Der Kiepenkerl bloggt: Management by Potemkin

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Thyssen-Krupp, Karstadt, Deutsche Bank, General Motors und Schlecker lieferten spektakuläre Beweise für die Erkenntnis: Die Wahrung des schönen Scheins führt bei Fehlverhalten im Management leicht zu Problemen in Geschäftsabläufen – und umgekehrt. In den angeschlagenen Unternehmen fehlten Whistleblower, die sich mit ihren Informationen gegen den Gruppenzwang entschieden. Wehrbeauftragte oder Hofnarren, die unbequeme Wahrheiten aussprachen, waren Mangelware. Potentielle Enthüller von Schwachstellen haben sehr schnell gelernt, dass in einer verselbständigten Unternehmenseinheit nur Überbringer guter Nachrichten überleben.

Konsequenz: Für die Unternehmenskultur wichtige Informationen aus Subkulturen waren für Führungskräfte und Aufsichtsgremien unzugänglich – oder die Entscheider wollten sie bewusst nicht zur Kenntnis nehmen. Günstlinge sorgten dafür, dass die abgeschottete Nomenklatura den Sinn für die Realität und die auf Unwissen basierenden Entscheidungen verlor. Ein Beweis dafür, dass Lillifee-Pflaster zwar bei Kinderschürfwunden helfen, doch in der Unternehmenskommunikation kein probates Mittel sind.

Wird eine ergebnisoffene Diskussion durch autoritäre Entscheidungen verhindert, führt das zu Frustration und innerer Emigration wichtiger Führungskräfte. Doch kontroverse Auseinandersetzungen auf Augenhöhe sind nur möglich, wenn sich die Diskussionspartner vorbehaltlos akzeptieren – sich für satisfaktionsfähig halten.

Ein Küchenkabinett von Ja-Sagern erleichtert zwar das Durchregieren, ist aber langfristig der falsche Weg. Nach einem ungeschriebenen Drehbuch wird die Organisation zur Stärkung der Machtbasis eines neuen Gaufürsten gleich zu Beginn mit personellen Grausamkeiten durchforstet. Danach versorgt er sich ersatzweise nicht mit erfahrenen Stürmern aus der Champions League, sondern mit Spielern aus der zweiten Liga.

Viele Manager sind von ihrer Großartigkeit so überzeugt, dass Ratschläge an ihnen abprallen. Als  Machiavellisten agieren sie nach dem Motto: Der Zweck heiligt die Mittel. Personen dieses Typus’ legen gerne einen manipulativen Verhaltensstil an den Tag. Der Machiavellist kennt keine Grenzen wenn es darum geht, bestimmte Ziele zu erreichen. Hat er auf seinem Durchmarsch mit anderen Menschen zu tun, sieht er vor allem ihre Nützlichkeit für seine Zielerreichung. Dabei praktiziert er Empathie mit Tunnelblick. Zwar vermag er sich in andere hineinzuversetzen, tut dies aber nur, wenn es seinem gesetzten Ziel dient. Der Machiavellist geht rational und kalkulierend vor, ohne auf andere Rücksicht zu nehmen. Er weiß auch, was gesellschaftlich als gut empfunden wird, verhält sich aber nur so, wenn es ihm persönlich zum Erfolg verhilft.

Machiavellisten sind in der Organisation so beliebt wie ein Temperatursturz von 20 Grad bei Bergsteigern. Solche Klimaereignisse wirken sich fatal auf’s Betriebsklima aus. An diesem Punkt kommt Fürst Potemkin ins Spiel, denn nicht die Realität wird reflektiert, sondern der schöne Schein. Und zwar so penetrant, dass Kritiker bald an sich selbst zweifeln und verstummen. Beispiele für gelenkte Propaganda in totalitären Staaten sind seit Joseph Goebbels hinreichend bekannt.

„Potemkinsche Dörfer“ stehen seit über zwei Jahrhunderten als Redewendung für Trugbild oder Blendwerk, für Fassaden mit nichts dahinter. Der Begriff geht zurück auf eine Inspektionsreise, die Zarin Katharina durch ihre südrussischen Provinzen und die Krim führte. Der dortige Gouverneur, ihr vormaliger Liebhaber, wollte bei ihr – der Legende nach – Eindruck schinden, indem er gepflegte Ortschaften eines blühenden Landes vorführte, die es tatsächlich nicht gab. Obwohl Potemkin angeblich nur Häuserfronten errichten ließ, habe er die Herrscherin mit dieser Scheinwelt erfolgreich täuschen können, heißt es. Auch wenn der Wahrheitsgehalt dieser Geschichte äußerst strittig ist – der Begriff hat sich eingebürgert. Und in den ehemaligen Ostblockstaaten wurde insbesondere bei Besuchen westlicher Politiker entsprechend verfahren.

Merke: Der Wirtschaftsstandort Deutschland gerät in Gefahr, wenn den „Potemkins“ in den Unternehmen nicht der Garaus gemacht wird.

 

 

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