Pilot werden am FMO – SCHULE LEHRE STUDIUM

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Pilot werden am Flughafen Münster/Osnabrück: Als Berufspilot kann man seinen Traum vom Fliegen jeden Tag aufs Neue leben und in eine rosige Zukunft starten. Die Jobaussichten sind hervorragend – trotz Flugscham, Klimakatastrophe und Corona. In den kommenden fünf Jahren werden schätzungsweise weltweit zusätzlich bis zu 60.000 Pilotinnen und Piloten gebraucht. Es wird also Zeit, den Steuerknüppel selbst in die Hand zu nehmen, findet Westfalium-Redakteur Jörg Bockow und besucht die AIS Academy in Greven.

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Der Flugsimulator bei AIS ist vom Cockpit eines Verkehrsflugzeugs kaum zu unterscheiden – Foto Ilse Wecker

Der Sessel im heimischen Wohnzimmer ist auf jeden Fall bequemer. Ein Cockpit bietet nicht viel Platz. Man fühlt sich inmitten von zahllosen Hebeln und Instrumenten, Schaltern und Knöpfen förmlich eingequetscht wie in einer Sardinendose. Arnd, der Fluglehrer, hat die beiden Turbinen mit einem Fingerschnippen in Gang gesetzt. Der Schalter ist umgelegt, die beiden Aggregate der Jetstream 31 heulen auf. Ein sattes Brummen erfüllt das Cockpit und lässt es sachte vibrieren. Das Turboprop-Flugzeug ist bereit und lauert in Position auf der Startbahn.

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Es wird ein Trainingsflug ganz ohne die 19 ansonsten für die Maschine zugelassenen Passagiere. Mit beiden Händen umklammere ich den Steuerknüppel, der wie ein halbes Lenkrad in Armlänge vor mir aus dem Armaturenbrett hervorragt. Der Fluglehrer greift von hinten zwischen den Sitzen an den Schubhebel in der Mittelkonsole und drückt ihn langsam, aber ohne Zögern nach vorne. Ich spüre wie unsere Maschine anrollt und rasch an Fahrt aufnimmt. „Halten Sie die Maschine mit den beiden Fußpedalen auf der Mitte der Startbahn“, kommt die Anweisung von hinten. Gar nicht so einfach. Feingefühl ist gefragt.

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Im Cockpit des Flugsimulators erklärt AIS-Trainer Remo de Wolf unserem Redakteur die einzelnen Instrumente – Foto Ilse Wecker

Die Streifen der Fahrbahnmarkierung kommen immer schneller auf uns zu. Dann drücke ich den Schubhebel selber nach vorne, während die Hand des Fluglehrers beruhigend auf meiner liegt. Der Thrust Lever steht auf TOGA, was das Zeichen für die optimale Startgeschwindigkeit ist. Der Geschwindigkeitsanzeiger vor mir im Armaturenbrett dreht auf. „Jetzt ziehen sie den Steuerknüppel sachte zu sich heran“, gibt Arnd seine Anweisung. Prompt verschwindet die Startbahn aus meinem Blickfeld. Die Nase der Maschine richtet sich auf und ein Wolkenband kommt direkt auf mich zu. Wir sind abgehoben. Take-off!

Ist doch gar nicht so schwer, denke ich bei mir. „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein …“ Ein erstes Glücksgefühl durchströmt mich. Geschafft! Über meinen Steuerknüppel bekomme ich ein Gefühl für die Maschine. Ich spüre so etwas wie Gewicht und Druck. Ich drehe den Steuerknüppel sanft nach rechts, schon antwortet die Maschine mit einer sachten Neigung nach rechts. Wir fliegen eine sachte Kurve, während sich die Maschine gleichzeitig noch im Steigflug befindet.

Auf dem Panel vor mir sind alle Anzeigeinstrumente munter in Bewegung. Ich habe das BasicTi, die international vorgegebene Anordnung der wichtigsten Instrumente, im Blick. Anhand dieser Instrumente kann jeder Pilot jedwede Maschine steuern und bedienen.

Unsere Geschwindigkeit nimmt weiter zu und über den Höhenanzeiger sehe ich, dass wir kontinuierlich weiter steigen: Gerade sind wir auf 5.325 Meter und immer noch geht es gen Himmel. Über den künstlichen Horizont in der Mitte der Instrumententafel sehe ich, dass die Maschine sich leicht zur Seite neigt. Parallel verändert sich unsere Position auf dem Kurskreisel. Ich stabilisiere die Maschine und bringe sie wieder auf den ursprünglichen Kurs. Arnd ist fürs Erste mit mir zufrieden.

