Theater Bochum mit einem guten Jahr

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Das Theater Bochum blickt auf ein großartiges Jahr zurück. Das Schauspielhaus wurde in diesem Jahr endlich mal wiedcr als “Theater des Jahres” ausgezeichnet.

Schauspielhaus Bochum - ein erfolgreiches Jahr

Preisverleihung “Theater heute” – Schauspielhaus Bochum “Theater des Jahres” – Foto Birgit Hupfeld

Im Revier wird Theatergeschichte geschrieben. Die Ruhrfestspiele und die Ruhrtriennale sind Festivals mit überregionalem Renommee, das MiR Musiktheater im Revier bietet mit Konstanz klangvolle und unvergessliche Highlights. Im Zentrum aber steht unbestritten seit Jahrzehnten schon das Schauspielhaus Bochum. In diesem Sommer wurde es nach 1982 vom Fachmagazin “Theater heute” zum zweiten Mal zum „Theater des Jahres“ gekürt. Späte Anerkennung für eine Bühne mit einer großen Tradition und einer nicht zu überschätzenden Strahlkraft.

Schauspielhaus Bochum - ein erfolgreiches Jahr

Das Schauspielhaus Bochum ist seit Jahrzehnten schon die wichtigste Bühne im Ruhrgebiet – Foto Hans Jürgen Landes

Auf die Auszeichnung hat man lange gewartet. Sie ist längst überfällig. Die Nominierung „Theater des Jahres“ geht zum ersten Mal seit 40 Jahren an das Schauspielhaus Bochum. Dabei gingen und gehen vom Theater Bochum dank seiner ebenso innovativen wie streitbaren Intendanten und seiner herausragenden Schauspielerinnen und Schauspieler einige der wichtigsten Impulse für das Theaterleben in Deutschland aus.

Aktuell bespielt der niederländische Theatermacher Johan Simons als Intendant und Regisseur die Bretter, die die Welt bedeuten. Simons ist einer der ganz Großen im internationalen Theaterzirkus. Er hat schon viele Preise und Auszeichnungen bekommen. Zuletzt war er von 2015 bis 2017 Leiter der Ruhrtriennale.

Schauspielhaus Bochum - ein erfolgreiches Jahr

Aktuell bespielt Johan Simons als Intendant das Schauspielhaus Bochum – Foto Daniel Sadrowski

Sein von vielen ersehnten Sprung ans Theater Bochum zur Spielzeit 2018/2019 war ein echter Coup. Denn mit ihm wird in mehrfacher Hinsicht fortgesetzt, was seine berühmten Vorgänger von Hans Schalla über Peter Zadek, Claus Peymann, Leander Haußmann bis Olaf Kröck vorbereitet und vorgelebt haben: Theater als Diskussionsort, Theater als Bühne für gesellschaftliche Auseinandersetzungen und Reibungen, Theater der Schauraum und die „Schule“ für die besten Mimen in Deutschland. Bochum ist nicht zuletzt eine der Kaderschmieden für Schauspielerinnen und Schauspieler.

Mit seiner Inszenierung von William Shakespeares „Hamlet“ 2019 trat Johan Simons in die Fußstapfen seiner berühmten Vorgänger. Denn in Bochum hat die Beschäftigung mit Shakespeare eine lange Geschichte. Sicherlich ist das auch einer der Gründe dafür, dass das Theatergeschehen im Revier so aufmerksam verfolgt wird. Bochumer Inszenierungen wurden und werden gerne zum Theatertreffen nach Berlin eingeladen und Gastspiele im Ausland beispielsweise in Paris und Venedig internationale Anerkennung.

Schauspielhaus Bochum - ein erfolgreiches Jahr

Peter Zadek war einer der legendären Intendanten am Schauspielhaus Bochum – Foto Stadt Bochum

In der Hauptrolle als Hamlet spielte 2019 in Bochum übrigens Sandra Hüller. Sie taucht immer wieder in Stücken auf, die Simons auf die Bühne bringt. Damit setzt dieser das fort, was die Kollegen vor ihm exzessiv propagiert und gepflegt haben. Sie reisen mit ihren eigenen Ensembles an und sie rollen seit jeher den roten Teppich für Schauspieler aus. Spätestens nach ihrem Engagement in Bochum haben sie auch an anderen bedeutenden Bühnen in Hamburg, München oder Berlin Erfolg und darüber hinaus wechseln viele von ihnen nahtlos von der Bühne ins Fernsehen und auf die Leinwand.

