Als sich Jutta Freifrau von Droste zu Hülshoff (1926–2015) entschloss, ihren Besitz in die Hülshoff-Stiftung zu überführen, ging es ihr darum, das kulturelle Welterbe des berühmtesten Familienmitgliedes zu sichern: Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848) ist weltweit die meistgelesene deutsche Schriftstellerin. Ihre Themen sind zeitlos und ihre Schaffenskraft strahlt auch heute noch weit über ihre Heimat Westfalen hinaus.
Um die beiden Lebensorte der Schriftstellerin, Burg Hülshoff und Haus Rüschhaus in Havixbeck (Kreis Coesfeld) und Münster, zu erhalten, wurde 2012 die Annette von Droste zu Hülshoff-Stiftung mit einem Stiftungskapital von 19,3 Millionen Euro gegründet. Unter der Federführung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) fanden sich 23 weitere Mitglieder, darunter die Bundesrepublik Deutschland, das Land Nordrhein-Westfalen, die Kreise Coesfeld, Warendorf und Borken, die Stadt Münster, die Gemeinde Havixbeck, die Bertelsmann AG, Dr. August Oetker, die Provinzial- und die LVM-Versicherung.
Im Vorstand der Hülshoff-Stiftung engagieren sich der Historiker Prof. Dr. Peter Funke als stellvertretender Vorsitzender und Jochen Herwig, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der LVM Versicherung. LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger als Vorstandsvorsitzende der Stiftung erläutert, worum es geht: „Wir wollen das geistige Erbe und die mit Droste zu Hülshoff verbundenen kultur- und kunsthistorischen Werte vermitteln. Deshalb haben wir 2018 mit dem Center for Literature eine Literaturinstitution geschaffen, die im Dialog mit den Künsten und der Wissenschaft steht und den Kosmos der Schriftstellerin ins Heute übersetzt.“
LWL-Direktor Matthias Löb als Kuratoriumsvorsitzender der Hülshoff-Stiftung betont: „Die Stiftung ist eine Erfolgsgeschichte. Drei Rezepte führen zu diesem Erfolg: eine westfälisch-solide Trägerstruktur, eine kreative Intendanz und authentische Literaturorte. Die Stiftung als Trägerin dieser zwei Orte von immenser kulturhistorischer Relevanz macht sie zukunftsfähig: Indem wir ein Residenzprogramm ausloben, fördern wir gezielt den Nachwuchs. Mit dem Programmbetrieb ermöglichen wir dauerhaft einen innovativen Umgang und lebendigen Austausch mit Drostes Werk.“
Erhaltung und Ausbau von Burg Hülshoff
Die bereits im 11. Jahrhundert urkundlich erwähnte Burg Hülshoff ist der Geburtsort von Annette von Droste-Hülshoff. 2014 wurden Fassade, Fenster und das Dach mit ca. 1,7 Mio. Euro, davon 100.000 Euro von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, instandgesetzt. Arbeiten an der Vorburg folgten 2016 mit 390.000 Euro aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Mit sieben Millionen Euro aus dem Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“ wird der weitere Ausbau der Burg zu einem Kulturzentrum gefördert.
2018 lobte die Hülshoff-Stiftung einen architektonischen Realisierungswettbewerb für den Umbau aus. Das Büro Staab Architekten in Berlin erhielt für seinen Entwurf eines modularen Raumprogramms den Zuschlag. Ab Herbst 2022 setzt das Büro die Neuinszenierung der Gräftenanlage zu einem modernen Kultur- und Begegnungsort um. Zuerst wird die Gastronomie auf dem Gelände der Vorburg ein neues Zuhause erhalten, wo außerdem eine multifunktionale Veranstaltungsfläche geplant ist.
2020 wurden weitere Mittel der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien und des Landes NRW eingeworben, um ein neues Gästehaus auf dem Gelände der Burg zu bauen. In den Residenzwohnungen sollen Studierende der Kunsthochschule Köln aus dem Studiengang Literarisches Schreiben beherbergt werden.
Pläne für das Rüschhaus
Die von Johann Conrad von Schlaun um 1745 entworfene barocke Hofanlage am Rande von Münster verbindet herrschaftliche und bäuerliche Wohnelemente. Hier lebte Annette von Droste-Hülshoff nach dem Tod des Vaters mit Mutter und Schwester ab 1826. Seit 2013 ist das Haus Rüschhaus Eigentum der NRW-Stiftung, die damit das Stiftungskapital der Annette von Droste zu Hülshoff-Stiftung um 1,6 Millionen Euro aufwertet. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz förderte 2017 die Restaurierung der Fenster am Haupthaus und die Mauerwerksanierung an der Orangerie. Geplant ist als nächstes eine barrierefreie Toilettenanlage, langfristig eine gastronomische Erschließung des Ortes.
