Doppel-Jubiläum in Schmallenberg

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Westfalen – 2019 wird ein Festjahr – in Schmallenberg und im Ortsteil Oberkirchen: Beide wurden im Jahr 1244 in unterschiedlichen Urkunden erwähnt. Schmallenberg erstmals als Stadt und Oberkirchen erstmals
überhaupt, so dass beide den mindestens 775. „Geburtstag“ feiern können. Passend zum Jubiläum findet im kommenden Jahr in Schmallenberg (und Winterberg) der Deutsche Wandertag statt, zu dem mehr als 30.000 Teilnehmer erwartet werden.

Foto: Klaus-Peter Kappest

 

Der Name Schmallenberg erscheint erstmals in einer Urkunde des Klosters Grafschaft, das bereits im Jahr 1072 vom Kölner Erzbischof Anno II. gegründet worden war. Dort tritt am 29. Juli 1228 ein gewisser Alexander von Schmallenberg als Zeuge eines Vertrages in Aktion. Die Oberkirchener führen ihr Jubiläum auf eine Urkunde des Klosters Bredelar zurück, die am 12. Juli 1244 unterzeichnet wurde. Als Zeuge fungiert hier Henricus de Overenkerke, Bürger zu Korbach.
Die „richtige“ Stadturkunde Schmallenbergs datiert auf den 3. März 1244. Dort heißt es (und das klingt durchaus modern): „Bürgermeister Regenhard, die Ratsherren und die Geistlichkeit der Bürger in Schmallenberg (Smalenburg) bekunden, sie hätten dem Ritter Johann genannt Kolven, dem Sachwalter des Erzbischofs bei ihnen in Schmallenberg, die Freiheit seines in der Stadt gelegenen Hofplatzes und des Hofes von städtischen Lasten, die auf jedem Hofplatz liegen, zugestanden, und zwar von Wachen, städtischen Abgaben und Beiträgen zu gemeinsamen Arbeiten. Dies sei aus dem Grunde geschehen, weil Ritter Johann durch sein Bemühen beim Erzbischof erreicht habe, dass nach der Errichtung der Befestigung zwischen Stadt und Burg die Burg von der Stadt getrennt sei. Besonders in Kriegszeiten sei von der Burg eine Gefahr für ihre Habe und ihr Leben ausgegangen, weil sie weder durch Gebäude noch durch Burgmänner genügend geschützt gewesen.“
Die heutige Stadt Schmallenberg ist das Ergebnis der kommunalen Neuordnung des Jahres 1975. 83 Dörfer, Weiler und Gehöfte wurden zusammengefasst zur neuen Stadt Schmallenberg, die heute 26.500 Einwohner hat. Diese Zahl ist nicht besonders beeindruckend, wohl aber die Fläche der Stadt im Hochsauerland: Der Bürgermeister „herrscht“ immerhin über 303 Quadratkilometer. Diese Zahl „wächst“ mit dem Vergleich zu anderen Städten: Münster hat „nur“ 302 Quadratkilometer Fläche, aber immerhin 270.000 Einwohner und gut 200.000 Hagener müssen sich mit 160 Quadratkilometern bescheiden, ganz zu schweigen von Dortmund (580.000 Einwohner auf 280 Quadratkilometern), Essen (570.000 Einwohner auf 210 Quadratkilometern) und Düsseldorf (gut 600.000 Einwohner auf 217 Quadratkilometern) – selbst die 1,4 Millionen Münchnerinnen und Münchner haben gerade mal sieben Quadratkilometer mehr Stadtfläche als die glücklichen Schmallenbergerinnen und Schmallenberger …
Das schlimmste Datum in der Stadtgeschichte ist der 31. Oktober 1822: An diesem Tag vernichtete ein Brand insgesamt 132 Gebäude, fast die gesamte Stadt war in den Flammen aufgegangen. Das „Smale Haus“, in dem sich heute das Stadtarchiv befindet, ist eines der wenigen Gebäude, die den Brand überstanden haben. Nur kurze Zeit nach dem Stadtbrand begann der Wiederaufbau im Stil des Klassizismus: Zwischen West- und Oststraße entstand die Stadt an fünf Querstraßen neu. Die einheitliche Bebauung jener Zeit ist bis in unsere Tage zum großen Teil erhalten geblieben und macht
Schmallenbergs Charme aus.

