesen Spruch hört man nicht nur in der Weihnachtszeit. Er findet das ganze Jahr über Anwendung und drückt aus, dass früher – in der Vergangenheit – alles schöner und besser war. Tatsächlich wurden früher die Weihnachtsbäume üppig mit Lametta dekoriert. Heute ist dies aus unterschiedlichen verschiedenen Gründen nicht mehr der Fall.
Damit bringt Loriot zum Ausdruck, dass Weihnachten früher gemütlicher, beschaulicher und fröhlicher war. So wie Opa Hoppenstedt bereits 1976 feststellte, unterliegt die Dekoration unserer Weihnachtsbäume tatsächlich dem Wandel der Zeit: Heute erinnert Lametta eher an den Weihnachtsbaum der Großeltern.
Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung glauben zwei Drittel der Menschen in Deutschland, dass in der Vergangenheit tatsächlich vieles – manchmal auch alles – besser war. Doch woran liegt es, dass so viele Menschen mit einem behaglichen, wohligen Gefühl an die gute, alte Zeit denken?
Laut Psychologie sehen viele die Vergangenheit besser als sie war, um an der Gegenwart nicht zu verzweifeln. Mit schlechten Erinnerungen und Erfahrungen in die Zukunft zu starten, kann sogar davon abhalten, neue Erfahrungen zu machen.
In den Jahren zwischen 18 und 28 machen wir die wichtigsten Erfahrungen und erleben viele einschneidende Erlebnisse zum ersten Mal: Schulabschluss, Ausbildung oder Studium, Job, Wohnung, Hochzeit oder die ersten Kinder. Diese Dinge bleiben im Gedächtnis haften und dienen uns im weiteren Leben als Blaupause für zukünftige Erlebnisse.
Wir leben heute in einer Welt des Überflusses. Die Supermärkte sind voll, alles gibt es zu kaufen. Studien zeigen aber: Zu viel Auswahl macht nicht glücklicher und erschwert Entscheidungen: Unser Gehirn findet im Rückblick das Gegenmittel dazu: Wie schön war es früher, als wir im Tante-Emma-Laden um die Ecke lediglich zwischen zwei oder drei Sorten wählen konnten. Die Welt war weniger komplex als heute – und deshalb besser. Der Glaube an die gute alte Zeit hat daher auch mit aktueller Überforderung zu tun.
Die Rückwärtsgewandtheit ist wohl auch eine Form der Realitätsflucht. Weitere Studien zeigen nämlich, dass wir uns häufiger in nostalgische Erinnerungen in die Vergangenheit flüchten, je unangenehmer und bedrohlicher wir die Gegenwart empfinden. Oder, dass wir unsere Kindheit als positiver und glücklicher wahrnehmen, je bedrückender eine aktuelle Beziehung ist. Doch Flucht löst keine Probleme!
Der verklärte Blick auf die Vergangenheit und die rosarote Brille durch die wir darauf schauen, haben vielleicht wenig mit der Realität zu tun, aber es hat Vorteile, dass Erinnerung auch bedeutet, dass wir nicht zwingend auf unserer Sichtweise beharren müssen. Mit einem Auge auf die gute alte Zeit zu schauen, macht uns anderen Menschen gegenüber milder und toleranter.
Gleichzeitig verbessert die Erinnerung unsere mentale Gesundheit. Die meisten Menschen kommen nämlich schlecht damit zurecht, wenn ihre Erinnerungen widersprüchliche Gefühle hervorrufen. In der Sozialpsychologie wird dieser Zustand als kognitive Dissonanz (unangenehmer Gefühlszustand) bezeichnet. Diese Dissonanz wollen wir mit allen Mitteln überwinden. Der verklärte Blick auf die Vergangenheit ist ein Weg dorthin.
Eine Studie der Universität von Southampton kommt zu dem Ergebnis, dass wir ein positiveres Selbstbild bekommen, wenn wir uns gerne an unsere Vergangenheit erinnern. Das gute Gefühl, das sich dabei einstellt, übertrage sich auf das Hier und Jetzt und macht uns zufriedener, glücklicher und steigert das Selbstwertgefühl.
In Hinblick auf das Erscheinungsbild unserer Weihnachtsbäume hatte Opa Hoppenstedt vollkommen recht: Früher war mehr Lametta. Ob dies auch heißt, dass früher wirklich alles besser war, liegt – wie so oft – im Auge des Betrachters.
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