Münster – Auch die AGRAVIS Raiffeisen AG in Münster spürt die weltweite Verunsicherung durch die Krim-Krise: „Wir erfassen und handeln im Jahr rund 10,5 Millionen Tonnen Agrarrohstoffe wie Getreide und Ölsaaten”, erläuterte der AGRAVIS-Vorstandsvorsitzende Dr. Clemens Große Frie bei der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens in Münster. „Diese Produkte unterliegen voll und ganz dem Weltmarkt und sind an den Börsen in Chicago und Paris wie Aktien im Preis zu verfolgen. 20 Euro je Tonne mehr, heißt für uns hochgerechnet rund 200 Millionen Euro mehr Umsatz.” Wenn der Preis um 20 Euro pro Tonne fällt, muss der Agrarkonzern im Gegenzug 200 Millionen Euro Umsatzverlust kompensieren. Die Krim-Krise wirbele die Märkte aktuell kräftig durcheinander, berichtete Große Frie: „Dabei geht es dann nicht um die Ware selber, sondern vielmehr um die Verfügbarkeit – also um die einfache Frage, kommt der Weizen aus der Schwarzmeerregion über den Seeweg noch raus oder nicht – und das treibt, je nach Nachrichtenlage, die Fantasien. Wir hatten Rosenmontag beispielsweise in den Vormittagsstunden Preissprünge im Minutentakt – von bis zu 10 Euro pro Tonne rauf und wieder runter.” Laut AGRAVIS exportiert die Ukraine jährlich rund 10 Millionen Tonnen Weizen, das entspricht einem Weltmarktanteil von sechs Prozent. Zum Vergleich: Die USA exportierten jährlich rund 32 Millionen Tonnen Weizen.
Trotz der Abhängigkeit von schwankungsanfälligen Getreide-, Düngemittel- und Energiepreisen konnte die AGRAVIS Raiffeisen AG ihr stetiges Wachstum auch im vergangenen Jahr fortsetzen. Der Umsatz stieg im Geschäftsjahr 2013 um knapp sechs Prozent auf über 7,5 Milliarden Euro – damit sei AGRAVIS im deutschen Agrarhandelsmarkt das umsatzstärkste Unternehmen, hieß es in Münster. Das Ergebnis vor Steuern hielt mit dieser Entwicklung Schritt: Mit 53,2 Millionen Euro wurde erstmals die Marke von 50 Millionen Euro überschritten. Auch die Aktionäre sollen sich an dieser Entwicklung freuen können: Die Hauptversammlung am 30. April in Wolfsburg-Fallersleben soll eine Dividende von 6,1 Prozent auf die Anteilsscheine beschliessen.
„2013 war für die AGRAVIS-Gruppe ein Spitzenjahrgang“, sagte Vorstandschef Dr. Clemens Große Frie auf der Bilanz-Pressekonferenz in Münster. Das in Münster und Hannover beheimatete Unternehmen habe Marktanteile hinzugewonnen, sei in neuen Regionen aktiv geworden und habe eine Reihe von Akquisitionen profitabel und erfolgreich in die AGRAVIS-Gruppe integriert, nannte der Vorstandsvorsitzende die Hauptgründe für die Umsatzsteigerung. So wurden in 2013 die Raiffeisengenossenschaften Uckermark und Mölln komplett übernommen und eine gut 31 Prozent des Kapitals der Mühlengruppe Roland Mills United (vormals Grain Millers) erworben. „Damit haben wir uns einen zusätzlichen Absatzweg für unser Getreidegeschäft gesichert“, erklärte Große Frie und kündigte weitere Akquisitionen im Kerngeschäft an.
Auch wenn der AGRAVIS-Chef das Kerngeschäft seines Konzerns weiter in Deutschland sieht, wird die internationale Vernetzung für das Unternehmen immer wichtiger. Hier hob er die beiden Joint Ventures mit der dänischen DLA-Gruppe hervor. So habe das Gemeinschaftsunternehmen „DLA-AGRAVIS-International“ im vergangenen Dezember einen Getreidehandelsstandort im polnischen Slupsk übernommen. Große Frie: „Umsatz- und Ergebnisentwicklung stimmen uns sehr zuversichtlich”
Insgesamt seien im vergangenen Jahr trotz politischer Unsicherheiten wie der Krim-Krise rund 67 Millionen Euro investiert worden, um die Schlagkraft und Schnelligkeit der AGRAVIS-Gruppe zu erhöhen. Eine Summe, die deutlich über den Abschreibungen lag und damit den Wachstumswillen unterstrich. Weiterhin soll auch in die Stärkung der Mitarbeitermotivation investiert werden – AGRAVIS wird regelmäßig als einer der besten Arbeitgeber in Deutschland ausgezeichnet. Zur Umsatzsteigerung im vergangenen Jahr haben besonders die Geschäftsfelder Pflanzen, Tiere und Technik beigetragen. Positiv habe sich laut Große Frie auch der Geschäftsbereich der Raiffeisen-Märkte entwickelt, der in 2014 um einen Webshop ergänzt werde. Der Online-Handel soll im Spätsommer mit einem Sortiment von rund 5.000 Produkten starten. Dazu wird gerade im münsterschen Gewerbegebiet Loddenheide ein Warenlager gebaut.
Der Bereich Energie konnte den Absatz von verschiedenen Produktgruppen wie Erdgas und Holzpellets zum Teil deutlich ausbauen, wohingegen das Neugeschäft bei Solarmodulen aufgrund der veränderten politischen Rahmenbedingungen praktisch zum Erliegen gekommen ist.
Insgesamt will die AGRAVIS-Gruppe in diesem Jahr etwa 69 Millionen Euro an Investitionsmitteln in die Hand nehmen, um ihre Schlagkraft zu erhöhen, Produktionsstandorte zu verbessern und Prozesse zu optimieren. „Wir bleiben damit unserer Linie treu, mehr zu investieren als abzuschreiben“, so Große Frie. Zuversichtlich, aber nicht euphorisch, blickte er deshalb auch auf die bevorstehenden Monate des laufenden Geschäftsjahres 2014. Die AGRAVIS sei 2014 gut aus den Startlöchern gekommen. Vorrangiges Ziel sei es, bei preisbedingten Rückgängen im Umsatz den Ertrag auf Vorjahresniveau zu stabilisieren und leicht zu verbessern. Zugleich halte das Unternehmen daran fest, möglichst bald eine einprozentige Umsatzrendite zu erreichen.
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