Zar Wladimir: Putin will sein russisches Reich

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Wladimir Putin hält das Ende der Sowjetunion für die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Er sieht sich als Kämpfer für die Wiedergeburt des Russischen Reiches in den Grenzen von 1986. Mit seinen Wahnphantasien möchte er die durch Gorbatschow damals eingeleitete Demokratisierungsentwicklung rückgängig machen. Dabei dient ihm die Zarenherrschaft als Vorbild.

Zar Wladimir: Putin will sein russisches Reich

Wladimir Putin arbeitet unentwegt dafür das alte russische Reich wieder herzustellen – Foto Pixabay

Über 300 Jahre wurde Russland von den Romanows beherrscht. Das Erfolgsrezept der Zaren war die stetige territoriale Expansion und eine Allianz mit einer kleinen Gruppe des Adels. Der Adel existiert heute in Russland nicht mehr. Seine Rolle haben superreiche Oligarchen übernommen, die Putin hofieren, obwohl sie im Ausland leben, aber ihren unermesslichen Reichtum seinem Regime verdanken.

Aus dem Untergang des Zarenreiches hat Wladimir Putin Lehren für seine Regentschaft gezogen. Insbesondere die Erkenntnis: „Wer Schwäche zeigt, geht unter.“ Russische Herrscher flößen ihren Untertanen traditionell Furcht ein. Das hat sich bewährt, denn die tiefgläubige Bevölkerung wurde traditionell autokratisch regiert.

Zar Wladimir: Putin will sein russisches Reich

Im Kreml laufen alle Fäden der Macht zusammen – Foto Pixabay

Da liegt es nahe, dass Putin den russischen Patriarchen Kyrill ideologisiert und damit die russisch-orthodoxe Kirche dazu missbraucht, seinen Rückeroberungskrieg zu unterstützen. Es hat ein gewisses Geschmäckle, dass Kyrill und Putin seit ihrer Zeit beim russischen Geheimdienst KGB befreundet sind. Eine Trennung von Kirche und Staat sieht anders aus.

Als populistischer Autokrat stützt Putin seine Macht auf die Massenpartei „Einiges Russland“. Die national-konservative Sammlungsbewegung ist die mitgliederstärkste Partei in der russischen Föderation. Das wird auch so bleiben, denn Putin hat die führenden Köpfe der Opposition in Scheinprozessen systematisch zu langjährigen Haftstrafen verurteilen lassen. Hinzu kommt, dass die Duma-Abgeordneten alles beschließen, was Putin für nützlich hält.

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Weltweit wird gegen die Invasion der russischen Truppen in die Ukraine protestiert – Foto Pixabay

Putin beobachtete die Unruhen in der Ukraine im Jahr 2013 mit Interesse. Dort zog der Russland zugewandte Präsident Janukowytsch die Wut der Bevölkerung auf sich, weil er das Partnerschaftsabkommen mit der EU kippte. Daraufhin kam es in Kiew zu starken Protesten, vor allem auf dem Unabhängigkeitsplatz, dem Maidan. Die Demonstranten forderten den Anschluss an die EU. In der Ostukraine begannen Separatisten damit, für eine Abspaltung von der Ukraine und einen Anschluss an Russland zu kämpfen.

Putin griff nicht direkt ein, sondern ließ im Februar 2014 die ukrainische Halbinsel Krim von russischem Militär besetzen.

Der Westen schaute der Annexion tatenlos zu. Lediglich die NATO setzte ihre militärische Zusammenarbeit mit Russland aus. Die mangelnde Geschlossenheit der EU und der USA zu Gegenmaßnahmen ermutigte Putin zu dem Versuch, die gesamte Ukraine unter russische Herrschaft zu zwingen.

Der seit der Krim-Besetzung schwelende russisch-ukrainische Krieg eskalierte am 24. Februar 2022 mit einem russischen Angriff auf das gesamte Staatsgebiet der Ukraine.

Es wird ein Geheimnis bleiben, ob Putin einem Wunschtraum erlegen war oder vom Militär und dem Geheimdienst falsch unterrichtet wurde. Die militärische Führung glaubte jedenfalls fest daran, dass sich die Ukraine innerhalb weniger Tage ergeben würde. Deshalb waren die russischen Streitkräfte nicht auf einen länger dauernden Krieg vorbereitet.

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Noch ist der Ausgang des Krieges in der Ukraine nicht abzusehen – Foto Pixabay

Nachdem Russlands Truppen vergebens versucht hatten die Regierung von Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Handstreich zu entmachten, begann eine Phase des blutigen Konflikts. Der russische Angriff konnte gestoppt werden. Das Zepter des Handelns ging stellenweise sogar auf die Angegriffenen über, was die russischen Kräfte in ihrer Hilflosigkeit dazu verleitete, den bewaffneten Konflikt zunehmend und völkerrechtswidrig auf die ukrainische Zivilbevölkerung im gesamten Land auszuweiten. Dabei spielten Flugzeuge und Langstreckenraketen die entscheidende Rolle.

Um den russischen Angriffen Einhalt bieten zu können, benötigt die Ukraine schwere Waffen aus dem Westen. Nach einem zögerlichen Start wird das ukrainische Militär zunehmend mit schweren Waffen aus dem Westen unterstützt. Insgesamt wurde die Verteidigungsfähigkeit des Landes deutlich erhöht – mit zunehmenden militärischen Erfolgen.

