Sich der Öffentlichkeit stellen: Kunstakademie-Schau

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Junge Talente stellen sich der Öffentlichkeit: Wer als Künstler heute noch den Pinsel quält und auf Leinwand arbeitet erscheint einem glatt als jemand von vorgestern. Künstlerinnen und Künstler von heute sind offenbar anders – sie nutzen die neuen Medien, zumindest die Fotografie, bauen Installationen und treten in Performances auf. In der 36. Förderpreisausstellung der Freunde der Kunstakademie wird deutlich, in der Kunst ist längst ein neues Zeitalter eingetreten. Materielles, das sich vielleicht vermarkten ließe, an eine Wand gepappt oder aufgestellt werden kann, ist offenbar out und wird immer seltener. Bemalte Leinwände wirken fast schon anachronistisch. Die Kunst geht andere Wege, dazu braucht sie auch keine Galeristen mehr. Aber sie sollte ausgestellt werden.

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Hanna Schneider: Hip Hop, Raver, Nazi, Skater – Foto: Jörg Bockow

Vom 11. Dezember 2019 bis zum 12. Januar 2020 zeigt die Kunsthalle Münster die Förderpreisausstellung, diesmal mit Werken von insgesamt 14 Studierenden: Tobias Doerr, Natalia Filatova, Julia Flaswinkel und Jana Weigelt-Harth, Marlena Gundlach, Daphne Klein, Valentino Magnolo, Irina Martyshkova, Maria Alejandra Medina Fuentes, Daniel Saul, Hanna Schneider, Lisa Tschorn, Peter Volkhardt, Lea Marie Wächter.

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Lea Marie Wächter: Selbstporträt – Foto Jörg Bockow

Die Förderpreisausstellung in der Kunsthalle Münster ist ein besonderes Ausstellungsformat, das keinen thematischen Vorgaben folgt. Vielmehr versteht sich die Ausstellung als eine Plattform, die den Studierenden der Kunstakademie Münster ermöglicht, ihre Arbeiten in den Räumlichkeiten der Kunsthalle einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren – junge Künstler stellen sich dem Urteil des Publikums, müssen sich damit auseinandersetzen – eine wichtige Erfahrung. Unter den Arbeiten der Schau in Münster finden sich neben Malerei und Skulpturen neue Formate wie Installationen, Fotografien, Performances und Videoarbeiten.

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Lea Marie Wächter – Foto Jörg Bockow

In ihrem zweiten Jahr hat die Leiterin der Kunsthalle Merle Radtke nun einige Änderungen durchgesetzt. Statt 26 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist der Kreis der Studierenden auf 14 reduziert worden. Das soll vor allem der Präsentation helfen, die nicht mehr so zusammengewürfelt und chaotisch erscheint. Weniger ist mehr. Die Besucher haben es einfacher, sich zu orientieren und sich mit mehr Muße den einzelnen Positionen zu widmen. Gewonnen hat auch die Qualität. Man merkt, dass die Auswahl nicht einfach war – aber sie professionell, mit Kunstverstand und Fingerspitzengefühl getroffen worden und das tut der Ausstellung spürbar gut.

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Aleka Medina: “Long Limbs” – Foto: Jörg Bockow

Aus den 13 künstlerischen Positionen zeichnet die Jury – bestehend aus Nikola Dietrich (Direktorin Kölnischer Kunstverein), Christian Katti (Philosoph, Münster) und Mario Pfeifer (Künstler, Berlin) – drei Preisträgerinnen und Preisträger aus.

Die Förderer zeichnen die dialogische Qualität der einzelnen Arbeit aus. In der vergangenen Woche wurde der mit 4.500 Euro dotierte Preis an drei Studentinnen vergeben: Lisa Tschorn, Daphne Klein und Aleka Medina.

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Julia Flaswinkel und Jana Weigelt-Harth: „Nespresso – The Choice We Make” – Foto Jörg Bockow

Lisa Tschorn setzt sich mit ihrer Fahrstuhl-Performance „Performance-Probleme, Learnings und Reflektionen“ mit dem Scheitern auseinander. Ihre These: „Scheitern ist eine Einstellung“ – so beschreibt Kai Eric Schwichtenberg ihre Arbeit. „Was Außenstehende vom Prozess des Scheiterns und vom Umgang mit dem Scheitern wahrnehmen, hängt in erster Linie von der Einstellung und der Fokussierung ab, die der oder die Scheiternde schon im Vorgang zulässt.“ Ihre etwa zehnminütige Präsentation im fahrenden Aufzug der Kunsthalle Münster ist als Vortrag über das Scheitern, analog zur mehrdeutigen Auslegung des Begriffes der Performance, eine Auseinandersetzung mit und ein Hinweis auf die Notwendigkeit der Anforderung.

Tobias Doerr: Interaktive Maschine – Foto Jörg Bockow

Das Video „Poledance Anti-Mimesis“ von Daphne Klein zeigt im Wechsel eine Stabheuschrecke und eine Tänzerin an einer Stange. Merle Radtke schreibt dazu: „ Der Tanz an der Stange erlaubt besondere Figuren, die der Schwerkraft widersprechen und stellt damit eine ganz besondere Art der Inszenierung dar, wider die Natur.“

Aleka Medina hat weiße Stoffbahnen mit Stickereien auf die Leine gehängt. Sie beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit Migration und der Rolle der Frau in der Gesellschaft. Die Bahnen erinnern einen an frisch gewaschene Wäsche.

Die jungen Künstler stellen sich der Öffentlichkeit noch bis zum 12. Januar in der Kunsthalle, Hafenweg 28. Die ausgezeichnete Performance von Lisa Tschorn ist am Samstag (14. Dezember) um 19.30 sowie am 5. Januar um 16 Uhr im Fahrstuhl zu erleben.

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