Luther Kloster Dalheim: Zum Auftakt des 500. Reformationsgedenkens widmet sich das LWL-Landesmuseum für Klosterkultur, Stiftung Kloster Dalheim, ab 31. Oktober 2016 der Figur Martin Luther in der jüngeren deutschen Geschichte. “Mehr als 300 Exponate aus 100 Jahren bewegter Geschichte zeigen, was den Reformator bis heute zu einer Schicksalsfigur der Deutschen macht”, sagte Matthias Löb, Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe bei einer Vorab-Besichtigung der Sonderausstellung “Luther. 1917 bis heute” am Montag (24.10.). Damit setzt die Leitung des Klostermuseums einen klösterlich-kulturwissenschaftlichen Akzent im Dalheim-Programm, das ansonsten mit dem Klostermarkt, der Konzertreihe “Dalheimer Sommer” und dem Gartenfest Dalheim eher allgemeinkulturell-besucherorientiert daherkommt.
Die Ausstellung in dem ehemaligen Kloster Dalheim (Kreis Paderborn) steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Joachim Gauck. Sie ist bundesweit eine der ersten großen Sonderausstellungen zum 500. Reformationsgedenken, die größte im Westen Deutschlands, und läuft bis 12. November 2017.
Beginnend mit der 400-Jahrfeier der Reformation im Kriegsjahr 1917 über die Zeit des Nationalsozialismus und das geteilte Deutschland bis in die Gegenwart führt die Sonderausstellung ihre Besucher auf rund 800 Quadratmetern Ausstellungsfläche in sechs Themeneinheiten (Leben und Wirken Martin Luthers, 1917 – 400 Jahre Reformation, Luther im Nationalsozialismus, Luthers Rolle in der DDR, Luthers Bedeutung in der Bundesrepublik Deutschland, Luthergedenken 2017)” durch die vergangenen 100 Jahre.
Mit den Zeiten wandelt sich auch das Bild des Reformators: Ausgehend von der historischen Person begegnen die Ausstellungsgäste der Figur Luther in völlig unterschiedlichen Gestalten. Ob als Nationalheld des Kaiserreichs oder als sogenannter “deutscher Luther”, den die Nationalsozialisten für ihre Propaganda vereinnahmen, ob als “Fürstenknecht” oder später als Anführer der “ersten frühbürgerlichen Revolution” in der DDR: “Immer wieder wird der Reformator von den Obrigkeiten vereinnahmt, werden seine Äußerungen in einen neuen politischen Zusammenhang gesetzt”, erläuterte Löb.
Als Figur auf den politischen Bühnen ist Luther inzwischen weniger gefragt. Heute ist Martin Luther das Aushängeschild der Feierlichkeiten des 500. Reformationsgedenkens. Er erscheint als Verkörperung gesellschaftlicher Tugenden: als Schöpfer der deutschen Sprache, als Vater der Volksbildung und als Mann der Freiheit und Zivilcourage. Luther in den Jahren 2016/17, berichtet die Dalheimer Ausstellung, ist Musical-Star, Gegenstand der Bildenden Kunst, von Literatur und Film. Bei aller Euphorie erfährt die Figur Luther heute aber auch eine kritische Betrachtung.Das Spektrum der rund 300 Exponate reicht von hochrangigen Gemälden (z.B. Lucas Cranachs Porträt des “alten Luther” oder Uwe Pfeifers Installation “Tischgespräch mit Luther”) über außergewöhnliche zeitgeschichtliche Dokumente bis hin zu Alltagsgegenständen aus den vergangenen 100 Jahren deutscher Geschichte. Hinzu kommen Schaustücke aus der Zeit von Martin Luther – Kloster-Leben aus der Zeit zeigten beispielsweise ein Messgewand aus dem Besitz des Reformators sowie jene Truhe, in der der Dominikanermönch Johann Tetzel, dessen Ablasspredigten Luther zu seinen 95 Thesen veranlassten, seine Einnahmen aus dem Ablasshandel sammelte.
Viele der Exponate stammen aus der Bevölkerung und demonstrieren, wie unmittelbar die deutsche Geschichte 400 oder gar 500 Jahre nach den Thesen von Wittenberg immer wieder mit der Figur Luther verknüpft ist: zum Beispiel Feldpostkarten aus dem Ersten Weltkrieg, Luther-Notgeld aus den 1920er Jahren oder ein Schulaufsatz aus der Zeit des Nationalsozialismus – ein zwölfjähriges Mädchen notiert hier die vermeintlichen Parallelen zwischen Luther und dem Diktator Adolf Hitler. Eine Postkarte aus den 1950er Jahren – unterwegs von Prenzlau in der DDR ins westdeutsche Rheinland -, zeigt Luthers Wirkungsstätte der Bibelübersetzung, die Wartburg, als Symbol der “Einheit Deutschlands”.