Zusätzlich überweisen die EU und die USA Milliardenbeträge an die Ukraine, um den Staatshaushalt zu stützen. Darüber hinaus gibt es weitere Zusagen für finanzielle Zuwendungen – bis zur Wiederaufbauhilfe.

Seit Kriegsbeginn haben etwa 9,2 Millionen Menschen die Ukraine verlassen. Insbesondere Frauen und Kinder sind vor der russischen Invasion geflohen. Wehrpflichtige Männer und für das Land wichtige Zivilpersonen zwischen 18 und 60 Jahren dürfen nicht ausreisen. Auch innerhalb des Landes sind mehrere Millionen Menschen auf der Flucht oder sitzen in belagerten Städten fest.

In Deutschland wurden bis Mai 2022 nahezu 800.000 Geflüchtete aus der Ukraine registriert. Die tatsächliche Zahl dürfte deutlich darüber liegen. Voraussetzung für ihre Anerkennung ist nämlich, dass sich die Geflüchteten aus der Ukraine registrieren lassen. Nur dann erhalten sie Sozialleistungen und können offiziell arbeiten. Darauf haben insbesondere oft diejenigen verzichtet, die von Verwandten oder Bekannten in Deutschland aufgenommen wurden.

Innerhalb der EU scheitert eine gerechte Aufteilung der Geflüchteten daran, dass viele in den angrenzenden Ländern ausharren, um nach einem Waffenstillstand so schnell wie möglich in ihr Land zurückkehren zu können.

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat Putin dem russischen Volk eine strikte Omertà verordnet. Das Schweigegebot dient dazu, dem Volk die Wahrheit über den Angriffskrieg und die ungeheure Brutalität der Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung in den umkämpften Gebieten zu verschweigen.

Um ungestört Lügen und Falschmeldungen verbreiten zu können, hat der Kreml den Medien verboten, die Wörter „Invasion“, „Aggression“ oder „Krieg“ zu benutzen – stattdessen muss das Wort „Sonder-Operation“ verwendet werden. Wer Putins Desaster einen Krieg nennt, riskiert eine Gefängnisstrafe.

Der russische Chefdiplomat Sergej Lawrow ist Putins perfekter Erfüllungsgehilfe. Er fühlt sich in der Rolle des Werbeträgers für Putins imperiale Politik sichtlich wohl. In seinen Augen richtet sich die „Operation“ gegen eine korrupte ukrainische Elite, die vom Westen engagiert wurde. Nach seinen Worten will Putin der Ukraine helfen, einen vom Westen unabhängigen Staat aufzubauen. Dazu sei es unverzichtbar, „die Nazis im Lande zu eliminieren.“

Die von der Europäischen Union und den USA als Reaktion auf den Angriffskrieg verhängten Sanktionen belasten die wirtschaftliche Entwicklung Russlands zunehmend. Die Einnahmen aus dem Export von Gas, Erdöl und Kohle in den Westen gehen langfristig stark zurück, werden aber aktuell durch hohe Preise auf anderen Absatzmärkten, insbesondere in Asien, kompensiert. Auch der Zugang zu westlicher Technologie wird für Russland erschwert. Der Mangel an Zulieferungen westlicher Bauart trifft auch die russische Rüstungsindustrie. Und der bilaterale Handel erreicht immer neue Minusrekorde. Der durch den Ukraine-Krieg angerichtete Schaden ist für Russland unübersehbar. Auch der Bau von „Nord Stream 2“ hat sich durch die Sanktionen als Fehlplanung herausstellt – das ist allerdings das kleinste Übel.

Durch einen Sabotageakt wurden die in der Ostsee verlegten Gasleitungen Nord Stream 1 und 2 in schwedischen Gewässern gesprengt. Dadurch hat sich Russland erspart, ständig neue unhaltbare technische Ausreden für die Unterbrechung der Gaslieferungen über Nord Stream 1 zu finden.

Putin hat seine Forderungen nach einem Ende der NATO-Osterweiterung im Dezember 2021 in einem Entwurf für ein Sicherheitsabkommen mit den USA und Westeuropa zusammengefasst. Darin fordert er, dass die Nato weder die Ukraine noch weitere ehemalige Sowjetrepubliken aufnimmt, Waffen aus der Region abzieht und dort keine weiteren Manöver abhält.

Weil sich Westeuropa und die USA durch den Angriffskrieg zu einer neuen Einheit gegen Russland zusammengefunden haben, erreicht Putin das exakte Gegenteil seines Ziels. Durch den Beitritt von Finnland und Schweden zur NATO bekommt er nun auch im europäischen Norden eine 1.300 Kilometer lange unmittelbare Grenze zum Nordatlantischen Bündnis! Diplomatische Siege sehen anders aus.

So lange Putin seinen imperialistischen Fantasien einer Wiederbelebung des Großrussischen Reiches anhängt und diese zumindest nicht gänzlich zu scheitern drohen, wird es schwierig sein, ihn zu Verhandlungen zu bewegen. Belastet werden die Beziehungen von der Erfahrung des Westens, es mit einem Mann zu tun zu haben, für den Vertragstreue und Ehrlichkeit Fremdworte sind. Einem Mann, der einen Krieg mit Lügen vom Zaun bricht, ist nicht zu trauen.

Die Gretchenfrage lautet deshalb: Mit welchem Russland will der Westen in Zukunft seine Beziehungen reaktivieren? Denn dieses riesige Land wird ja nicht von der Landkarte verschwinden.

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