Bocholt – Mal sind die Röcke kurz, dann wieder knielang. Kann das Outfit vom Stoff und von den Accessoires her heute nicht bunt genug sein, geben morgen schon wieder beige und braun den Ton an. Jede Saison bringt neue Trends in die Boutiquen. Aber wie kommt eigentlich die Mode in den Stoff? Antworten auf diese Frage gibt die Ausstellung “Fashion-lights!” mit mehr als 400 Exponaten aus der Welt der Mode im TextilWerk Bocholt. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) eröffnet die Schau am Sonntag, 13. Mai, um 11 Uhr in der Spinnerei seines Industriemuseums. Kooperationspartner ist das LVR-Industriemuseum.
“Mode ist ein wunderbares Thema für Ausstellungen im TextilWerk – sie ist populär, überaus facettenreich und verknüpft wie kaum ein anderes Thema Geschichte und Gegenwart. Diese Verbindung ist ja die Kernidee unseres Forums für Textilkultur an diesem einmaligen Ort. Ich freue mich, dass wir mit ‘Fashion-lights!‘ zum ersten Mal in diesem Umfang zeigen können, wie spannend der Blick hinter die Kulissen der Modebranche ist. Es wird sicher nicht die letzte Ausstellung zu dem Thema in diesem Haus sein”, sagte LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Thale bei der Vorstellung der Schau in Bocholt.
Allein 110 Outfits aus fünf Jahrzehnten haben die Ausstellungsmacher im Batteursaal der historischen Spinnerei in Szene gesetzt, darunter viele Kleider mit Geschichten wie das Indienkleid von 1972 aus Paris oder der Wickelrock, der einer Lehrerin in den Siebzigern fast ein Schulverbot beschert hätte, seltene Jeans aus den frühen 1960er Jahren und Markensachen made in Bocholt. “Fashion-lights!” ist aber mehr als eine reine Modenschau: Zeitschriften, Entwürfe und Musterbücher, Textilmaschinen und viele weitere Objekte machen in Bocholt den Weg vom Entwurf zur Kollektion anschaulich. “Die Leitfrage, wie die Mode in den Stoff kommt, führt wie ein roter Faden durch die Ausstellung. Uns geht es darum zu zeigen, welche Einflüsse gesellschaftliche Veränderungen auf die Mode haben”, erklärt LWL-Museumsleiter Dr. Hermann Josef Stenkamp.
Auf 600 Quadratmetern Fläche unternehmen Besucher zunächst einen Streifzug durch die modischen Strömungen von den 1950er Jahren bis heute. Auf dem “Laufsteg der Epochen” kommen zeittypische Schnitte, Muster, Farben und Materialien zur Geltung. Alles unterliegt einem ständigen Wandel: Rocklängen wandern am Bein, gerade sachliche Schnitte weichen verspielten Formen, Naturfasern und synthetische Materialien ringen um die Gunst der Konsumentinnen.
In einem zweiten Teil stellt die Ausstellung Faktoren vor, die die Modeentwicklung beeinflussen. Besonders gut lässt sich das am Beispiel Siebziger Jahre zeigen. Das “lange Jahrzehnt” von der 1968er-Revolte bis zum Beginn der Ära Helmut Kohls ist geprägt von Veränderungen und Brüchen. Die Epoche zwischen Flower Power und New Economy hat auch in den Kleiderschränken vieles durcheinander gewirbelt. Modisch markant vor allem der Beginn: Nichts war auf einmal zu kurz, zu knapp, zu bunt oder zu stark gemustert; in allem wurde übertrieben: Revers, Ärmel, Aufschläge, Krawatten, Kragen – alles war in riesigen Versionen zu haben. “In diesen Outfits kommt die Aufbruch-Stimmung jener Zeit sehr deutlich zum Ausdruck”, erklärt Ausstellungskurator Martin Schmidt.
In sechs Themenblöcken – Musik, Kunst, Film, Fortschrittsglaube kontra “Zurück zur Natur”, Das Erbe der 1968er und der Bruch der Konvention, Körperbilder – zeigt die Ausstellung gesellschaftliche Einflüsse jener Zeit auf die Mode. Schmidt: “Designer sitzen ja nicht im stillen Kämmerlein. Wie Seismografen nehmen sie die gesellschaftlichen Strömungen mit all ihren Widersprüchen auf, zum Beispiel den Fortschrittsglauben, der zu Beginn der 1970er Jahre dominierte, oder den Schock, den die Ölkrise auslöste.” Aktuelle Filme und die Musik haben in der Mode ebenso ihre Spuren hinterlassen wie der Kult um die schlanke Linie oder der Volkssport “Trimm dich”. So steckt in jedem Kleid auch ein Stück Zeitgeist.
Neben viel Mode gibt “Fashion-lights!” auch Einblicke in die technische Seite der Branche: Entwürfe und Musterbücher stehen für die ersten Schritte eines Kleides auf dem Weg zum Laufsteg. Maschinen aus der Sammlung des LWL-Industriemuseums machen verschiedene Produktionsstufen und Veredelungstechniken anschaulich. Eine Punchmaschine von 1920 steht für Musterstickung und eine Jeans-Webkette mit 3.000 indigo-gefärbten Fäden für die Herstellung unseres liebsten Beinkleids. In die kleine Druckmaschine aus den 1950er Jahren legte man mehrere Walzen nacheinander ein, um das Druckbild zu überprüfen.
Die Vorstellung des Verbandes der Deutschen Modedesigner sowie zweier sehr unterschiedlicher Modeschulen – der “Privaten Modeschule Düsseldorf” und der “Modefachschule Sigmaringen” – erlaubt abschließend einen ganz aktuellen Blick in die Welt der Modeschöpfer.
Die Fashion-lights! Wie kommt in die Mode in den Stoff? findet vom 13. Mai bis 18. November 2012 statt. Geöffnet Di bis So zwischen 10 und 18 Uhr.
LWL-Industriemuseum TextilWerk Bocholt, www.lwl-industriemuseum.de
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