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Arnd van der Meer hat vor 25 Jahren seine Airline mit einer kleinen Maschine begonnen. Heute ist er Herr einer ganzen Flotte von Flugzeugen – Foto Ilse Wecker

Der Fluglehrer möchte für heute die Möglichkeiten des Flugsimulators nicht weiter ausreizen. Tatsächlich ist der das wichtigste Trainingsgerät in der AIS Flight Academy am Flughafen Münster-Osnabrück in Greven. Lange bevor die Flugschüler in eine echte Maschine steigen und in der Wirklichkeit den Steuerknüppel übernehmen, haben sie viele Stunden in diesem hochkomplexen, faszinierenden Spielzeug verbracht. Nach acht Monaten intensiver Theorie geht es damit Schritt für Schritt über zur eigentlichen Praxis, dem Fliegen.

Über den angeschlossenen Computer kann der Fluglehrer alle möglichen Flugzeuge simulieren, vom kleinen Propellerflugzeug bis hin zum Airbus. Auf dem Panel vor mir erscheinen die jeweils vorgesehenen Anzeigeinstrumente. Die Flugschüler können in realistischen Settings Starts und Landungen lernen, auf jeden Flughafen der Welt zusteuern und dort aufsetzen, natürlich in jede erdenklich brenzlige Situationen gebracht werden, die sie zu bewältigen haben.

Eines muss ein Flugkapitän nach seiner zweijährigen Ausbildung auf jeden Fall haben: viel Erfahrung und eine perfekte Routine. Jeder Berufspilot muss sich im Übrigen in seinem Berufsleben zweimal im Jahr einer Prüfung im Flugsimulator stellen. Nur wer diese Übungen mit Bravour schafft, darf weiterfliegen. Ein kleiner Knopfdruck genügt und schon verändert sich für mich die Situation im Cockpit. „Sehen Sie mal links aus dem Fenster“, fordert mich der Fluglehrer auf. „Da nähert sich eine andere Maschine. Sie müssen jetzt ein Ausweichmanöver fliegen.“ Ups. Damit hatte ich nicht gerechnet.

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AIS-Geschäftsführer Arnd van der Meer zeigt dem gelehrigen Flugschüler, welche Bewegungsachsen den Kurs eines Flugzeuges bestimmen – Foto Ilse Wecker

Die AIS Flight Academy am Flughafen Münster-Osnabrück ist die deutsche Niederlassung der international anerkannten Flugschule auf dem Flughafen Lelystad in den Niederlanden. 25 Trainer und Fluglehrer sind bei der AIS Flight Academy im Einsatz. In Lelystad werden gerade 30 Schüler auf die begehrte Verkehrspilotenlizenz, die Airline Transport Pilot Licence – ATPL vorbereitet. Die niederländischen Studenten sind regelmäßig auch in Greven.

Aktuell soll in Greven eine Gruppe von deutschen Flugschülern aufgebaut werden, die in Vollzeit oder berufsbegleitend, also modular, Pilot werden und die Verkehrspilotenlizenz erwerben wollen. Die Werbung läuft, ebenso die Auswahltests.

Im August dieses Jahres geht der Akademiebetrieb am FMO los. In diesem Jahr zuerst einmal mit maximal zehn Flugschülern. AIS Airlines verfügt über acht BAe-Jetstream-32-Verkehrsmaschinen, die im Linienbetrieb eingesetzt sind. Vom FMO bedient die Airline regelmäßig die Strecken zwischen Greven und Stuttgart sowie zwischen Greven und Brandenburg. Tatsächlich verfügt das Unternehmen insgesamt über 22 Maschinen, die allesamt für den Ausbildungsbetrieb eingesetzt werden können. Das bildet eine breite Palette von unterschiedlichen Fluggeräten ab. Zu der Flotte der Schulflugzeuge gehören eine Cessna, neun Socata TB-9, drei Socata TB-10 und eine Socata TB-20. Diese Vielfalt an Flugzeugen bildet einen unschätzbaren Vorteil, der den angehenden Piloten zugutekommt.

Playstation XXL: Der AIS-Flugsimulator am Flughafen in Greven – Foto Ilse Wecker

Gegründet hat Arnd van der Meer sein Unternehmen AIS vor 25 Jahren. Mit einer einzigen Maschine ging es los. Arnd van der Meer ist Pilot durch und durch – wahrscheinlich rinnt Kerosin in seinen Adern. Er sitzt immer noch begeistert im Cockpit seiner Maschinen, vermittelt als Fluglehrer und Trainer seine Erfahrungen und sein Wissen mit Enthusiasmus an seine Schüler und er ist der CEO mit Weitblick und Visionen, der seine Airline nicht nur auf Kurs hält, sondern sie überall durchstarten lässt, wo er einen geschäftlichen Erfolg wittert.

