Fachwerkhaus in Münster ist 600 Jahre alt

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Das Fachwerkhaus Bergstraße 9 in Münster ist bereits 600 Jahre alt: Die baugeschichtliche Datierung von Münsters ältestem Fachwerkhaus reicht in das Jahr 1423.

Fachwerkhaus in Münster ist 600 Jahre alt

Die Bergstraße 9 mit der Kneipe “Bit-Pünte” im Jahr 1978 – Foto LWL/Kaspar

Der Bauforschung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) ist es gelungen, das exakte Baudatum für das Fachwerkhaus in der Bergstraße 9 in Münster zu ermitteln: Es stammt aus dem Jahr 1423. Das 2020 vor dem Abbruch gerettete Baudenkmal ist damit nicht nur das älteste erhaltene Fachwerkhaus in Münster und das viertälteste bekannte in ganz Westfalen, sondern feiert 2023 sein 600-jähriges Bestehen. “Ein spektakulärer Befund”, freut sich LWL-Chefdenkmalpfleger Dr. Holger Mertens.

Bereits 2020/21 identifizierte die LWL-Bauforschung das Fachwerkhaus an der Bergstraße 9, vielen Münsteranern als “Bit-Pünte” bekannt, als das älteste erhaltene Fachwerk-Stadthaus in Münster. Vorübergehende Sicherungsmaßnahmen sind derzeit vor dem Haus als starke Holzpfosten sichtbar. Bei einer denkmalpflegerischen Zustandsbegutachtung traten viele Details des alten Fachwerks ans Tageslicht, die spätmittelalterlicher Tradition folgen. Sie gaben Anlass, die Entstehung des Hauses mindestens im 16. Jahrhundert anzunehmen.

Fachwerkhaus in Münster ist 600 Jahre alt

Präsentierten eine digitale Rekonstruktion der Bergstraße 9: Dr. Bernhard Flüge, Dr. Michael Huyer und LWL-Chefdenkmalpfleger Dr. Holger Mertens von der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen – Foto LWL

Der nun gesicherten Datierung gingen mehrere Anläufe voraus, was an der schwierigen Probenlage hing, so Dr. Michael Huyer, Leiter des LWL-Referats für Inventarisation und Bauforschung. Schließlich gelang sie mit naturwissenschaftlicher Unterstützung durch die Kombination aus Radiokarbondatierung und Auswertung von Baum-Jahresringen (Dendrochronologie).

Fachwerkhaus in Münster ist 600 Jahre alt

Bergstraße 9 in Münster. Das niedrig angesetzte, steile Dach und die schmalen “Traufgassen” links und rechts des Hauses sind Hinweise auf das hohe Alter. Vorübergehende Sicherungsmaßnahmen sind vor dem Haus als starke Holzpfosten sichtbar – Foto LWL/Flüge

Damit ist das Haus in der Bergstraße 9 genau 600 Jahre alt. Was das für die Wissenschaft bedeutet, erläutert LWL-Bauforscher Dr. Bernhard Flüge: “Bisher hatten wir in Münster keine greifbare Vorstellung von den Häusern der einfachen Bürger und Handwerker dieser Zeit. Anhand dieses letzten erhaltenen Hauses können wir sehen, dass verbohlte Fachwerkhäuser, die fast komplett aus Holz bestanden, im Spätmittelalter die Hauslandschaft Münsters mitgeprägt haben.” Und nicht nur das: Vergleiche mit ähnlichen Objekten zeigen, dass Münster für die Entwicklung der Holzbauweise in der Region eine führende Rolle einnahm. Wie das Fachwerkhaus kurz nach seiner Erbauung aussah, veranschaulicht eine digitale Rekonstruktion, die die LWL-Experten auf Grundlage ihrer Daten erstellt haben.

Einmal mehr erweist sich das Baudenkmal, das die Stadt Münster 2020 gekauft hat, als einzigartige Geschichtsquelle, wie Huyer betont: “Mithilfe der neuen Ergebnisse erscheinen auch spätmittelalterliche Bild- und Schriftquellen zur Stadtgeschichte Münsters in einem neuen Licht.” Wissen, das ohne den Erhalt der historischen Bausubstanz unwiederbringlich verloren gegangen wäre, so Mertens. “Dieses Haus zeigt, wie wichtig der Erhalt der originalen Bausubstanz ist, weil nur sie als authentische Quelle untersucht werden kann. Eine Baudokumentation alleine hätte nicht zum vorhandenen Ergebnis geführt – weder betreffend Datierung noch Konstruktion noch Rolle für Hausforschung und Stadtgeschichte.”

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