Die Nationalhymne betrachtet der Kiepenkerl

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Die Nationalhymne der Deutschen hat eine wechselvolle Rezeption erlebt. Sie besingt “Deutschland, Deutschland über alles”. Aber was mag das bis heute bedeuten, fragt sich der Kiepenkerl.

Die Nationalhymne betrachtet der Kiepenkerl

Wie die Nationalhymne so steht auch das Parlament und das ehemalige Reichtstagsgebäude für den deutschen Nationalstolz – Foto Pixabay

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben schrieb 1841 „Das Lied der Deutschen“. Als Star des Liberalismus war er allerdings nicht unumstritten. Er griff die politischen Verhältnisse jener Zeit an, wie KleinstaatereiPressezensur, Fürstenwillkür, Allmacht von Polizei und Militär. Die Melodie seines Liedes stammte vom österreichischen Komponisten Joseph Haydn (1732 – 1809).

1922 bestimmte Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) das populär gewordene Lied zur Nationalhymne.

In der ersten Strophe der Nationalhymne heißt es:

Deutschland, Deutschland über alles,
über alles in der Welt,
wenn es stets zum Schutz und Trutze
brüderlich zusammenhält.
Von der Maas bis an die Memel,
von der Etsch bis an den Belt –
Deutschland, Deutschland über alles,
über alles in der Welt!

Die Nationalsozialisten stellten diese Strophe als Präludium dem Horst-Wessel-Lied voran. Die zweite und erst recht die dritte Strophe mit der starken Betonung des demokratischen Gedankens wurden im Tausendjährigen Reich ignoriert.

1952 wurde das vollständige Hoffmann-Haydn’sche Lied in einem Briefwechsel zwischen Bundespräsident Theodor Heuss und Bundeskanzler Konrad Adenauer wieder als deutsche Nationalhymne anerkannt. Bei staatlichen Veranstaltungen sollte jedoch nur die dritte Strophe gesungen werden.

1991 bestätigten Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Bundeskanzler Helmut Kohl die Tradition des „Liedes der Deutschen” für das vereinigte Deutschland: „Als ein Dokument deutscher Geschichte bildet es in allen seinen Strophen eine Einheit.“

In der aktuellen Fassung der Nationalhymne fehlen allerdings die beiden ersten Strophen, sodass die Nationalhymne in der Praxis ausschließlich aus der dritten Strophe besteht:

Die Wiedervereinigung war ein durch die friedliche Revolution in der DDR angestoßener Prozess in den Jahren 1989 und 1990. Er führte am 3. Oktober 1990 zum Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland . An diesem Tag wird seither die deutsche Einheit als Nationalfeiertag begangen.

Die Nationalhymne betrachtet der Kiepenkerl

Nach der Wiedervereinigung wurd Berlin zur Bundeshauptstadt und das Reichstagsgebäude zum Sitz des deutschen Parlamentes bestimmt – Foto Pixabay

Die Wiedervereinigung beendete den vier Jahrzehnte währenden Zustand der deutschen Teilung. Aus dem nach dem Zweiten Weltkrieg geteilten Deutschland wurde wieder ein einig Vaterland.

Bundeskanzler Helmut Kohl nutzte das Zeitfenster der Demokratisierungsbewegung in der Sowjetunion zur Loslösung der DDR aus deren Machtbereich. Unter maßgeblicher Beteiligung von Michail Gorbatschow kam es zur Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland.

Ludwig Erhard schrieb bereits 1953 einen Wiedervereinigungsartikel. Darin heißt es: „Die Produktivität der ostdeutschen Wirtschaft ist so rasch und so energisch zu verbessern, dass der Prozess der Leistungsangleichung auch zeitlich so kurz wie möglich bemessen werden kann. Der Wirtschaft des Ostens muss der Staat dazu Hilfestellung geben. Privates und öffentliches Kapital ist in ausreichendem Maße zu mobilisieren.“

Erhards Idee war nicht die freie Marktwirtschaft der liberalistischen Freibeuterei, auch nicht das freie Spiel der Kräfte, sondern eine sozial verpflichtete Marktwirtschaft. Dazu sollten die reinen Marktprozesse durch staatliche Rahmenbedingungen begrenzt und durch eine ergänzende marktkonforme Stabilisierungs-, Strukturanpassungs- und Sozialpolitik begleitet werden.

Dass die von Helmut Kohl bei der Wiedervereinigung versprochenen „blühenden Landschaften“ nicht entstanden, lag auch daran, dass sich die Regierung nicht an die Ratschläge von Ludwig Erhard hielt. Für die Neuausrichtung der kommunistischen Verwaltung schickten die Behörden nur Beamte, die im Westen im Beförderungsstau steckten. Auch die Stärkung der Wirtschaft kam nicht in Gang, denn die Westunternehmen stellten überwiegend ihre zweite Garde ab.

