Laguiole, Mercator und Co: Scharfe Klassiker

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Münster – Laguiole, Mercator und Douk Douk – bei diesen Namen schlagen die Herzen von Taschenmesser-Fans höher. Bis in die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts gehörte das Taschenmesser wie Taschentuch und Taschenuhr zur Pflichtausstattung eines jeden Herren im Sonntagsstaat. Zurzeit erleben solche „tragbaren“ Messer eine erstaunliche Renaissance in den Hosen- und Handtaschen stilbewusster Menschen – nicht als Stichwaffe für den Diskobesuch, sondern als feine Begleiter mit hohem Nutzwert und individueller Ausstrahlung.Westfalium hat sich beim Schneidwaren-Spezialisten Herlitzius in Münster einige berühmte Taschenmesser angeschaut.

Laguiole

Das Mercator-Messer ist nicht nur mit schwarzem Standardgriff erhältlich, sondern auch mit Griffschalen aus Kupfer, Messing und Edelstahl. Hier zeigt Messerschmiede-Meister Jörg Lamskemper die verschiedenen Varianten; Foto: Carl Herlitzius

Besonders gefragt ist derzeit ein Produkt aus der wilhelminischen Zeit: „Das Mercator-Messer besticht durch die geniale Einfachheit seiner Konstruktion“, erklärt Jörg Lamskemper, der zusammen mit seiner Frau Martina Herlitzius die 1881 gegründete Schneidwarenhandlung Carl Herlitzius in Münster führt. „Das Mercator-Messer ist schmal und dadurch komfortabel mitzuführen, aber es hat eine große Klinge und einen großen Griff. Dadurch ist es wirklich praktisch.“ Robust und bauartbedingt in großen Stückzahlen herstellbar wurde es in die Standard-Ausrüstung der preußischen Soldaten aufgenommen. Und bekam, obwohl nie als Militärmesser konzipiert, im Volksmund den Spitznamen „Kaiser-Wilhelm-Messer“.

Ursprünglich wurde das Mercator-Messer vom Indiawerk-Heinrich Hoffmann & Söhne in Solingen produziert, heute baut die ebenfalls in Solingen beheimatete Firma Otter dieses erstaunlich preiswerte Messer in zahlreichen Varianten. Mittlerweile ist es nicht nur mit den ursprünglich verbauten schwarzen Griffschalen erhältlich, sondern auch „mit coolen Griffen aus Kupfer, Messing oder Edelstahl, und das in nie dagewesener Fertigungsqualität“, begeistert sich Lamskemper, der als Messerschmiede-Meister genau weiß, was technisch gut gemacht ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei das Mercator-Messer auch ein beliebtes Sou- venir der amerikanischen GIs gewesen. Sie nahmen es mit in ihre Heimat und machten es dort als ‚Black Cat Knife‘ bekannt. „Noch heute hat das Mercator mit einer in die Beschalung geprägten und golden unterlegten Katze in den USA Kultstatus.“

Auch ein anderes Messer von Weltruf hat eine militärische Vorgeschichte – das Schweizer Offiziersmesser. 1891 schrieb die Schweizer Armee die Beschaffung eines Messers aus, das sowohl zum Essen (Dosenöffner), zum Zerlegen des damaligen Standardgewehres (Schraubendreher) als auch zum Pflegen und Reparieren der persönlichen Ausrüstung (Ahle) geeignet war. Auch dieses Messer musste in großen Stückzahlen herzustellen sein. Das stetig weiterentwickelte und modernisierte Offiziersmesser wird heute aus modernen Werkstoffen voll automatisiert hergestellt. So waren die Griffschalen ursprünglich aus geschwärztem Eichenholz – die charakteristischen roten Griffschalen aus Kunststoff bekam das Schweizermesser erst im 20. Jahrhundert.

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Herlitzius in Münster bietet eine in Westfalen einzigartige Auswahl an Schneidwaren aller Art; Foto: Carl Herlitzius

Der französische Messerschmied Gaston Cognet konzipierte 1929 ein Taschenmesser, das ähnlich wie das Mercator-Messer einfach und günstig herzustellen war. Trotzdem verkaufte es sich anfangs in Frankreich eher schleppend. Erheblich mehr Erfolg hatte Cognets Messer in den französischen Übersee-Kolonien, vor allem in Mikronesien. Von den Verkaufserfolgen überrascht, bereiste Cognet die Inselwelt Mikronesiens und entdeckte dort eine mythische Figur in Form einer rituellen Tanzmaske aus Gräsern und Federn mit dem Namen Douk-Douk. So bekam das Messer seinen Namen und die Figur des Douk-Douk wird bis heute auf die Schalen geprägt.

Das ebenfalls französische Laguiole-Messer ist schlank und elegant und wird von einer Vielzahl von Messerschmieden gefertigt. Das Design wurde im 19. Jahrhundert von Pierre-Jean Calmels entwickelt.

