Der Kiepenkerl bloggt: Doppelte Pubertätsfalle

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Durch die Turboausbildung an Schulen und Universitäten geriet die Bildung junger Menschen gleich doppelt in die Pubertätsfalle. Die Heranwachsenden sind beim Abschluss der Schulausbildung noch nicht aus der Pubertät und die angestrebte Bachelor-Ausbildung steckt seit Jahren mitten drin fest.

Baustelle Pubertät

Die Pubertät stellt die Welt der Jugendlichen von den Füßen auf den Kopf. Es dauert Jahre, bis alles wieder im Lot ist. In der Umbauphase des Gehirns orientiert sich die Denkmaschine neu. Am Ende wird sie schneller und besser sein. Am längsten dauert die Grundsanierung des Stirnlappens (Präfrontaler Cortex). Dabei ist der Verstand weitgehend ausgeschaltet. In dieser Gehirnregion befindet sich die Fähigkeit, die man sich von Jugendlichen wünscht: Impulskontrolle, Selbstreflexion und zielgerichtetes Handeln. Genau diese Veranlagungen sind aber während der Pubertät nur eingeschränkt präsent. Die Pubertierenden folgen vermehrt ihrem Bauchgefühl. Diese partielle Insuffizienz passt nicht in die Lebenswelt der Erwachsenen. Sie erwarten, dass Prozesse zielgerichtet gesteuert und optimiert werden. Doch der zuständige Stirnlappen erreicht bei Heranwachsenden erst jenseits des 20. Geburtstags die Endreife. Bis dahin können Eltern die Launen und das soziale Verhalten der Pubertierenden nur marginal beeinflussen. Sie müssen einfach lernen, damit zu leben.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass die familiären Verhältnisse und die Lebensumstände vor Beginn der Pubertät entscheidend sind für den Verlauf der „Menschwerdung“. Deshalb hält der renommierte dänische Pädagoge Jesper Juul nicht viel von einer Turboerziehung nach Eintritt der Pubertät.

Die frühkindliche Erlebniswelt der heutigen Großelterngeneration ist vermutlich dafür verantwortlich, dass die Auswüchse der Pubertät nach ihrer Ansicht früher nicht so ausgeprägt waren. Sie wurden verdrängt durch die schwierigen Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse und die stärkere Fokussierung auf die Familie. Da war kein Raum für pubertätsbedingte Eskapaden.

Master of Desaster

Auch der Bologna-Prozess mit den Abschlüssen Bachelor und Master steckt selbst 15 Jahre nach dem Start noch in der Pubertät. Eine Studie kommt in dem Kapitel „Abschluss ohne Wert“ zu dem Ergebnis, dass im inzwischen verschulten Universitätsstudium zu wenig Zeit bleibt, um das Wissen im belegten Fach zu vertiefen oder sich zu spezialisieren. Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, stellt fest: Ein Bachelor im Ingenieurwesen sei „nie im Leben ein Ingenieur“. Eine Universität müsse „mehr leisten als Ausbildung, nämlich Bildung. Das tut sie mit dem Bachelor nicht.“

Dass die Wirtschaft den Bachelor nur als Akademikergrad zweiter Klasse akzeptiert, zeigt sich in der Bezahlung. Da rangiert der universitäre Bachelor deutlich hinter dem Abschluss einer Fachhochschule, denn wegen der stärkeren Praxisorientierung funktioniert der Bachelor dort. Viele Personalchefs beklagen zudem, dass die Akademiker mit Anfang 20 einfach noch zu unreif sind. Auch die Bundesverwaltung liefert ein schlechtes Vorbild. Obwohl der Bachelor-Abschluss der Regelabschluss sein sollte, erkennen Bund und Länder diesen Abschluss nicht als Voraussetzung für den höheren Dienst an. Sie berücksichtigen nur Master, Diplom oder Juristen mit klassischem Staatsexamen.

Neben der Verkürzung der Studiendauer sollte vor allem die Abbrecherquote gesenkt werden. Doch gefruchtet hat die straffe fachliche Führung durchs Studium nicht. Die Abbrecherquote liegt je nach Fachrichtung heute mit 28 bis 50 Prozent höher als vor der Reform.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass Deutschland durch zahlreiche dilettantische Reformen in Schulen und Universitäten international vom Spitzenplatz in der Bildung ins Mittelfeld abgerutscht ist. Trotz eindeutiger Fakten geht die Erosion weiter.

 

 

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