Bei einer Ausbildung zum Piloten in einer private Flugschule müssen alle Kosten von den Schülern übernommen werden. In der AIS Flight Academy summieren sich diese schnell auf rund 100.000 Euro. Allerdings: Da es sich um eine normale Berufsausbildung handelt, können diese Kosten später von der Steuer abgesetzt werden.

Pilot werden lohnt sich

Die Aussichten weltweit einen geeigneten Piloten-Job zu finden, sind zurzeit sehr hoch. Bei der AIS Airline macht man den Absolventen für ihren Einstieg ins Berufsleben ein kaum zu überschätzendes Angebot: Für ein Jahr können sie im normalen Linienflugbetrieb als Co-Pilot Erfahrungen sammeln.

Danach wird der reguläre Berufseinstieg deutlich einfacher. Wenn Arnd van der Meer und sein Mitarbeiter Remo de Wolf von der Arbeit als Berufspilot sprechen, kommen sie schnell ins Schwärmen und sind kaum zu bremsen: „It’s like Malaria! Bist du einmal infiziert, wirst du deine Begeisterung nicht mehr los.“ Es sind die Vielfalt des Jobs, die dauernden Herausforderungen und die Verantwortung, die jeden von ihnen so reizen. „Du bist Manager, Techniker und Problemlöser in Personalunion“, erklärt Remo de Wolf.

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Die Pilotenausbildung am Flughafen Münster/Osnabrück ist die Eintrittskarte in eine aufregende Berufswelt – Foto AIS

Der Pilotenberuf verlangt eine hohe Belastbarkeit. So muss zum Bewerbungszeitpunkt ein Mindestalter von 17 Jahren erreicht sein. Aufgrund der räumlichen Bedingungen im Cockpit muss die Körpergröße zwischen 1,65 und 1,98 Meter betragen. Der Bewerber muss fließend Deutsch und Englisch sprechen können. „Natürlich muss die gesamte körperliche Verfassung sehr gut sein“, unterstreicht Arnd van der Meer die Voraussetzungen. Dazu gehört selbstverständlich auch ein gutes Sehvermögen. Wichtig sind darüber hinaus innere Werte wie Verantwortungsbewusstsein, Disziplin, Zuverlässigkeit und Teamfähigkeit.

Wenn Arnd van der Meer aufzählt, was ein Pilot alles leisten und nachweisen muss, bevor er seinen Schubhebel betätigt, wird einem klar, was für ein verantwortungsvoller Job es ist, eine Verkehrsmaschine zu fliegen. „Ehe ich meinen Jetstream überhaupt auf die Startbahn rollen lasse, habe ich mich schon anderthalb Stunden mit der Maschine beschäftigt“, erklärt der Pilot. „Am Ende meines Checks muss ich mit bis zu 50 Unterschriften bestätigen, dass ich mich gemeinsam mit meinem Co-Piloten vom ordnungsgemäßen Zustand der Maschine überzeugt habe.“

Bei AIS sind neben zweimotorigen Turboprop-Maschinen auch einmotorige Trainingsflugzeuge im Einsatz – Foto AIS

Piloten gehören zu den bestbezahlten Angestellten in Deutschland, erklärt CEO Arnd van der Meer. Der Beruf bringt also nicht nur eine spannende Tätigkeit in einem interessanten Umfeld mit, sondern winkt dazu noch mit einem sehr guten Gehalt. Doch ehe ich davon träumen kann, hat der Fluglehrer bereits wieder den Simulator in Gang gesetzt. „Siehst du da vorne den hellen Streifen“, fragt er mich. „Das ist die Beleuchtung der Landebahn von Münster.“ Tatsächlich sehe ich zuerst nur einen winzigen hellen Flecken, der sich erst nach und nach als Landebahn zu erkennen gibt. Mit der Hilfe von Arnd gelingt es mir, die Maschine leicht hin- und herschwankend auf die Bahn zu bringen. „Touch down!“ Dass ich nicht rechtzeitig die Bremse betätige, wollen wir nicht weiter kritisieren.

Die Maschine kommt erst auf der Wiese zum Stehen. „Gut gemacht“, sagt der Fluglehrer. Mir sitzt allerdings der Schrecken in den Knochen. In der Wirklichkeit wäre diese Landung wohl doch nicht so glimpflich abgelaufen. (Jörg Bockow)

AIS Flugakademie am FMO Flughafen, www.aisflightacademy.com/de

Westfalium-Serie SCHULE LEHRE STUDIUM – Karriere in der Heimat

 

 

 

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