Das Messer ist nach dem Städtchen Laguiole in der Auvergne benannt und nicht als Baumuster geschützt. „So kommen leider viele ‚Laguiole-Messer‘ in minderer Qualität aus aller Herren Länder auf den Markt und verunsichern durch das inhomogene Preisgefüge den potenziellen Käufer“, ärgert sich Lamskemper. Es gibt aber auch einen Hersteller, der in Laguiole produziert und Messer in hervorragender Qualität herstellt – die „Forge de Laguiole“. Einige Sondermodelle der bei Forge de Laguiole unter Vertrag stehenden Messerschmiede Virgilio Munoz und Stephane Rambauld genießen nicht ohne Grund bei Kennern und Sammlern den Status von Kunstwerken. Bei Herlitzius liegen einige dieser scharfen Kunstwerke in der Vitrine. Stolz präsentiert Lamskemper eines dieser Messer, und tatsächlich: Die satt glänzenden Griffe aus poliertem Walnussholz und die fein geschliffene Klinge lassen die Sorgfalt und den Aufwand spüren, der in die Herstellung eingeflossen ist.

Auch das von der Insel Korsika stammende „Vendetta“ ist eine Legende. Das mittelspitze Messer mit der typischen „Taille de Guepe“, der Wespentaille, soll in vergangenen Zeiten schon so manchen Streit entschieden haben. „Hochwertige Vendetta-Messer sind nicht mit kitschigen Touristenmotiven verziert und mit authentischen Materialien der Insel beschalt“, erläutert Herlitzius-Chef Lamskemper. „Gerne verwendet man dann Horn und Knochen der auf Korsika weidenden Schafe, Ziegen und Widder.“

Die USA gehen mit dem Buck Knife als Klassiker ins Rennen. „Dieser Folder, wie man ein einklappbares Taschenmesser auch nennt, ist mit seiner Hechtklinge vom großen, feststehenden Bowie Knife abgeleitet“, erläutert der Messer-Experte. Das Bowie Knife, benannt nach dem Trapper James Bowie, war das Messer der Besiedelung des amerikanischen Westens durch weiße Pioniere, das als Allrounder bei der Jagd, der Holzbearbeitung, der Küchenarbeit und der Selbstverteidigung Verwendung fand.

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Messerschliff bei Otter in Solingen; Foto: Otter-Messer GmbH

Es ist erstaunlich, wie viele verschiedene hochwertige Messer Lamskemper aus Schubladen und Vitrinen des nur 30 Quadratmeter großen Verkaufsraums von Herlitzius zwischen Prinzipalmarkt und Überwasserkirche holt – dabei ist Herlitzius auch bei Kochmessern, Pfannen, Töpfen und Bestecken bestens sortiert. Die Begeisterung für die durchdachte Gestaltung und die aufwendige Herstellung der scharfen Kostbarkeiten lässt die Augen des Messerschmieds leuchten. Daher ist es Lamskemper ein besonderes Anliegen, Fehlinformationen über die rechtlichen Bestimmungen zum Besitz und zum Tragen von Messern entgegenzuwirken. „Mercator, Offiziersmesser, Douk-Douk, Laguiole, Buck Knife oder Ankermesser darf jedermann bedenkenlos in der Öffentlichkeit mit sich führen“, betont der Schneidwaren-Fachmann. „Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen legalen Messern und verbotenen Gegenständen. Zu Letzteren zählen sogenannte Butterflymesser, Fallmesser, Springmesser (mit einigen Ausnahmen) und Anscheinwaffen wie etwa Stockdegen. Bei den legalen Messern, welche jedermann uneingeschränkt besitzen darf, ist lediglich das Mitführen einiger Messer reglementiert.“ Feststehende Messer ab einer Klingenlänge von zwölf Zentimetern und einhändig zu öffnende und gleichzeitig feststellbare Klappmesser dürfen nicht direkt zugriffsbereit geführt werden. „Das heißt: Man darf solche Messer nicht einfach in der Hosentasche mitführen, sondern muss sie in einem verschlossenen (Reißverschluss) Etui in einer Tasche oder Kleidungsstück transportieren.“ Verschlossen heiße hier nicht Vorhänge- oder Zahlenschloss. „Der Gesetzgeber sagt: Eine direkte Zugriffbereitschaft ist nach dem Ausführen von drei Handgriffen beziehungsweise Tätigkeiten nicht mehr gegeben.“

Das Ankermesser kommt ebenfalls aus dem Hause Otter und ist zurzeit besonders „hipp“. Wie alle Otter-Messer gibt es das Ankermesser mit Klingen aus rostfreiem oder klassischem Kohlenstoffstahl. Lamskemper: „Dieser nicht rostfreie Carbonstahl besitzt mit seinem feinen Gefüge und der guten Härtbarkeit exzellente Schneideigenschaften. Das Produkt mit dem als echte Intarsie gearbeiteten Anker ist ein echter Handschmeichler und ein robuster Arbeiter in einem. Kommt es doch aus einer Zeit, als auf See die Tampen und Taue mit diesen mit geraden Schneidkanten ausgestatteten Messern durchgeschlagen wurden.“ Neben Holzgriffen aus Grenadille oder Raucheiche gibt es eine „Whow“- Version mit Griffschalen aus Rinder- knochen und gebläuter Carbon-Klinge. „Mit so einem Messer haben Sie einfach Spaß“, weiß Lamskemper. „Jedes Mal, wenn Sie eine Zigarre anschneiden, einen Brief öffnen oder beim Picknick die Mettwurst schneiden.“

www.carlherlitzius.de

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