Kunst der Glasbläserei als Immaterielles Kulturerbe anerkannt

Petershagen – Manuelle Glasfertigung als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit.
UNESCO zeichnet Glasmacherinnen und Glasmacher aus.

Manuelle Glasfertigung

Glasmachermeister Korbinan Stöckle ist Glasbläser  im LWL-Museum Glashütte Gernheim. – 
Foto LWL / Peter Hübbe

Nach elf Jahren ist das Ziel erreicht: Wissen, Handwerkstechniken und Kenntnisse über die manuelle Glasfertigung sind in die Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden. Am Donnerstag (21.11.) überreichen Harald Herrmann (Auswärtiges Amt) und Prof. Dr. Christoph Wulf (Deutsche UNESCO-Kommission) im LWL-Museum Glashütte Gernheim den Trägerinnen und Trägern des Handwerks die Urkunde zur Eintragung. Glasmachende, die professionell am Ofen einer Glashütte oder in einem Glasstudio arbeiten, gelten damit als Träger und Trägerinnen eines immateriellen Kulturerbes.

Bewerbung von sechs Nationen getragen

Die Eintragung in die Repräsentative Liste schließt einen acht Jahre währenden Prozess ab. Nominiert wurde die manuelle Glasfertigung bereits im November 2023 aufgrund einer Bewerbung, die von sechs Nationen getragen wurde. Beteiligt sind neben Deutschland auch Finnland, Frankreich, Spanien, Tschechien und Ungarn. Im Fokus steht ein über zwei Jahrtausend altes Handwerk: das Blasen und Formen eines Glasobjekts am Ofen einer Glashütte.

Nur ansatzweise theoretisch vermitteln

Das Wissen um die manuelle Glasfertigung in der Hütte lässt sich nur ansatzweise theoretisch vermitteln. Entscheidend ist die Arbeit am Ofen. Heißes Glas wird mit einer Glasmacherpfeife dem Ofen entnommen.  Dann hat es  etwa 900 Grad Celsius und ist zähflüssig. Bei der Verarbeitung folgt es der Schwerkraft. Unter stetigem Drehen, Wiedererwärmen und Aufblasen wird es mit Werkzeugen von der Kugel zu einem Hohl- oder Flachglas ausgearbeitet. Hierbei greifen die Glasmachenden auf einen immensen Erfahrungsschatz zurück, der von der Einschätzung der richtigen Temperatur des Glases bis zum Erspüren der Zähigkeit ihres Werkstoffes reicht.

Fabrikdorf mit Hüttengebäuden

Das Museumsgelände der Glashütte Gernheim mit dem markanten Tafelturm. – Foto glashuette-gernheim.lwl.org

1812 gründeten die zwei Bremer Kaufleute Johann Friedrich Christoph Schrader und Cornelius Lampe die Glashütte Gernheim nördlich von Petershagen. Am 1. Oktober desselben Jahres wurde die erste Flasche im neuerrichteten Hüttengebäude geblasen. In den folgenden Jahren entstand in Gernheim, direkt an der Weser gelegen, ein Fabrikdorf mit Hüttengebäuden, Wohnhäusern für die Arbeiter, dem Wohnhaus der Fabrikantenfamilie, der Korbflechterei mit Schulraum und zahlreichen weiteren Wirtschaftsgebäuden. Nach einer Aufbauphase und der Errichtung des markanten, noch heute erhaltenen kegelförmigen Glasturms 1826 galt die Hütte in Preußen lange Jahre als vorbildliche Manufaktur.

Stilllegung, weil kein Eisenbahnanschluss gebaut wurde

Glasmacher aus dem In- und Ausland arbeiteten in Gernheim. Zu ihren Glanzzeiten beschäftigte die Hütte 280 Glasbläser, Schmelzer und Schürer, Glasschleifer, Vergolder, Maler, Korbflechter und Kistenschreiner. ie war damit wichtigster Arbeitgeber der Region. Das fehlen eines Eisenbahnanschlusses führte 1877 zu ihrer Stilllegung. Erst mit der Gründung des LWL-Industriemuseums 1979 gelangte der Tafelturm zu neuer Bedeutung: Das Industriedenkmal ging zusammen mit weiteren Hüttengebäuden Gernheims in die Trägerschaft des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe und wurde Teil des LWL-Industriemuseums.

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