“Flurstücke“ erobern Münster

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Münster steht unter Dampf: Vier Tage lang vom 20. Juni bis zum 23. Juni halten die „Flurstücke 019“, das Internationale Festival für Kunst, Theater, Tanz, Film und Performance die Stadt in Atem. Gestern Abend gab es den offiziellen Startschuss.

Das “Boot” lockte hunderte Neugierige an – Foto: Jörg Bockow

Zum dritten Mal mischen die „Flurstücke“ die Stadt und ihre Bewohner auf. 14 Projekte sollen umgesetzt werden. 60 Veranstaltungen gehen über die Bühne. Es wird während der Flurstücke 019 einige Premieren und sogar eine Welturaufführung geben. Flurstücke 019 sind Spaß und Unterhaltung pur.

Das Open Air Festival präsentiert eine derartige Fülle von Auftritten, Aktionen und Performances, dass jemand, der allen Gruppen, die an den vier Tagen in Münster antreten, zusehen möchte schon ziemlich ins Schwitzen kommt. Ohne einen ausgeklügelten Fahrplan wird das kaum gelingen können. Den Veranstaltungskalender gibt es im Festivalzentrum am Alten Steinweg.

Oberbürgermeister Markus Lewe (re.) eröffnete die “Flurstücke 019” – Foto: Jörg Bockow

Die Flurstücke 019 wollen kein kommerziell gefälliges Stadtfest sein, sondern Erfahrungen und Erlebnisse vermitteln, mitunter auch an der Grenze bekannter Unterhaltungsangebote. Provokationen sind ausdrücklich gewollt. Der Bürgerschreck geht um.

Der erste Tag startete freilich mit einem ersten Reinfall. Für 12 Uhr hatten die Performance-Künstler Gintersdorfer/Klaßen (bekannt noch von den Skulptur Projekten 2017) zu ihrem Projekt „Institut für unvorhergesehene Zusammenarbeit“ auf den Ponton im Aasee an den Aaseeterrassen geladen. Die Interessenten mussten allerdings mit einem neuen Veranstaltungsort und einer verschobenen Startzeit vorlieb nehmen. Unterwegs gingen dann viele der Interessenten entnervt verloren.

Seltsame Erdlinge streifen während der “Flurstücke 019” durch die Straßen der Stadt – Foto: Sigrid Peglau

Das Ordnungsamt hatte völlig überraschend einige Stunden zuvor die Veranstaltung an dem ursprünglich vorgesehenen Ort untersagt. Aus Sicherheitsbedenken. Die Organisatoren mussten innerhalb nur weniger Stunden umdisponieren. Ein großes Ärgernis, weil der Verwaltung Art und Ort der Veranstaltung seit vielen vielen Wochen bekannt war – immerhin ist auch das Kulturamt der Stadt mit im Boot. Ein ärgerlicher Patzer, der für die Besucher nicht nachzuvollziehen war.

Gintersdorfer/Klaßen starteten mit mehreren Stunden Verzögerung um 17 Uhr auf einer Wiese nahe der Musikschule ihr Projekt. Das Veranstaltungszelt war bis dahin nur halbwegs errichtet. Trotzdem ging die intellektuelle Performance dann über die Bühne und brachte die Besucher zum Nachdenken.

Das Projekt „Boot“ von Vincent de Rooij lockte mit einer echten Kleinstbühne auf dem Harsewinkelplatz in eine alte ausrangierte Antonov. Jeweils 25 Zuschauer fanden in dem Flugzeugwrack Platz, um sich die skurrile Show anzuschauen und einem spektakulären Flugzeugabsturz beizuwohnen. Da das „Boot“ das Spektakel der erste Stunde war, wurden die Veranstalter geradezu überrollt von hunderten interessierten Besuchern. Wartezeiten bis zu zwei Stunden waren angesagt, die allerdings mit großer Geduld ertragen wurden. Wer sich die Wartezeit versüßen wollte, der verschwand einfach für ein paar Minuten und kam mit einer großen Eistüte zurück. Die Schlange der Wartenden wand sich derweilen bis mitten auf den Stubengassenplatz.

Wer dann endlich im Flugzeug Platz nehmen konnte, der erfreute sich bei dem kurzweiligsten Flug seines Lebens einer atemberaubenden und höchst witzigen Reise. Mit Sicherheit zählt der Besuch von „Boot“ zu dem schrägsten Kurztrips der Saison!

Dann ging es weiter durch die Stadt. Begegnungen der „dritten Art“ waren und sind während der „Flurstücke“ unvermeidlich. Zahlreiche „Creatures“ des Theaters Titanick und der Theatergruppe „Bodytalkonline“ streifen durch die Stadt. Die seltsamen Erdlinge kommen ganz offensichtlich aus dem Untergrund. Mit Erdkruste bedeckt, tasten sie sich durch die Stadt als wären sie auf der Suche nach ihren Erinnerungen.

Auf dem Innenhof des Rathauses wurde am Donnerstag um 19 Uhr das Festival offiziell durch Oberbürgermeister Markus Lewe und Vertreter der Förderer sowie der Veranstalter eröffnet. Ein kleiner Regenschauer konnte die enthusiastischen Besucher nicht schrecken. Hunderte warteten auf die erste spektakuläre Show, die mit Akrobatik und Tanz die Zuschauer in Atem hielt. „Block“ präsentiert waghalsige Stunts auf einigen grauen Blöcken, die Betonblöcken ähneln und wie Bauklötze arrangiert werden können. In Windeseile wurden die Anordnung dieser Blöcke verändert, so dass die Spieler auf immer neuen Formationen agierten und tanzten. „Block“ handelt vom Leben in der Stadt – seinen Widersprüchen und seinen Herausforderungen. Der erste Tag war mit seinen Projekten ein großes Versprechen. Der Abend endete mit einer lauten Party.

Im Festivalzentrum am Alten Steinweg 47 gegenüber der Stadtbibliothek können sich Künstler, Veranstalter, Behördenmitarbeiter, Medienvertreter und natürlich die Besucher frei begegnen, ganz ohne VIP-Lounge oder speziell eingerichtete Hinterzimmer. (Jörg Bockow)

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