Die Regierung bestimmt die „Treuhandanstalt“ als Körperschaft des öffentlichen Rechts zum zentralen Instrument für die Transformation der sozialistischen Planwirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft. Die Treuhandanstalt bestand vom Frühjahr 1990 bis Ende 1994. Die Größe und die Komplexität ihrer Aufgaben sind bis heute einmalig und ohne historisches Vorbild. Birgit Breuel wurde zur Vorstandsvorsitzenden und Präsidentin der Treuhand bestellt.

„Laissez faire“ war das Motto der Treuhandanstalt. Das hieß: machen lassen oder laufen lassen. Gemeint war eine Haltung der Nichteinmischung. Die Politiker griffen nicht aktiv ein, sondern vertrauten darauf, dass sich die Dinge von selbst regeln.

In dieser Zeit rieben sich viele westdeutsche Unternehmer die Hände: Ein neuer Markt wartete nur darauf, erschlossen zu werden und versprach ordentliche Gewinne. Die Frage lautete: Wie kann man vom zukünftigen Bedarf in den neuen Ländern profitieren? Kontakte waren wichtig, um ein Stück Privatisierungskuchen abzubekommen. Noch hilfreicher war aber die kriminelle Energie. Zahlreiche Veruntreuungsfälle erschütterten das Land. Es herrschte Freibeuterstimmung in vielen Branchen.

2022 sind die Bundesbürger Zeitzeugen einer nie gekannten Belastung des freiheitlichen marktwirtschaftlichen Systems. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat allen drastisch vor Augen geführt, dass die Märkte abhängig sind von zuverlässig funktionierenden Lieferketten.

Nach zwanzig Jahren Kuschelpolitik haben die deutschen Politiker begriffen, dass sie gegenüber Wladimir Putin hätten vorsichtiger sein müssen. Wegen der niedrigen Preise für russisches Erdgas wurde potentiellen Lieferanten aus außereuropäischen Ländern keine Chance eingeräumt. Nicht einmal ein Terminal für die Löschung von verflüssigtem Erdgas wurde gebaut.

2013 verkaufte die Bayer-Tochter Wintershall den größten westeuropäischen Erdgasspeicher in Rheden bei Bremen an die Gazprom-Tochter Astora. Im Gegenzug bekam Wintershall den direkten Zugang zu weiteren Erdgasfeldern in Russland.

Als der Füllstand in Rheden wegen ausbleibender Lieferungen aus Russland nur noch 3,6 Prozent betrug, wurde der Betrieb von Astora unter die Kontrolle der Bundesnetzagentur gestellt, um wieder eine nationale Reserve aufbauen zu können. Doch eine Kuratel ist keine langfristige Lösung.

Aus heutiger Sicht muss der Wintershall-Vertrag rückabgewickelt werden, denn der Zugang zu russischen Erdölfeldern ist durch Putins Politik sinnlos geworden.

Eine deutsche Tochtergesellschaft des russischen Oel-Konzern Rosneft ist mit über 54 Prozent an der Raffinerie in Schwedt beteiligt. Zu Zeit ist völlig unklar, ob die Gesellschaft der Einlieferung von Erdöl zustimmen wird, das nicht aus Russland stammt.

In der EU sorgt die einseitige Abhängigkeit von russischem Erdgas und der Ausverkauf wichtiger Teile der deutschen Gas-Infrastruktur an Gazprom-Töchter auch für Zündstoff. Die Mitgliedsstaaten wollen im „Energiepakt“ nicht für die deutschen Fehler in der Energiepolitik einstehen.

Nach europäischem Energierecht dürfen Gasproduktion und Gastransport nicht in einer Hand liegen. Tatsächlich aber besteht in Deutschland eine dreifache Verquickung von Interessen und Abhängigkeiten: Nicht nur die Pipeline und das Erdgas, auch die deutschen Erdgasspeicher gehören zu 25 Prozent russischen Staatsfirmen.

Politiker heben häufig hervor, dass Deutschland eine Vorbildfunktion zukommt. Doch die Bundesbürger fragen sich: Wofür denn?

Für zwei verlorene Weltkriege, die waghalsige Russlandpolitik, eine versaute Energiewende, das Mautdesaster, die verschlafene Digitalisierung, eine kaputtgesparte Armee, der Verkauf von Unternehmen der Hochtechnologie an China und wichtiger Teile der Erdgas-Infrastruktur an Gazprom-Töchter, die zeitlichen und finanziellen Desaster bei Großprojekten in Deutschland, verfehlte Integrations- und Einwanderungspolitik sowie die desolate Infrastruktur.

Das sind die Ergebnisse einer halbherzigen Politik, durch die wichtige Zukunftsziele verfehlt wurden.

Obwohl die Steuereinnahmen reichlich flossen, haben es die Regierungen nicht geschafft, Deutschland bei den wichtigen Zukunftsfeldern in der Spitzengruppe zu positionieren.

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