Luther – Kloster Dalheim regt zum Nachdenken an
Vor dem Hintergrund des Reformationsgedenkens im Jahr 2017 kennzeichnet die Ausstellung den Reformator Martin Luther als eine Figur, die nicht nur der Vergangenheit angehört, sondern auch an die heutige Gesellschaft Fragen stellt: “Wer heute über Luther reden will, sollte auch den Luther unserer Eltern und Großeltern kennen. Die Ausstellung zeigt nicht nur eine historische Figur, sondern auch unseren aktuellen Umgang mit unserem kulturellen Erbe”, so die Vorsitzende des Vorstands der Stiftung Kloster Dalheim, Dr. Barbara Rüschoff-Thale.
Die Schattenseiten des Reformators
Eine solche Betrachtung der Figur Luther beleuchtet auch die Schattenseiten des Reformators. Im Fokus stehen vor allem Luthers Äußerungen gegenüber dem Judentum und zu den Bauernkriegen. “Auch sie sind immer wieder Thema der Ausstellung, wie sie auch immer wieder Themen der gesellschaftlichen Diskussion insbesondere angesichts des 500. Reformationsgedenkens waren und sind”, erläuterte Matthias Löb, Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe.
Luther im Nationalsozialismus
Museumsdirektor Dr. Ingo Grabowsky: “Erschreckend sind bis heute Luthers zügellose Äußerungen gegenüber den Juden. Diese Passagen lassen sich wie eine Anleitung zu den späteren Pogromen der Nationalsozialisten lesen.” Aus diesem Grund nutzte das NS-Regime Luthers Aussagen, zum Beispiel in der Schrift “Von den Juden und ihren Lügen” von 1543 als Anknüpfungspunkt und ideologische Rechtfertigung seiner Verbrechen. Aber auch NS-Gegner wie Dietrich Bonhoeffer beriefen sich auf Luther. “Auch das gehört zur Projektionsfläche Luther”, sagte Grabowsky.
Luthers Rolle in der DDR
Die Haltung der SED-Diktatur in der DDR zu Luther war zwiespältig. Das religionsfeindliche Regime stand dem Theologen Luther zunächst ablehnend gegenüber, zumal er soziale Bewegungen wie die aufständischen Bauern der Bauernkriege seiner Zeit nicht unterstützte – im Gegenteil. In den 1980er Jahren, unter Honecker, versuchte die SED, Luther zu vereinnahmen und zum ersten Revolutionär zu stilisieren. “Ein Versuch, der zum Scheitern verurteilt war”, so Grabowsky: “In der Reformation war keine sozialistische Revolution angelegt.” Was diese Beispiele zeigen, sieht Grabowsky so: “Luther als Mensch des 16. Jahrhunderts ist nicht dafür verantwortlich, was Menschen im 20. Jahrhundert in ihm sehen wollten.”
Die Sonderausstellung “Luther. 1917 bis heute” wird gefördert von der LWL-Kulturstiftung, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Rudolf-August Oetker Stiftung und der Stiftung der Sparkasse Paderborn-Detmold für den Kreis Paderborn.
Freier Eintritt für Kinder und Jugendliche: Um Familien, Schulklassen und Jugendgruppen den Zugang zu dieser gesellschaftlich relevanten Ausstellung zu erleichtern, haben Kinder und Jugendliche freien Eintritt zur Ausstellung “Luther. 1917 bis heute”.
Katalog: Zur Ausstellung erscheint ein rund 450-seitiger Katalog im Ardey-Verlag. Zwölf Beiträge von namhaften Historikern, Theologen, Archäologen und Zeitzeugen machen den Katalog zu einem Nachschlagewerk der Lutherrezeption des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart.
Der Katalog (ISBN: ISBN 978-3-87023-393-8) kostet 34,90 Euro und ist im Dalheimer Klosterladen sowie im Buchhandel zu erwerben.
Programm zur Ausstellung: Zur Ausstellung wird ein großes Rahmenprogramm von Vorträgen, Thementagen, Kursen und Ferienprogrammen aufgelegt.
Der Vortrag “Alles über Luther” von Prof. em. Dr. Günter Brakelmann (15.01.) setzt die Biografie des Reformators zu den Fortschritten und Krisen des ausgehenden Mittelalters in Bezug. Prof. Dr. Bernd Beuscher zeigt unter dem Titel “Luther, Reformation, Kommunikation, Medien – Außer Thesen nix gewesen?” am Beispiel des Reformators Martin Luther die Bedingungen einer theologisch aufgeklärten Nutzung moderner Medien auf (19.02.).
