Peymann bei den Ruhrfestspielen

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Recklinghausen – Fast ein Heimspiel. Claus Peymann zurück im Revier. Immerhin für einen einzigen brillanten Theaterabend während der diesjährigen Ruhrfestspiele. Das Berliner Ensemble gastiert voller Spielfreude mit dem legendären Dramolette „Peymann kauf sich eine Hose und geht mit mir essen“ des österreichischen Dramatikers und Schriftstellers Thomas Bernhard. Beinahe ein Klassiker, seit Jahren schon unverändert in der gleichen kantigen Inszenierung.

Peymann

Hermann Beil als Fräulein Schneider mit Claus Peymann – Fotos Martin Vukovit

Einige Fans waren offenbar aus Bochum angereist, um ihn, den ehemaligen Chef des Bochumer Schauspielhauses einmal wieder zu erleben: Live und in seiner Paraderolle als der Theatermacher Claus Peymann himself. Sie waren indes ein bisschen enttäuscht, dass zum tosenden Schlussapplaus nicht das gesamte Publikum gleich zu standing ovations aufsprang. Immerhin gab es anschließend eine Autogrammstunde.

Claus Peymann und Hermann Beil sind eine authentische Besetzung, wie sie authentischer nicht sein könnte. Herrmann Beil in gleich drei Rollen. Im ersten Akt als Fräulein Schneider, im zweiten als Thomas Bernhard und im dritten als er selbst mit Peymann auf der Sulzwiese. Als Theaterdirektor, Impressario und Souffleuse in Personalunion glänzte Maria Happel.

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Auf dem Sulzberg bei einer Jause: Hermann Beil als Dramaturg und Claus Peymann als Burgtheaterdirektor Peymann

Thomas Bernhard hat seine drei Einakter ursprünglich gar nicht für die Bühne gedacht. Zusammen genommen aber bilden sie als „Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“ einen herrlichen Theaterabend, der den Darstellern reichlich Gelegenheit bietet die irrwitzige, ja groteske Persiflage und bitterböse Abrechnung mit dem Theaterwahnsinn und mit der österreichischen Gesinnung auszuleben, dass es eine helle Freude ist.

In der szenischen Lesung dürfen sie prächtig übertreiben, sich versprechen, Anschlüsse verpassen, neben sich stehen, sich ans Textbuch klammern und über sich selber lachen. Im letzten Akt auf der Sulzwiese wird dank der Regieanweisungen von Maria Happel der Biss in das kalte Wiener Schnitzel zum running gag, der beinahe der lakonischen Antwort von Hermann Beil auf alle genialischen Geistesblitze und ausfallenden Tiraden von Peymann den Rang abzulaufen droht. Immer wieder kommentiert dieser nämlich jeden Gedanken von Peymann mit der lapidaren Bemerkung „Natürlich“. Das Publikum gluckst vor Vergnügen.

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Einige der Schauspieler und Dramaturgen sind beim Umzug in Mitleidenschaft gezogen worden

Der erste Einakter spielt in der Intendanz des Bochumer Schauspielhauses. Musik: Herbert Grönemeyer mit „Bochum“. Claus Peymann und Fräulein Schneider führen in Peymanns Büro ein Gespräch, nein, Peymann gibt Anweisungen, die die Sekretärin lakonisch und abgeklärt kommentiert. Sie kennt ihren Chef nur zu gut. Der Umzug nach Wien steht bevor. Die Koffer müssen gepackt werden. Schauspieler und Dramaturgen werden als Puppen eingepackt. Egal ob sie gequetscht werden, keine Luft mehr kriegen, bei der Wäsche oder unter der „weißen Weste“ des Direktors zu liegen kommen. Peymann räsoniert über seine Kollegen, die Kritiker und das Publikum.

Im zweiten Einakter gehen Thomas Bernhard und Claus Peymann, nachdem der letztere eine neue Hose gekauft hat, die Kärntner Straße auf und ab und dann in das Wiener Restaurant „Zauberflöte“ Rindsuppe essen. Das Gespräch über den Kauf der Hose, das zur existenzialistischen Betrachtung überhöht wird, kontrastiert die tiefsinnigen und aberwitzigen Gedanken über das Theater und den neuen Spielplan. Bernhards abgrundtiefer Hass gegenüber der reaktionären Gesinnung der Österreicher und der Wiener im speziellen bricht sich Bahn, das einem bei allen intellektuellen Purzelbäumen die Rindsuppe bildlich im Halse stecken bleibt.

Im dritten Akt machen der Herr Schauspieldirektor des Burgtheaters und sein Dramaturg Hermann Beil einen Ausflug auf die Sulzwiese am Kahlenberg eine Pause. Bei der Jause mit kaltem Schnitzel und einer Flasche Gumpoldskirchner blicken sie auch im übertragenen Sinne auf Wien und das Burgtheater hinunter. Peymann versteigt sich zu der omnipotenten Idee, den gesamten Shakespeare einschließlich der Sonette an einem einzigen Abend zu geben. Fünf Stunden und mit über tausend Schauspieler. Ob man so der österreichischen Ignoranz beikommen kann?

„Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“ ist in der Aufführung des Berliner Ensembles bei aller Selbstironie zugleich eine grandiose Hommage an den Dichter Thomas Bernhard wie den Theatermacher Claus Peymann. Dahinter treten die geistreichen Ausfälle über das Theatermachen, den „Theaterwahnsinn“ und die reaktionäre österreichische Gesinnung ein wenig zurück. Deren Bösartigkeit aber tun sie keinen Abbruch – ein herrliches Vergnügen. (Jörg Bockow)

www.ruhrfestspiele.de

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