Querdenker gab’s im Mittelalter – sagt der Kiepenkerl

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Querdenker gab’s im Mittelalter: In Münster haben die Querdenker Bernd Knipperdolling, Jan van Leiden und Bernhard Krächting das Reich der Wiedertäufer ausgerufen.

Querdenker gab's im Mittelalter

Ein Kapitel in der Stadtgeschichte: Die Querdenker des Mittelalters nannten sich in Münster Wiedertäufer- Foto Pixabay

In der heutigen Zeit würden die Wiedertäufer zusammen mit den Querdenkern demonstrieren. Die Bewegung der Querdenker ist ein Sammelbecken von fanatischen Impfgegnern, Esoterikern, Staatsskeptikern und Verschwörungstheoretikern. Auch Rechtsextremisten und „Reichsbürger” oder Befürworter der uneingeschränkten Versammlungsfreiheit versuchen, sich die Corona-Krise zunutze zu machen und beteiligen sich an entsprechenden Demos der Querdenker – bis zur Erstürmung des Reichstags am 29. August 2020.

Querdenker gab's im Mittelalter

Foto aus „Das Königreich der Täufer“, zwei Bücher zur Ausstellung im Stadtmuseum Münster von September 2000 bis März 2001

Genau 400 Jahre nach dem Ende der Wiedertäufer-Herrschaft in Münster entwarf der Künstler Hermann Kissenkötter die abgebildeten bauchigen Steinzeug-Krüge. Sie waren mit Stöpseln verschlossen, die die drei Wiedertäufer-Köpfe darstellten. Die Krüge enthielten „Wiederdäuper-Water“, Kornbranntwein der Brennerei Bernhard Lördemann aus Münster.

Die erste Täufergemeinde entstand zwischen 1523 und 1525 als Gegenbewegung zu Huldrych Zwingli in Zürich. Der forderte wie Martin Luther eine Reformierung der katholischen Kirche. Doch anders als der Wittenberger wollten die „Schwertler“ unter den Wiedertäufern das Reich Gottes mit Gewalt durchsetzen. Die „Stäbler“, die mit dem Wanderstab, vertraten ihre Ziele dagegen auf friedliche Weise. Die in Teilen revolutionär-kommunistisch gesinnten Wiedertäufer waren die ersten Vorkämpfer der persönlichen Religionsfreiheit.

Ein militanter Täufer-Zweig unter Jan van Leiden (Jahn Bockelsen) aus Leiden in den Niederlanden errichtete von 1534 bis 1535 in Münster das „Neue Jerusalem“. Zur Krönung seiner Macht ernannte sich van Leiden zum König des Königreichs Münster. Die radikal-protestantischen Wiedertäufer verjagten den katholischen Klerus, plünderten Kirchen und Klöster, verlangten Taufaufschub bis zur Mündigkeit, lebten in Gütergemeinschaft und frönten der Vielweiberei.

Nach der Vertreibung der katholischen und der lutherischen Bevölkerung – der Gottlosen, wie die Wiedertäufer sie nannten – gelang es den Glaubenskriegern, die Verwaltung der Stadt zu übernehmen. Der alteingesessene Tuchhändler Bernd Knipperdolling, einer ihrer Anführer, wurde nach der Ratswahl 1534 stellvertretender Bürgermeister.

Unter dem Druck der Belagerung durch katholische Fürsten verwandelte sich der revolutionäre Traum der Wiedertäufer in die Wirklichkeit eines Terrorregimes. Erst nach 16-monatiger Belagerung konnte die Stadt vom Landesherrn Fürstbischof Franz von Waldeck zurückerobert werden.

Die Hauptakteure der Wiedertäufer, Jan van Leiden. Bernd Knipperdolling und Bernd Krächting, wurden gefangen genommen und am 22. Januar 1536 auf dem Prinzipalmarkt mit glühenden Zangen grausam zu Tode gefoltert. Ihre Körper wurden in drei eisernen Körben zur Schau gestellt und später am Turm der katholischen Stadtkirche St. Lamberti aufgehängt: „Als Mahnung gegen den Abfall von der allein seligmachenden Kirche“. Die Eisenkörbe zählen seither zu den Sehenswürdigkeiten in Münster. Dass die ihnen zugedachte Wirkung auf die Münsteraner bis in die Gegenwart anhält, ist kaum anzunehmen.

Eine vergleichbare Ehrfurcht vor der Institution Kirche kannten die Protestanten Münsters nicht. Integrationshemmend für sie waren hier lange die drei Todsünden: „Ist nicht katholisch, ist kein Fahrradfahrer, ist nicht von hier.“

Bild und Texte: „Das Königreich der Täufer“, zwei Bücher zur Ausstellung im Stadtmuseum Münster von September 2000 bis März 2001.

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