Den Machtmensch Putin durchschaut der Kiepenkerl

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Den Machtmensch Putin schätzt der Kiepenkerl ein: Putins Skrupellosigkeit wurde bei seinem Amtsantritt unterschätzt. Überschätzt wurde er als Vollender der von Michael Gorbatschow eingeleiteten Reformen.

Den Machtmensch Putin durchschaut der Kiepenkerl

Lange hat man im Westen die Skrupellosigkeit des Machtmenschen Putin unterschätzt – Foto Pixabay

Da sich die positiven Reaktionen der Bevölkerung auf Glasnost und Perestroika in Grenzen hielten, nahm der Machtmensch Putin die gewonnenen Freiheiten der Bürger schrittweise zurück. Gleichzeitig bekämpft er unbarmherzig die inneren Feinde. Wer nicht vorbehaltlos für ihn ist, den trifft die volle Härte des Staates, denn er, Putin, ist der Staat. Ganz im Sinne früherer Sonnenkönige. Er fürchtet, dass seine Gegner die Lügen schonungslos aufdecken. Um das zu verhindern, werden Oppositionelle vergiftet, Widersacher erschossen und Andersdenkende eingesperrt.

Trotzdem hielten ihn viele westliche Staaten für berechenbar und behandelten ihn wie einen rational handelnden Geschäftsmann. Sie kauften von Russland zunehmend Erdgas und verpfändeten dafür ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit. Selbst die Besetzung der Krim im Jahr 2014 führte nicht zum Stopp des Baus von Nord Stream 2. Auch nicht, als die USA Sanktionen gegen Firmen verhängten, die am Bau der Pipeline beteiligt waren.

Den Machtmensch Putin durchschaut der Kiepenkerl

Im Kreml fallen die wichtigsten Entscheidungen – Foto Pixabay

Seit zwei Jahren lebt der Machtmensch Putin weitgehend isoliert, denn er misstraut allen. Nach dem Angriff auf die Ukraine trifft er nur noch wenige Menschen an seinem überlangen Tisch in Moskau.

Inzwischen führen Lakaien seine Befehle aus, obwohl sie wissen, dass der Ukraine-Krieg Russland großen Schaden zufügt. Die Bevölkerung bleibt weitgehend ruhig, denn sie wird mit Desinformationen überschüttet und durch die Medien nicht über die wahre Lage informiert.

Den Machtmensch Putin durchschaut der Kiepenkerl

Auch bei überdimensionierten Militärparaden demonstriert Russland seine Macht und Stärke – Foto Pixabay

Ähnlich wie die USA 1964 in Vietnam hat Putin händeringend nach einem Grund gesucht, um die Ukraine angreifen zu können. Schließlich propagiert er, dass im Osten der Ukraine ein Völkermord an den Russen in den besetzten Gebieten verübt wird. So versucht er seine eigene Wahrheit zu schaffen.

Doch langsam regt sich Kritik. Um die Mütter der bei der militärischen „Spezialoperation“ – eine sanfte Umschreibung für „Angriffskrieg“ – in der Ukraine gefallenen Soldaten nicht in Moskau auf die Straße zu treiben, hat er vorzugsweise Kämpfer im russischen Hinterland rekrutiert. Doch inzwischen ist die Zahl der gefallenen russischen Soldaten so stark gestiegen, dass er eine Teilmobilmachung anordnen musste. Zudem versucht er Strafgefangene zu rekrutieren, denen die Strafe erlassen wird, wenn sie mindestens ein halbes Jahr an der Front kämpfen. Der Erfolg blieb bisher aus, obwohl ihnen ein stattlicher Sold winkt. Für den Fall, dass sie im Krieg fallen erhalten die Angehörigen eine Einmalzahlung von umgerechnet 80.000 Euro.

Doch nach über einem Jahr Krieg ist immer noch kein dauerhafter Erfolg in Sicht. Die Teilmobilisierung von 300.000 Reservisten mutet daher an wie ein Akt der Verzweiflung. Durch die zusätzlichen Kämpfer will der Machtmensch Putin die ukrainischen Bezirke Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja dem russischen Reich dauerhaft einverleiben im Stil früherer Sowjetrepubliken. Als Grundlage sollen die Referenden dienen, die er in aller Eile durchführt werden. Dabei handelt sich um Scheinwahlen, weil sie in besetzten Gebieten und ohne Zustimmung der Ukraine unter Kriegsrecht und nicht nach demokratischen Prinzipien ablaufen. So muss die Bevölkerung teilweise öffentlich in Anwesenheit bewaffneter Soldaten abstimmen. So versucht Putin eine Grundlage zu schaffen, um die ukrainischen Rückeroberungen als Angriff auf russisches Staatsgebiet ahnden zu können.

Aufgrund einer Zustimmung von angeblich 98 Prozent der Bürger für einen Anschluss an Russland gestimmt haben, baten die vier Besatzungsbehörden der besetzten Gebiete den Kremlchef Wladimir Putin um den Beitritt zur Russischen Föderation.

Inzwischen hat die Duma dem Beitritt der annektierten Gebiete zugestimmt. Doch die wehrpflichtigen jungen Männer fliehen in Scharen ins Ausland, weil sie nicht für Putins Großmachtträume sterben wollen.

In der Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York sagte US-Präsident Joe Biden: „Ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen ist in sein Nachbarland eingedrungen und hat versucht, den unabhängigen Staat von der Landkarte zu tilgen.“ Biden sprach sich auch dafür aus, Russland für die Kriegsverbrechen in der Ukraine zur Rechenschaft zu ziehen.

An einer zweiten Front führt Putin einen Krieg mit Erdgas und Öl als Waffe, der sich insbesondere gegen Deutschland richtet. Deshalb muss die Bundesrepublik zunehmend wieder auf die Verbrennung fossiler Energien wie Stein- oder Braunkohle setzen und hat einem befristeten Weiterbetrieb der Atomkraftwerke zugestimmt. Dadurch verschieben sich Deutschlands mittelfristige Ziele zur Klimaneutralität ganz erheblich auf der Zeitachse. Hinzu kommt, dass das das Getreideabkommen inzwischen ausgelaufen und gekündigt worden ist. Der Machtmensch Putin setzt den Hunger als Waffe gegen den Westen ein.

Die Kernfrage ist daher: wie findet Russland den Weg zurück in eine regelbasierte und werteorientierte internationale Staatengemeinschaft? Denn isoliert und auf sich allein gestellt wird Russland die zahlreichen globalen Herausforderungen, wie z.B. Klimawandel und Pandemiebewältigung, kaum meistern können. Der Faktor Zeit spielt in allen Aspekten eine wichtige Rolle („wie lange noch?“). Aber die unterschiedlichen Weltkulturen messen dem Faktor Zeit auch eine unterschiedliche Bedeutung zu. Noch scheint der Machtmensch am längeren Hebel zu sitzen.

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