„Die Zwei Päpste“ im Borchert Theater Münster

In „Die Zwei Päpste“ im Wolfgang Borchert Theater menschelt es im Vatikan. Das Stück des neuseeländischen Schriftstellers und Dramatikers Anthony McCarten spielt in einer historisch brisanten Phase der katholischen Kirche. In Rom zeichnet sich ein Machtwechsel ab. Der Autor lässt in seinem Stück „Die Zwei Päpste“ – Papst Benedikt XVI und seinen potenzieller Nachfolger Kardinal Bergoglio aus Argentinien zu einem Austausch zusammentreffen. Dabei entwickelt sich ein hintergründiger und bedeutungsvoller, ein theologischer aber auch ein zutiefst menschlicher Dialog.

„Die Zwei Päpste“ im Borchert Theater Münster

Regie René Heinersdorff: “Die Zwei Päpste” im Wolfgang Borchert Theater mit Jürgen Lorenzen und Andreas Weißert – Foto Claus Lefebvre

Anthony McCarten wirft in seinem Kammerspiel einen hochspannenden Blick auf die Widersprüchlichkeiten und Zweifel beider Männer und deren Umgang mit der Macht und der eigenen Vergangenheit. Das ist zum einen pures Theater und zum anderen ein Lehrstück über das Selbstverständnis von Kirche und Glaube in Zeiten der Krise.

„Die Zwei Päpste“ im Borchert Theater Münster

Regie René Heinersdorff: “Die Zwei Päpste” im Wolfgang Borchert Theater mit Andreas Weißert und Ivana Langmajer- Foto Claus Lefebvre

Der Zuschauer entwickelt selbst bei großer Kritik und Distanz zum aktuellen Auftritt der katholischen Kirche ein Mitgefühl mit den handelnden Personen. Sie kommen einem menschlich näher – auch mit ihren persönlichen Marotten und Vorlieben. Papst Benedikt XVI liebt bayerische Spezialitäten und schaut gerne „Kommissar Rex“ im Fernsehen, Bergolio brennt als Argentinier selbstverständlich für Fußball und tanzt gerne Tango. Dabei ächzen beide unter der immensen Bürde ihres Amtes. Zuerst noch der amtierende Pontifex, später auch sein Nachfolger Papst Franziskus, der Reformen ankündigt und den frischen Wind der Moderne durch das ehrwürdige Haus blasen lassen möchte. Die Glaubwürdigkeitskrise der Kirche ist zum gegebenen Zeitpunkt kaum mehr zu überbieten. Es brennt unter dem Dach der Kirche. Die Gläubigen laufen in Scharen davon.

Regie René Heinersdorff: “Die Zwei Päpste” im Wolfgang Borchert Theater Andreas Weißert und Ivana Langmajer – Foto Claus Lefebvre

Man kann sich hineinversetzen in den inneren Konflikt der beiden Protagonisten. Als Papst Benedikt XVI. als erster Papst seit über 700 Jahren seinen Rücktritt ankündigt, blickt er auf kontroverse Jahre zurück. Er sieht sich als Gescheiterter und er ist müde und kraftlos geworden. Sein strenger Kurs, seine kalte Unnahbarkeit und nicht zuletzt die Vatileaks-Affäre um Korruption, Misswirtschaft und sexuellen Missbrauch befeuerten die immer lauter werdenden Rufe nach einer radikalen Erneuerung der katholischen Kirche. Bergolio ist eigentlich nach Rom gereist, um dem Pontifex seinen Abschied in den Ruhestand abzuringen. Der aber lehnt eiskalt ab und verwickelt ihn in einen Dialog und in eine Art Prüfung. In dieser Kontroverse wird zusehends klar, Papst Benedikt XVI möchte den Staffelstab an seinen Widersacher übergeben, der für eine moderne Kirche steht. Doch der lehnt einstweilen ab, möchte sich partout ins Altenteil verabschieden.