Viele der Schauspieler avancierten nach ihren Engagements in Bochum zu bekannten Stars. Wir erinnern uns an Heinz Bennent, Mathias Brandt und Katharina Thalbach, Gert Voss, den unvergessenen Bernhard Minetti und nicht zuletzt an Bruno Ganz, Dieter Krebs, Joachim Król, Peter Lohmeier und Otto Sander.

Die Besetzungslisten des Theaters in Bochum aus mehr als 70 Jahren liest sich wie der Gotha der deutschen Schauspieler. Klangvolle und unvergessene Namen machen dem Schauspielhaus Bochum bis heute alle Ehre. Wir stoßen auf Namen wie Günter Lamprecht, Leonard Lansink, Eva Mattes, Rolf Boysen, Dietmar Bär, Herbert Grönemeyer, Mechtild Großmann, Tana Schanzara, Nina Hoss, Ulrich Wildgruber, Jürgen Prochnow, Hannelore Hoger, Marianne Hoppe, sogar der gute Harald Schmidt und viele andere sind dabei.

Alle bisherigen Intendanten bewiesen ein Händchen für Schauspieler. Damit setzten sie klare Akzente und schufen Öffentlichkeit, was den meisten der städtischen Bühnen von Köln bis Düsseldorf, von Dortmund über Münster bis nach Bielefeld und Paderborn bislang nicht gelingt. Die Vorstellungen in Bochum sind regelmäßig gut besucht. Die Zuschauer kommen häufig aus ganz Nordrhein-Westfalen und noch von weiter her.

Auch Claus Peymann (re) sorgte als Intendant für große Aufmerksamkeit – Foto Stadt Bochum

Intendant Hans Schalla vermehrte unmittelbar nach der NS-Zeit ab 1949 den Ruhm des Bochumer Schauspielhauses durch zahlreiche Shakespeare-Inszenierungen als Shakespeare-Bühne. Gleichzeitig etablierte er in den 1950er- und 1960er-Jahren Stücke moderner Autoren. Darüber hinaus erfand er das öffentlichkeitswirksame Medium der „Festwochen“ mit amerikanischer, französischer und englischer Gegenwartsdramatik. Die thematischen Klammern brachten Aufmerksamkeit beim Publikum, damals auch bereits außerhalb von Bochum.

Auf Hans Schalla folgte Peter Zadek, der seine erste Spielzeit als Intendant mit der großen Revue „Kleiner Mann – was nun?“ von Hans Fallada eröffnete.  Es heißt, dass die Inszenierung in der Stadt eingeschlagen ist wie eine Bombe. Kaum ein Bürger der Stadt, der die legendäre Inszenierung damals nicht gesehen hat. Außerdem holte Zadek junge, provokante und umstrittene Regisseure nach Bochum. Bei ihm inszenierte Rainer Werner Fassbinder „Liliom“ von Ferenc Molnár, Rosa von Praunheim „Menschen im Hotel“ von Vicki Baum und Werner Schroeter brachte eine „Salomé“ von Oscar Wilde fast opernartig auf die Theaterbühne.

Frischen Wind brachte Claus Peymann, ein Theaterbesessener, Anfang der 1980er-Jahre ins Schauspielhaus. Sein Bochumer Ensemble mit Stars wie Gert Voss, Kirsten Dene oder Traugott Buhre galt damals als die innovativste Bühne der Bundesrepublik. Mit großer Geste und durchaus öffentlichkeitswirksam setzte Peymann seinen Schwerpunkt auf die Uraufführung zeitgenössischer Autoren. Darunter selbstredend Stücke von Thomas Bernhard, Heiner Müller und Peter Turrini, denen er bis heute leidenschaftlich verbunden ist. In Erinnerung bleiben seine legendäre Inszenierung von „Nathan der Weise“ und nicht zuletzt die „Hermannsschlacht“. Bis zu Claus Peymanns Neuentdeckung am 10. November 1982 im Schauspielhaus Bochum galt das Stück von Heinrich von Kleist als unspielbar.

