Der Kiepenkerl bloggt: In vino veritas

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Bei der Vorlage des Drogen- und Suchtberichts 2014 erklärte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler: „9,5 Millionen Menschen in Deutschland konsumieren Alkohol in gesundheitlich riskanter Form. Durchschnittlich werden pro Kopf der Bevölkerung jährlich zehn Liter reinen Alkohols konsumiert. Etwa 1,3 Millionen Menschen gelten als alkoholabhängig. Nur etwa zehn Prozent unterziehen sich einer Entziehungskur. Die volkswirtschaftlichen Kosten belaufen sich auf 26,7 Milliarden Euro, davon sind allein 7,4 Milliarden Euro direkte Kosten für das Gesundheitssystem.“ Verharmlosend sagt eine alte Volksweisheit: „Im Wein liegt die Wahrheit.“ Bereits der römische Historiker Tacitus berichtete: „Germanen trinken bei Ratssitzungen immer Wein, weil sie glauben, niemand könnte effektiv lügen, wenn er betrunken ist.“

In der gehobenen Gesellschaft spielt Wein eine herausragende Rolle. Das war zu biblischen Zeiten nicht anders, denn viele Geschichten und Gleichnisse in der Heiligen Schrift handeln vom Wein und vom Weinbau. Allerdings dümpelte der Rebenanbau bis zu den Römischen Verträgen der Neuzeit marktordnungslos vor sich hin. Auch der Erlös aus dem Verkauf von Ablassbriefen wurde nicht gezielt in Struktur- und Marktordnungsmaßnahmen investiert. So bereitete der Heilige Stuhl letztlich selbst den Boden für Martin Luthers Reformation der Weinwirtschaft. Seine deutsche Bibelübersetzung gilt als die erste richtungweisende PR- und Marketingschrift zum Thema „Weinbau“ Unabhängig davon erkannte der griechische Philosoph Plutarch bereits: „Wein ist unter den Getränken das nützlichste, unter den Arzneien die schmackhafteste und unter den Lebensmitteln das nahrhafteste.“ Ein unbekannter Verfasser ergänzte: „Guter Wein macht gutes Blut – gutes Blut macht gute Laune – gute Laune macht gute Gedanken – gute Gedanken machen gute Werke, die zum Himmel führen.“ Und die Spontis machten aus Kostengründen die Erfahrung: „Wermut macht mehr Mut.“

Die computergestützte Empirik weist eindeutig nach, dass sich in der Bibel über 500 Hinweise auf den Rebensaft finden. Aus einer PC-Datenbank, in der die vollständigen Texte des Alten und Neuen Testaments gespeichert sind, fördert ein Abfrageprogramm in Sekundenbruchteilen folgende biblische Häufigkeitsverteilung zutage:

Stichwort Anzahl der Nennungen
Wein 208
Weinberg 112
Weinstock 62
Weingärten 22
Rebe 16

 

Die Begriffe Weingarten, Weinkeller oder Weinschlauch werden immerhin noch bis zu dreimal erwähnt.

Für Intensivanwender gibt die einzigartige Sammlung von Weingeschichten und -gleichnissen allerdings wenig her, wie die folgende Ausbeute zeigt:

Stichwort Anzahl der Nennungen
Saufen 12
Wein saufen 1
Weingelage 1
Vollsaufen 1
Wein saufen 1

 

Es gilt als Glücksfall der Weingeschichte, dass Johannes Gutenberg gerade zur rechten Zeit die Kunst des Buchdrucks erfand. Bei der Suche nach auflagestarken Publikationen, mit denen er die neue Technik an den Mann bringen konnte, stieß er auf Luthers Bibel. Durch die schnell vergriffenen Auflagen erfuhren die Leser aus allen gesellschaftlichen Schichten zum ersten Mal etwas über die Segnungen des Weins. Weil die Gläubigen den lateinischen Bibeltext nicht verstanden, waren sie jahrhundertelang trocken geblieben. Nach der von Thomas Müntzer durchgeführten Liturgiereform verkosteten die Gläubigen den Rebensaft sogar beim sonntäglichen Abendmahl. Als Folge der konsequenten Bedarfsweckung kamen die Winzer nicht schnell genug mit den Lieferungen nach. Wo die Lutherbibel auf dem Index stand, tröstete sich die kirchliche Nomenklatura mit Wein über die per Zölibat verbotene Fleischeslust hinweg, während das gemeine Volk dieselbe zur reichlichen Vermehrung nutzte.

Doch nicht nur der Wein, sondern auch die Bilder der Bibel haben es in sich. So zeichnet Joh. 15.1-8 ein konturenreiches Bild: „Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben“, sagt Jesus. Die Reben sind wir, und nicht die leeren Flaschen, die in den Recycling-Container geworfen werden. Diese Assoziation verleitete Giovanni Trapattoni zu der Erkenntnis, dass viele von uns keine guten Reben sind sondern eine „Flasche leer!“ Doch nicht nur im Fußball gibt es gestylte Flaschen ohne Inhalt und Flaschen mit Schwindeletikett, bei denen die Füllung nicht hält, was die Aufmachung verspricht.

 

 

 

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