Droste Landschaft : Lyrikweg
Ein weiteres konkretes Ziel der Hülshoff-Stiftung war es, die beiden Lebensorte der Droste neu zu verbinden. Bei der Entwicklung des „Lyrikwegs“ waren mehr als 60 Künstler, Autorinnen, Wissenschaftlerinnen und Nachbarn beteiligt. Das Museum im öffentlichen Raum verläuft auf einer Strecke von etwa sieben Kilometern und verfügt über 20 Stationen in der Landschaft. Virtuelle Haltepunkte, die über die „Lyrikweg-App“ mit mobilen Endgeräten aufgerufen werden können, ergänzen den Weg.
„Wir wollten auf den Spuren der großen Dichterin den Weg zwischen Burg Hülshoff und Haus Rüschhaus zu einer interaktiven Wander- und Radroute ausbauen“, so Rüschoff-Parzinger. „Die Vision der erlebbaren Droste-Landschaft ist Wirklichkeit geworden: Mit großem Zuspruch haben wir im Sommer 2021 unser Outdoor-Museum ‚Droste Landschaft : Lyrikweg‘ eröffnet. Besonders freue ich mich über die Auszeichnung des Lyrikwegs mit dem Siegel ‚Reisen für Alle‘ von Tourismus NRW.“ Der Gesamtkostenrahmen betrug 978.000 Euro, wovon 782.500 Euro Förderung vom Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) beigesteuert wurden. Das Projekt wurde in enger Kooperation mit der LWL-Literaturkommission für Westfalen umgesetzt.
Center for Literature
Das Center for Literature (CfL) hat seit seiner Gründung 2018 mit regionalen und überregionalen Partnern zusammengearbeitet und mit seinem Programm bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgtgeneriert. Einige Projekte wurden als Best Practice-Beispiele ausgezeichnet, Publikationen aus dem Eigenverlag für Preise nominiert. Der Gründungsdirektor und Künstlerischer Leiter Dr. Jörg Albrecht: „Das CfL zeichnet sich durch innovative Formate der Literaturvermittlung aus, denen ein offenes Denken und die interdisziplinäre Verknüpfung der Künste zugrunde liegen.“
Die Produktionsstätte für Texte sei auch ein Begegnungsraum: „Wir verstehen Literatur als Fest und das CfL als ein Laboratorium, das künstlerische und soziale Prozesse zusammendenkt. Wir wollen unser Programm möglichst vielen Menschen zugänglich machen. Deshalb versuchen wir Barrieren abzubauen und öffnen auch digitale Räume für die Teilhabe an Literatur. Besonders freue ich mich über die gerade gestartete Reihe ‚Mit den Gespenstern leben (haunting|heritage)‘, in der wir gemeinsam die beiden Droste-Museen neu denken: Wie sollen die zukünftig aussehen? Welche Geschichten wollen wir vermitteln?“
In der zweiten Jahreshälfte wird erstmalig das zweite Obergeschoss der Burg Hülshoff für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht: Die Ausstellung „Droste Digital“ (ab 16.9.2022) basiert auf den Handschriften Drostes aus dem Meersburger Nachlass, die vom Westfälischen Literaturarchiv erstmals umfassend digitalisiert worden sind. Zwei Autorinnen sowie Künstlerinnen(-kollektive) sind eingeladen, zu ausgewählten Handschriften vier Räume zu inszenieren: Dorothee Elmiger widmet sich Motiven aus „Die Judenbuche“, Nora Gomringer dem Dramenfragment „Bertha. Oder die Alpen“, das Künstlerinnen-Kollektiv Hyphen-Labs arbeitet mit den digitalisierten Handschriften zum Gedicht „Die Elemente“, und Anna Kpok schaffen aus dem nie veröffentlichten Gedichtzyklus „Klänge aus dem Orient“ eine begehbare Handschriften-Landschaft. Kooperationspartner sind unter anderem das Deutsche Literaturarchiv in Marbach und die Staatsbibliothek zu Berlin. Die Ausstellung wird am 15. September eröffnet.
Mehr zum Programm von Burg Hülshoff – Center for Literature im Internet unter:
www.burg-huelshoff.de | https://digitale-burg.de | www.lyrikweg.net
Die Arbeit von Burg Hülshoff – Center for Literature (CfL) wird dauerhaft gefördert durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe, das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Das CfL ist Teil des Netzwerkes literaturland westfalen. Das Rüschhhaus ist ein Haus der NRW-Stiftung.
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