Foto: Klaus-Peter Kappest

Schmallenberg gehörte der Hanse an, Textilherstellung und Handel mit Holz waren die wichtigsten Zweige der städtischen Wirtschaft. Davon zeugt bis heute die Firma FALKE. Als drittes wirtschaftliches Standbein entwickelte sich über die Jahre der Schieferabbau. Heute produziert nur noch die Firma Magog, die seit 1851 im Ortsteil Bad Fredeburg Schiefer abbaut.
Neben der Kernstadt freuen sich auch die Bewohnerinnen und Bewohner des Ortsteils Oberkirchen auf ihren 775-Jahr-Feier. Dass der Ort noch älter ist, belegen Ausgrabungen in der St.-Gertrudis-Kirche. Ein erstes Gotteshaus dürfte hier bereits im 11. Jahrhundert errichtet worden sein. St. Gertrudis, erbaut von 1663 bis 1666, gehört ohne Zweifel zu den wichtigsten Zeugnissen des frühbarocken Kirchenbaus im Sauerland.
Gut ein halbes Jahrhundert älter ist eine Abbildung des Ortes, gefertigt von Jost Moers. Das Bild zeigt Oberkirchen mit der Kirche und vier Häusern um das Jahr 1600. Man weiß natürlich nicht, wie viele Menschen seinerzeit in den vier Häusern gelebt haben. Nimmt man sieben Bewohner pro Haus an, so kommt man gerade auf 28 Einwohner. 1717 zählte Oberkirchen immerhin schon 159 Einwohner, heute sind es etwa 840.
1841 wurde Oberkirchen selbstständige Gemeinde. Dazu gehörten seinerzeit Vorwald, Almert, Inderlenne, Lengenbeck, Nordenau, Nesselbach, Westfeld, Ohlenbach, Winkhausen, das Sorpetal einschließlich Rehsiepen, Holthausen und Huxel. In Oberkirchen gibt es ein lebendiges Dorfleben mit vielen aktiven Vereinen. Der älteste ist die „Waldinteressentengemeinschaft Oberkirchen“ aus dem Jahr 1824. Drei Jahre später wurde die Schützengesellschaft Oberkirchen aus der Taufe gehoben. Bei der Gründung des „Sauerländischen Touristenvereins“ 1890 in Arnsberg (der heutige SGV) war der Oberkirchener Fabrikant Otto Schütte dabei – und um 1900 kamen schon die ersten Sommerfrischler in die Gasthöfe Schauerte-Jostes (heute Schieferhof), Droste-Schmies (Gasthof Droste), Vogt (Vogtei) und Schütte (Landgasthof Hotel Schütte). Fast 60 Prozent des Schmallenberger Stadtgebietes sind waldbestanden.
Auch in Sachen Kultur hat Schmallenberg dem Besucher einiges zu bieten: Immer wieder lohnenswert ist ein Besuch in der Pfarrkirche St. Peter und Paul im Ortsteil Wormbach mit einer außergewöhnlichen romanischen Ausmalung. Ganz anders das Besteckmuseum im Ortsteil Fleckenberg: Hier wurden bis in die 1970er Jahre Bestecke hergestellt, die weltweit exportiert wurden. Und ein Unikat der besonderen Art ist das Gerichtsmuseum in Bad Fredeburg. Dazu lockt der 17 Kilometer lange „Waldskulpturenweg“, der Schmallenberg mit Bad Berleburg verbindet, mit etlichen Arbeiten renommierter Künstlerinnen und Künstler.
Beim Wandern ist Schmallenberg auch ganz vorn dabei. Hier wurde der 2001 eröffnete, 154 Kilometer lange Rothaarsteig „erfunden“. Pünktlich zum 775. Stadtjubiläum wird der 119. Deutsche Wandertag in Schmallenberg und Winterberg (3.-8. Juli 2019) stattfinden. Ein volles Programm soll den Wanderfreundinnen und Wanderfreunden aus ganz Deutschland die Region nahe bringen. Höhepunkt wird der große Festumzug sein, zu dem mehr als 8.000 Teilnehmer erwartet werden.
Peter Kracht

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