Beim Thementag “Dem Volk aufs Maul geschaut” (22.01.) z.B. gehen Erwachsene bei einer Sonderführung unter dem Titel “Lästermäuler und Lückenbüßer” Luthers Redewendungen auf die Spur. Kurse wie eine Druckwerkstatt, ein Bierbraukurs oder ein Kurs zum Kochen mit regionalen Zutaten (“Wie bei Luthern”) führen in Luthers Lebenswelt.
Bei den Ferienprogrammen geht es für Kinder von acht bis zwölf Jahren an die Druckerpresse und ans Buchbinden.
Und auch das vierwöchige Kulturfestival “Dalheimer Sommer” in Juli und August steht 2017 unter dem Motto “Reformation und Gegenreformation” ganz im Zeichen Luthers.
Luther Kloster Garten: Mit “Luther. 1917 bis heute” setzt das LWL-Landesmuseum auf ein ganzheitliches Ausstellungskonzept, das die gesamte Anlage mit einbezieht. In der Hochphase der Gartensaison eröffnet das Dalheimer Museum Mitte Juni 2017 “Luthers Garten”.
An ausgewählten Stationen in den Dalheimer Klostergärten erinnern dann Texttafeln an den Privatmann Luther, der mit seiner Frau Käthe einen großen Haushalt führte und den Garten des ehemaligen Wittenberger Klosters mit Obstbäumen und Gemüsebeeten zu einem großen Nutzgarten umgestaltete.
Bei ihrem Rundgang durch die Dalheimer Klostergärten lernen Besucher, was “bei Luthern” in den Garten und auf den Tisch kam: Maulbeeren, Melonen, Kürbisse oder der “Erfurter Riesenrettich”, aber auch Wein und Hopfen zur Bierherstellung.
Luther Kloster Bier: 2017 gibt es nach klösterlicher Tradition in Dalheim ein Bier zur Ausstellung. “Das Dalheimer Lutherbräu” ist ein etwas stärkeres dunkles Bier – 5,2 Prozent -, das sicher auch dem Reformator geschmeckt hätte”, ist sich Grabowsky sicher.
Führungen für Einzelbesucher: Öffentliche Führungen gehen sonn- und feiertags ab 15 Uhr durch die Sonderausstellung (Teilnahmegebühr pro Erwachsenem: 2,50 Euro zzgl. Museumseintritt).
Führungen für Gruppen: durch die Sonderausstellung, durch die Klostergärten und die Klosteranlage können Dienstag bis Freitag von 11 bis 16 Uhr unter Telefon (0 52 92) 93 19-225 oder per E-Mail unter besucherservice.dalheim@lwl.org gebucht werden.
Sehr geehrte Damen u. Herren!
Sehr verehrte Frau Dr. Rüschhoff-Thale!
Seit sehr vielen Jahren begleiten wir die wunderbare Entwicklung der Stiftung Kolster Dalheim. Selbstverständlich auch die wichtigsten Ausstellungen. Nicht zu en Ihalten der aktuellen Luther-Ausstellung möchte ich mich äußern, sondern zu einem museumspädagogisch-technischen Aspekt.
Immer wieder mache ich die mehr als ärgerliche Erfahrung, daß die Ausleuchtung der Exponate und bes. deren Beschriftung/Erläuterung auf einem Stndard ist, der absolut nicht mehr zeitgemäß ist. Mir ist schon bewußt, daß empfindliche Exponate geschützt sein müssen. Wenn man die gegenwärtige (wie auch vorherige) Ausstellungen besucht, kann man die Beschriftung nicht/kaum lesen.
-Sie ist so unglücklich angebracht, daß der Besucher nur in leicht gebückter Haltung lesen könnte.
-Die Ausleuchtung produztiert Schatten. Der benachbarte Besucher macht das Lesen dadurch kaum möglich.
-Der Konrast der Schrift ist zu schwach.
Das alles ist heute doch besser zu gestalten. Eine Reise zu anderen Museen könnte hilfreiche Anregungen vermitteln. Bedauerlich.
Mit frdl. Grüßen
Ludwig Rohden
Herzlichen Dank für Ihre Beobachtung und Ihre kritischen Bemerkungen. Ich schlage Ihnen vor, dass Sie Ihre Mail auch direkt an das Kloster Dalheim und Frau Dr. Rüschhoff-Thale richten.
Mit besten Grüßen aus Münster
Dr. Jörg Bockow