S04-Wasserflöhe aus Gelsenkirchen haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Bochum gezeigt, wie sie sich erfolgreich gegen Fleischfresser-Pflanzen zur Wehr setzen. Dass die Forschenden der Ruhr Universität (RUB) die Flohprobanden S04 getauft haben, hat auch ein klein wenig mit dem gleichnamigen Fußballverein zu tun. Gefunden wurden die wissenschaftsgeeigneten Flöhe nämlich unweit des bekannten Fußballstadions. Da sich die klonale Linie „04“ als besonders gut kultivierbar zeigte, war es bis zur Namensgebung S04 nicht mehr weit.
„Klonale Linie“ ist biologische Fachsprache. Bei Wasserflöhen kommt sie zur Anwendung, weil die kleinen Lebewesen in Sachen Nachkommen Klone erzeugen. Das beschert Wasserfloh-Forschenden klonale Linien: 01, 02, 03 und eben auch 04. Besondere Bochumer Erkenntnis: Wasserflöhe sind offensichtlich Meister der Anpassung, der anschaltbaren Anpassung. Sie können sich bei Bedarf verändern, um im täglichen Überlebenskampf ihre Chancen zu verbessern. So unternimmt S04 einiges um Fressfeind Utricularia ein Schnippchen zu schlagen. Utricularia ist eine im Wasser gedeihende fleischfressende Pflanze, die regelmäßig Wasserflöhe auf der Speisekarte hat. Fressbares, das sich in ihrer Nähe schnell bewegt, saugt sie innerhalb von Millisekunden ein. Dafür hat die Pflanze unterschiedliche „Fallen“. Mit denen kann sie gleich mehrere Tiere auf einmal der Verdauung zuführen.
Im Labor haben die Forschenden S04-Wasserflöhe und hungrige Wasserpflanzen zusammen gebracht. Getrennt durch ein feines Gitter. Die Flöhe schwebten nicht in Gefahr, unmittelbar verspeist zu werden, wurden aber über chemische Botenstoffe der Anwesenheit des Fressfeindes gewahr. Das hatte Folgen. Wasserfloh-Panzer bekamen längere Fortsätze, die Körper insgesamt wurden kleiner, die Schwimmgeschwindigkeit verlangsamte sich. Aktivitäten, die Utricularias Erfolgschancen reduzieren sollen. Bei der genetisch identischen Wasserflohverwandschaft, die nicht in der Nähe eines Fressfeindes lebte, gab es solche Veränderungen nicht. Dr. Sebastian Kruppert aus dem Forscherteam: „Dies zeigt, dass die sonst genetisch identischen Tiere Verteidigungen nur aktivieren, wenn sie diese brauchen, weil sie mit den Pflanzen aufwachsen.“
Das Wissenschaftsteam setzte sich auch mit dem Erfolg der Wasserfloh-Verteidigung auseinander. „Wir gehen davon aus, dass die Fortsätze die Wasserflöhe breiter machen als den Durchmesser der Saugfalleneingänge“, so Dr. Martin Horstmann. „Die Fallen sind zwar unterschiedlich groß, aber zumindest von den kleineren Fallen können die Tiere dann nicht mehr gefressen werden.“ Auch die übrigen Veränderungen reduzierten offensichtlich den Erfolg der fleischfressenden Pflanze. Prof. Dr. Ralph Tollrian: „Uns war zuvor kein anderer Fall bekannt, in dem sich Tiere gegen Angriffe von Pflanzen verteidigen können. Dass dann auch noch verschiedene Verteidigungen wie Verhaltensanpassungen und Veränderungen im Körperbau zugleich zu beobachten sind, zeigt, wie wandlungsfähig und faszinierend diese winzigen Tiere sind.“
Mit von der Partie beim wissenschaftlichen S04-Viewing waren auch Profis aus Freiburg und Darmstadt, Wissenschaftsprofis der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Technischen Universität Darmstadt. Ausführlicheres dazu ist über die Online-Präsenz der RUB verfügbar.
Ob der Fußballclub S04 von den wissenschaftlichen Beobachtungen zur „anschaltbaren Anpassung“ profitieren kann, ist eine noch offene Frage. Der lässt sich im Haifischbecken Bundesliga ab dem ersten Augustwochenende nachgehen. Und in der 1. Liga sind dann auch beim Fußball Freiburger und Bochumer mit von der Partie.
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