Nach Peymanns Abschied zum Burgtheater Wien übernahm Frank-Patrick Steckel bis 1995 die Intendanz an der Königsallee. Auch er hatte ein Faible für herausragende Schauspieler und er brachte Regisseure wie Andrea Breth und Jürgen Gosch zum ersten Mal nach Bochum.

Im Jahr 1995 kam Leander Haußmann für fünf wildbewegte Jahre als damals jüngster Intendant Deutschlands an die Bühne. Er brach mit allen eingeführten Traditionen und warf vieles einfach über den Haufen. Ihm gelang es vor allem junge Regisseure für Bochum zu interessieren. „Er strebte zusammen mit seinen Regiekollegen Jürgen Kruse und Dimiter Gotscheff, in bewusstem Kontrast zu seinem Vorgänger, ein lautes, ‚spaßiges‘ Theater an – und machte sich damit in Bochum nicht nur Freunde, schaffte es aber, ein jüngeres Publikum als sein Vorgänger zu begeistern.“ (Wikipedia) Von Haußmann bleibt in Erinnerung, dass er 1996, fünf Monate nach dem Tod von Heiner Müller, dessen letztes Stück „Germania 3 Gespenster am Toten Mann” uraufführte.

Auf Leander Haußmann folgte der 37-jährige Matthias Hartmann, ein weiterer „Jungintendant“, der in Bochum seine erste Intendanz übernahm. Hartmann gelangen in seiner Amtszeit ebenso öffentlichkeitswirksame Coups wie die Verpflichtung von Harald Schmidt wie auch gefeierte Inszenierungen. Von Fachzeitschriften wurde das Schauspielhaus Bochum deshalb mehrfach als eine der besten deutschsprachigen Bühnen seiner Zeit ausgezeichnet. Wie sein Vorgänger verließ Hartmann 2005 nach nur fünf Jahren wieder das Haus.

Mit Beginn der Spielzeit 2005/2006 übernahm der ehemalige Oberspielleiter des Münchner Residenztheaters, Elmar Goerden, das Bochumer Haus, das er bis in das Kulturhauptstadt-Jahr 2010 führte. Von Goerden bleibt der Skandal um das sogenannte Ekeltheater in Erinnerung. Goerden inszenierte Botho Strauß’ Stück „Die Schändung“. Es war für alle Beteiligten eine Herausforderung. Als Gast hatte Goerden für eine immense Gage den Star Bruno Ganz verpflichtet.

Von Bruno Ganz in seiner Rolle als General Titus, aber auch von seinen Kollegen und nicht zuletzt von den Zuschauern wurde einiges abverlangt. Denn das Drama, das sich an Shakespeares „Titus Andronicus“ anlehnt, handelte von Vergewaltigung, Giftmorden und Menschenfresserei. Ein Skandal war also vorprogrammiert.

Auf Goerden folgte mit Beginn der Spielzeit 2010/2011 Anselm Weber, ehemaliger Intendant des Schauspiels Essen. Er lud sowohl deutsche als auch internationale Künstler nach Bochum ein, um seinen Spielplan aus Klassikern der Theaterliteratur, modernen Stücken und Uraufführungen zeitgenössischer Autoren zu gestalten. Weber blieb wie seine Vorgänger nur fünf Jahre.

Ab der Spielzeit 2017/2018 leitete Olaf Kröck für ein Jahr als Interims-Intendant das Schauspielhaus Bochum, bevor ab 2018 Johan Simons, früherer Intendant der Ruhrtriennale, die Leitung des Schauspielhauses übernahm. Dahinter steckt eine kleine Rochade, denn Olaf Kröck wechselte von Bochum nur einen Steinwurf weiter als Intendant zu den Ruhrfestspielen nach Recklinghausen. Irgendwie bleibt im Ruhrgebiet alles beisammen: Da wo alle mit Leidenschaft fürs Theatermachen brennen. Das Ruhrgebiet ist dafür ein guter Ort. (Jörg Bockow)

 

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