Schauspielhaus Bochum mit zwei Inszenierungen in Berlin

Beim Berliner Theatertreffen 2023 wird das Schauspielhaus Bochum mit gleich zwei Inszenierungen vertreten sein: “Der Bus nach Dachau”, eine Zusammenarbeit mit der niederländischen Theatergruppe De Warme Winkel, sowie Maxim Gorkis “Kinder der Sonne” in der Regie von Mateja Koležnik gehören zur diesjährigen 10er-Auswahl, wie die Jury des renommierten Festivals am Donnerstag, 26. Januar, bei einer Pressekonferenz bekannt gab. In den bisherigen vier Jahren der Intendanz von Johan Simons erfolgten damit nach “Hamlet” und “Das neue Leben” die Einladungen Nummer drei und vier für das Schauspielhaus Bochum. Insgesamt sind seit dem Beginn des Festivals 33 Produktionen von der Königsallee nach Berlin gereist.

"Der Bus nach Dachau", eine Zusammenarbeit mit der niederländischen Theatergruppe De Warme Winkel, sind beim Berliner Theatertreffen 2023 vertreten - Foto Isabel Machado Rios

Szene aus “Der Bus nach Dachau”, eine Zusammenarbeit mit der niederländischen Theatergruppe De Warme Winkel. Die Inszenierung ist beim Berliner Theatertreffen 2023 vertreten – Foto Isabel Machado Rios

Die Festival-Jury nennt “Der Bus nach Dachau” in ihrem Statement ein „riskantes Experiment“. Das Stück, in dem ein nie verfilmtes Drehbuch aus den 1990er Jahren Startpunkt für einen Theaterabend über das Konzentrationslager Dachau wird, weite sich hin „zu Fragen der Darstellbarkeit des Holocaust als singuläres Verbrechen in der Geschichte der Menschheit und radikalen Zivilisationsbruch, der (Un-)Möglichkeit seiner Fiktionalisierung und Formen der Erinnerung, wenn Zeitzeuginnen und Zeitzeugen nicht mehr befragt werden können. De Warme Winkel und Ensemble erproben unterschiedlichste ästhetische Mittel, schrecken weder vor Snapchat noch Partizipation zurück und setzen ihr Publikum einem Wechselbad der Emotionen aus, das fortwährend Fragen und Widerspruch provoziert.“ Genau diese Art von Reibung verhindere, dass das Erinnern zum leeren Ritual werde.

Das Schauspielhaus Bochum reist mit Maxim Gorkis "Kinder der Sonne" in der Regie von Mateja Koležnik zum Berliner Theatertreffen 2023 - Foto MatthiasHorn

Szene aus Maxim Gorkis „Kinder der Sonne“ in der Regie von Mateja Koležnik. Es ist eine von zwei Inszenierung des Schauspielhaus Bochum, die zum Berliner Theatertreffen 2023 eingeladen wurden – Foto Matthias Horn

Zu “Kinder der Sonne” heißt es, Mateja Koležniks Inszenierung wirke zunächst „wie aus der Zeit gefallen“. „Raimund Orfeo Voigts hyperrealistisches Bühnenbild, in dem sich der Niedergang eines um sich selbst kreisenden Bürgertums in jedem Detail spiegelt, und das psychologisch genaue Spiel des bis in die kleinsten Rollen perfekt besetzten Ensembles schließen an Theatertraditionen an, die etwas aus der Mode gekommen sind.“ Dennoch habe Koležniks Herangehensweise nichts Museales an sich. Ihre Arbeit sei vielmehr hochaktuell. „Der von Guy Clemens gespielte Wissenschaftler, dessen weltfremdes Gebaren Ausdruck eines vergifteten Privilegs ist, und all die anderen, die um ihn kreisen“, entlarvten sich als tragikomische Egozentrikerinnen und Egozentriker, „die blind für alles sind, was um sie herum geschieht. So rückt Koležnik Gorkis Figuren ganz nah an uns und unsere von Krisen geplagte Wirklichkeit heran.“

Schauspielhaus-Intendant Johan Simons sagte nach Bekanntgabe der 10er-Auswahl: „Mir stehen Tränen in den Augen. Ist das kitschig? Ich bin emotional so mitgerissen – nicht nur, weil das Schauspielhaus Bochum in diesem Jahr gleich zweimal eingeladen wurde, sondern vor allem, weil es meiner Meinung nach diese beiden Inszenierungen auf ganz besondere Weise verdient haben. ‚Der Bus nach Dachau‘ ist ein Theaterabend, der sich mit dem Holocaust und dem Erinnern an ihn, seiner Darstellbarkeit oder Nicht-Darstellbarkeit beschäftigt, der Frage, wer von ihm Zeugnis ablegen kann und wie. Ich bin sehr froh, dass die niederländische Theatergruppe De Warme Winkel, der ich schon lange verbunden bin, mit unserem diversen Ensemble solch eine intelligente und komplexe Arbeit auf die Bühne gebracht hat. Maxim Gorkis ‚Kinder der Sonne‘ ist eine ganz andere Arbeit, die mir auch sehr am Herzen liegt: ein großer Ensembleabend, minutiös und fein gearbeitet, voller Geheimnisse und überraschender Blickwinkel. Die Geschichte, die gespuckt ist auf unsere Zeit, wie man so sagt, wurde von der wunderbaren slowenischen Regisseurin Mateja Koležnik klug und unkonventionell komponiert – und damit erzählen diese beiden Einladungen eben auch von den internationalen Knotenpunkten in unserem Haus, über die ich so glücklich bin. Unser ehrlicher Dank geht auch an die Jury, die mit dem Spektrum ihrer 10er-Auswahl auch ein Statement für ein zeitgenössisches, mutiges und politisches Theater abgegeben hat.”

Der Bus nach Dachau mit den Schauspieler*innen Lieve Fikkers, Marius Huth, Risto Kübar, Mercy Dorcas Otieno, Vincent Rietveld, Lukas von der Lühe und Ward Weemhoff feierte am 5. November 2022 Premiere in den Kammerspielen und wird seitdem sowohl am Schauspielhaus Bochum sowie am Internationaal Theater Amsterdam gespielt. Die nächsten Vorstellungen in Bochum sind für den 24. Februar sowie am 19., 25. und 26. März geplant.

Kinder der Sonne mit Anna Blomeier, Jele Brückner, Konstantin Bühler, Guy Clemens, Dominik Dos-Reis, Victor IJdens, Michael Lippold, Emily Lück, Karin Moog, Anne Rietmeijer, Alexander Wertmann und Amelie Willberg feierte am 7. Oktober 2022 Premiere im Großen Haus. Die nächsten Vorstellungen sind für den 31. Januar, 11. und 24. Februar sowie für den 19. und 25. März angesetzt.

Das Berliner Theatertreffen findet seit 1964 statt und wählt jährlich durch eine Jury die „zehn bemerkenswertesten Inszenierungen“ des deutschsprachigen Raums aus und lädt sie nach Berlin ein, wo sie im Haus der Berliner Festspiele sowie an anderen Orten der Stadt gezeigt werden. Der Festivalzeitraum reicht in diesem Jahr vom 12. bis 28. Mai 2023.

Weitere Informationen: https://www.berlinerfestspiele.de/de/berliner-festspiele/start.html

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