An den Kreis von Münster erinnert der Kiepenkerl

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Der “Kreis von Münster” war der Zirkel um Freiherr Franz von Fürstenberg und die Fürstin Amalia von Gallitzin, geborene von Schmettau. Der Zirkel war einer der zahlreichen Gesellschaften in der deutschen Kulturlandschaft im ausgehendem 18. Jahrhundert.

An den Kreis von Münster erinnert der Kiepenkerl

Der Schul- und Bildungsreformer Fürstenberg (1729-1810) initiierte die 1780 erfolgte Gründung einer Landesuniversität in Münster. Daran erinnert sein Denkmal neben dem Fürstenberghaus der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU). Es beherbergt Hörsäle, Institute und das Archäologische Museum der WWU -Foto Stadt Münster/MünsterView

In der Literatur wird der Zirkel unterschiedlich bezeichnet. Die Bezeichnungen “Fürstenberg-Kreis“, “Gallitzin-Kreis“, “Familia sacra“, “Kreis von Münster“, oder „Salon in der “Grünen Gasse“ benennen zum Teil die Intentionen oder die Organisation des Kreises.

Die Deutungen als “Fürstenberg-Kreis“ bzw. “Gallitzin-Kreis“ unterstellten die prägende Kraft des Freiherrn von Fürstenbergs bzw. der Fürstin von Gallitzin für den “Kreis von Münster“. Dagegen beschreibt der Begriff “Familia sacra“ den “Kreis von Münster“ als geschlossene Gruppe, die durch das gemeinsame katholische Bekenntnis zusammenwuchs. Dementsprechend wurde der “Kreis von Münster“ als Überwindung der Aufklärung dargestellt, also als Rückkehr zur Religion aus der säkularen Aufklärung verstanden. Insoweit gilt aus der Perspektive des Kulturkampfes im 19. Jahrhundert der “Kreis von Münster“ als Vorläufer der Kirchenkreise der Romantik und der Restauration.

Ein Hauptanliegen des Gallitzin-Kreises stellte die karitative Beschäftigung mit den gesellschaftlich Schwachen dar. Die katholische Kirche sollte alleinverantwortlich werden für die Schaffung von sozialen Einrichtungen der Armen- und Krankenfürsorge. Die Lösung, die dem Staat die soziale Verantwortung abnahm, kam den preußischen Machthabern zunächst sehr gelegen. Mit der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sollte die “soziale Frage” dann aber zu einem grundlegenden Streitpunkt zwischen der katholischen Kirche und dem preußischen Staat werden, der während der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zu heftigen Auseinandersetzungen führte.

Führende Persönlichkeiten des Kreises von Münster

Franz von Fürstenberg (1729-1810), Minister und späterer Generalvikar des Fürstbistums Münster gilt als geistiger Kopf im “Kreis von Münster“. Als einflussreicher Minister konnte er die fortschrittlichen Ideen politisch erfolgreich umsetzen: 1773 Gründung der Universität Münster, 1775 Errichtung des städtischen Theaters, 1776 Medizinalverordnung, bis 1788 Schulreform.

Fürstenberg wurde die Regierung des maroden und verschuldeten Münsterlandes übertragen. Ihm gelang es schließlich, die Folgen des Siebenjährigen Krieges im Münsterland zu überwinden. Fürstenberg sanierte den Haushalt, förderte Ackerbau und Gewerbe, verbesserte die Justizverwaltung und regelte das Polizeiwesen.

Er setzte die Besteuerung der Geistlichkeit gegen einen Sturm der Entrüstung durch. Außerdem sollte nicht mehr Reichtum, sondern die Ernsthaftigkeit des religiösen Lebens Kriterium für die Aufnahme in ein Kloster sein.

Bernhard Overberg der Priester und große Pädagoge war Lehrer an einer Normalschule. Bekannt wurde er durch die für seine Zeit musterhafte Allgemeine Schulordnung für das Münsterland aus dem Jahr 1801. In ihr empfahl er Unterrichtsgespräche statt reinem Auswendiglernen. Auf seinen Vorschlag richtete der Kurfürst Maximilian Friedrich, Reichsgraf von Königsegg, das Institut für die Ausbildung von Lehrern an Normalschulen ein.

Als Priester war Overberg auch Beichtvater der Fürstin. 1789 zog er in ihr Haus in der Grünen Gasse. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1806 war er ihr Seelsorger

Nach dem berühmten Pädagogen ist die Bildungseinrichtung “Overberg-Kolleg“ in Münster benannt.

Anton Matthias Sprickmann war Professor für Recht und Rechtsgeschichte an der von Fürstenberg gegründeten Universität in Münster und Begründer des Theaters der Stadt. Mit zahlreichen Fähigkeiten galt Sprickmann im “Gallitzin-Kreis“ als westfälischer Leibniz.

Sprickmann war Freund und Verehrer von Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe. Zusammen mit der Fürstin besuchte er Goethe im September 1785 in Weimar. Goethe nannte ihn und die anderen Besucher interessante Bekanntschaften.

Amalia von Gallitzin wurde am 28. August 1748 in Berlin geboren. Sie war die Tochter des Reichsgrafen Samuel von Schmettau, des Mitbegründers der Berliner Akademie.

1768 heiratete sie Dimitrij Alexejewitsch Fürst Golizyn (im Westen Gallitzin genannt) Er war russischer Gesandter in Paris und Den Haag.

Nach der Scheidung zog die Fürstin mit den beiden Kindern von Den Haag nach Scheveningen.

Als sie sich zum Umzug nach Münster entschloss, übernahm ihr Mann sämtliche Kosten, kaufte ein Haus in Münster in der Grünen Gasse (genau an dieser Stelle steht heute das Annette-von Droste-Hülshoff-Gymnasium) aus dem Besitz der Droste-Vischerings und zahlte die Miete für das große idyllisch an der Werse gelegene Bauernhaus in Angelmodde. In Münster besuchte er seine Frau in jedem Sommer, denn er liebte sie und die Kinder Marianne (Mimi) und Demetrius (Mitri) noch immer.

Zum festen Kreis von Münster kamen gelegentlich Gäste – beispielsweise der holländische Philosoph und Gelehrte Franz Hemsterhuis, ihr geistiger Vater aus der Zeit in Holland.

Ihr Mann, der bei seinen Besuchen in der Grünen Gasse wohnte, und Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, nahmen ebenfalls an den Treffen teil.

1779 war die Fürstin des Stadtlebens überdrüssig und zog in das dörfliche Angelmodde, vor den Toren der Stadt. Hier verbrachte sie die folgenden 27 Jahre ihres Lebens.

Der Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe kam nicht wegen der schönen Stadt nach Münster, sondern wegen der Fürstin von Gallitzin und ihres Kreises. Goethe schätzte Gespräche auf hohem Niveau. Deshalb kam er 1792 auf dem Rückweg von Frankreich, wo die preußisch-habsburgischen Truppen gegen Napoleon kämpften, nach Münster zu einem philosophischen Austausch. Die erfreulichen Gespräche mit der Fürstin fanden nicht in Angelmodde, sondern in ihrem Haus in der Grünen Gasse statt. Von Angelmodde hielt sie Kontakt zu Johann Wolfgang von Goethe und Johann Gottfried Herder.

Im Jahr 1806 starb die Wahl-Angelmodderin.

Unweit ihres Grabes an der St.-Agatha-Kirche in Angelmodde befindet sich ein altes Kötterhaus, das heute als “Gallitzin-Haus” an das Leben und Wirken der schöngeistigen Adeligen erinnert.

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