Regie René Heinersdorff: “Die Zwei Päpste” im Wolfgang Borchert Theater mit Jürgen Lorenzen – Foto Tanja Weidner

Die beiden alten Männer reden miteinander in den Privatgemächern des amtierenden Papstes, beim Spaziergang durch die Gärten der Sommerresidenz Castel Sangolfo und in der Sixtinischen Kapelle des Vatikans. Alles inszeniert in einem spärlich und puristisch möblierten Bühnenbild. Einziger Blickfang: Die Fresken der Sixtinischen Kapelle, die nicht die Decke der Bühne zieren sondern als Teppich den Bühnenboden bedecken. Es kommt zu einem rasanten verbalen Match voller rasiermesserscharfer Argumente und ein mitreißender Blick hinter die Kulissen klerikaler Macht, der auch für Nichtgläubige erhellend ist.

„Die Zwei Päpste“ im Borchert Theater Münster

Regie René Heinersdorff: “Die Zwei Päpste” im Wolfgang Borchert Theater mit Jürgen Lorenzen und Andreas Weißert – Foto Claus Lefebvre

Zugegeben “Die Zwei Päpste” ist reine Fiktion, aber sie ist nachdem Anthony McCarten für sein Sachbuch über den Rücktritt von Papst Benedikt XVI so viel Hintergrundwissen angesammelt hat, mit vielen verbürgten und durchaus möglichen Fakten gespickt, die die kongeniale Inszenierung im Wolfgang Borchert Theater zu einem wirklich großen Theaterabend macht. Das Stück hat gleich mehrere Ebenen, die unglaublich geschickt miteinander verwoben sind. Die Konzentration der Gedanken wird durch komödiantische Szenen und delikate Dialoge so unterhaltsam aufgelockert, dass man dem Lehrstück nur zu gerne folgt.

„Die Zwei Päpste“ im Borchert Theater Münster

Regie René Heinersdorff: “Die Zwei Päpste” im Wolfgang Borchert Theater mit Rosana Cleve und Andreas Weißert – Foto Tanja Weidner

René Heinersdorff, der vielbeschäftigte Regisseur und Intendant an gleich mehreren Bühnen, hat das Stück als Gastregisseur im Borchert Theater inszeniert und dabei eine wundervolle Balance zwischen Ernst und Unterhaltung geschaffen. Meisterhaft wie er die vier Darsteller miteinander agieren und parlieren lässt und sich dabei auf nur ganz wenige Requisiten und ein puristisches, schlichtes Bühnenbild beschränkt.

Regie René Heinersdorff: “Die Zwei Päpste” im Wolfgang Borchert Theater mit Jürgen Lorenzen – Foto Tanja Weidner

Jeder der beiden großen Männer wird in dem Stück von einer Nonne begleitet, mit der sie sich persönlich austauschen. Dabei entspinnen sich durchaus hintergründige, teilweise sehr persönliche Gespräche. Sie bilden gewissermaßen einen Subtext und werfen vor allem ein Licht auf die ganz privaten Motive und die individuellen Geschichten der beiden Männer. Die beiden Nonnen werden wundervoll einfühlsam und teilweise süffisant gespielt von den beiden Ensemblemitgliedern Rosana Cleve und Ivana Langmajer.

„Die Zwei Päpste“ im Borchert Theater Münster

Regie René Heinersdorff: “Die Zwei Päpste” im Wolfgang Borchert Theater mit Andreas Weißert und Jürgen Lorenzen – Foto Tanja Weidner

Für Regisseur René Heinersdorff steht der Text und das Wort ganz klar im Mittelpunkt.  Darüber hinaus gelingt es ihm die beiden Hauptdarsteller zu überragender Form auflaufen lassen. Der 87jährige Andreas Weißert als Papst Benedikt XVI und Jürgen Lorenzen als der spätere Papst Franziskus spielen so subtil und leidenschaftlich, so grandios und überragend, dass es einem vor Begeisterung die Tränen in die Augen treibt. Wann, wenn nicht hier, sind langanhaltender, tosender Applaus und Standing Ovations am Ende angebracht und verdient. Das Stück „Die Zwei Päpste“ im Wolfgang Borchert Theater muss man gesehen haben. Sensationell! (Jörg Bockow)

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