Der Kiepenkerl bloggt: Volkswirt schafft

41P5fcspTQL._SX351_BO1,204,203,200_Professor Yanis Varoufakis war der erste Nationalökonom, der die Spieltheorie (Game Theory) an einem lebenden Staatswesen ausprobierte. Die Spieltheorie ist ein volkswirtschaftlich/mathematischer Ansatz zur Modellierung spezieller strategischer Entscheidungsprozesse. Auf der Basis von Beobachtungen des Entscheidungsverhaltens bei Glücksspielen wird die Spieltheorie ab 1930 für die Analyse von gesamtwirtschaftlichen Konflikt- und Konkurrenzsituationen genutzt. Varoufakis wusste, was er tat, denn er lehrt Spieltheorie an der Athener Universität und ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen zur Spieltheorie.

Ganz allgemein zählt es zu den herausragenden Leistungen von Volkswirten, wirtschaftliche Modelle durch Prämissen so zu verfremden, dass sie mit der Wirklichkeit nicht mehr übereinstimmen. Erstaunlich, dass die Makro-Ökonomen ceteris paribus (unter diesen Umständen) selbst an ihre luftschlossartigen Erkenntnisse glauben. Vermutlich heiligt der Zweck die Mittel. Wie sonst könnten Experten ganz nach Belieben die Anbieter oder Verbraucher mit vollkommener Markttransparenz ausstatten, die Produkte ohne Transaktionskosten in Einheit von Zeit und Raum mit unendlicher Geschwindigkeit substituieren oder alle Marktteilnehmer nach dem ökonomischen Prinzip handeln lassen.

Der Volkswirtschafts-Professor Erich Schneider merkte zu Beginn der Abstraktionswanderungen in seinen Lehrbüchern stets süffisant an: „Wie der Leser leicht erkennt.“ Spätestens an diesem Punkt waren für mich die Weihen des höheren Blödsinns erreicht. Die Selbsterfahrungen als Werkstudent brachten mich schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. In der Praxis sieht alles anders aus: Dort handeln Menschen auf der Grundlage unzureichender Informationen unter dem Druck realitätsfremder Vorgaben.

Was kann von der Wirtschaftspolitik in diesem Umfeld erwartet werden, die neben Theorie und Praxis noch mit einer dritten Dimension, dem Wähler, zu kämpfen hat? Kein Wunder, dass Politiker oft selbst die nationalökonomische Krise sind, die sie bewältigen möchten. Diese Feststellung gilt speziell für Professoren, die sich ungebremst in der Politik austoben. Das führte der griechische Finanzminister Varoufakis der staunenden Öffentlichkeit gerade zirkusreif vor Augen. Zu spät merkten die düpierten Geldgeber, dass der Ökonomie-Professor zu den führenden Anhängern der Spieltheorie gehört. Das war eine explosive Mischung in Verbindung mit den in Griechenland regierenden Marxisten, Trotzkisten und Öko-Sozialisten.

Weil Varoufakis die Strategie der Eurogruppe in den Verhandlungen falsch einschätzte, lehnte er deren Sparvorschläge fast ausnahmslos ab. Sein Vabanquespiel gründete sich auf ein mathematisch interessantes Verfahren zur Schuldentilgung, das allerdings ein beträchtliches Risiko beinhaltete – sich noch stärker zu verschulden. Doch der Spieltheoretiker hatte den Glücksfall fest eingeplant. Er ging davon aus, dass die Euro-Regierungschefs den Griechen aus Angst vor einem Grexit große Teile der Schulden erlassen würden und das Land weniger strenge Auflagen erfüllen müsse. Dabei unterstellte er, dass die Geldgeber die Scheinleistungen und die Blindleistungen der Athener Regierung stillschweigend akzeptieren würden. Scheinleistungen werden so bezeichnet, weil sie nur scheinbar wirken und mit der wirklichen Leistung (Wirkleistung) nicht identisch sind. Als wichtigster Produktionsfaktor für Blindleistung gilt mangelnde Kommunikation. So wollte die Regierung Tsipras lediglich mit Wortakrobatik darüber hinwegtäuschen, dass sie von den gegebenen Zusagen fast nichts umgesetzte.

Solange der Spieltheorie-Experte Varoufakis lediglich Bücher über diese strategische Form des Denkens schrieb, war alles paletti. Doch als er sein theoretisches Wissen an der griechischen Volkswirtschaft ausprobierte, ging der Praxiseinsatz gründlich daneben. Die Folgen der taktischen Fehlleistungen muss das griechische Volk ausbaden – ein Volkswirt hat es geschafft.

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