Der Räuber: Klassiker in die Gegenwart geholt

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Der Räuber am Theater Münster: Wenn man die erste Inszenierung programmatisch versteht, dann kann man sich von der neuen Intendanz an Münsters ehrwürdigem Theater noch einiges an Diskussions- und Zündstoff erwarten. Wie wohltuend. Denn an der Bühne scheint ein Generationenwechsel vollzogen.

Der Räuber

Foto: Marion Bührle / Theater Münster

Die Aufführung von Friedrich Schillers aufrührerischem, wildem und durchaus pubertärem Erstlingswerk “Der Räuber” (1782) macht neugierig auf mehr. Hier wurde ein Klassiker nicht einfach nur in aktuelle Klamotten gesteckt und in modern aufgehübschten Kulissen inszeniert – hier wurden “Die Räuber” ganz im Sinne des Stückes und des Dichters selbst benutzt, um ein saturiertes und bildungsbürgerliches Publikum aus den Sitzen zu heben. Nebenwirkungen waren damals wie heute bewusst einkalkuliert.

Der Räuber

Foto: Marion Bührle/Theater Münster

Das junge Münsteraner Ensemble nimmt Schiller gewissermaßen ernst und holt ihn in die Gegenwart. Es spielt mit voller Wucht und ganzer Kraft, bezieht das Publikum geschickt und mit viel Witz mit ein, provoziert mal Zustimmung und mal Abscheu und Ekel. Der Theaterabend ist ein Tauchbad der Gefühle.

Die einen fanden das – wie nicht anders zu erwarten war – wunderbar erfrischend und haben zum Schluß heftig, ja auch frenetisch applaudiert, andere – zugegeben nur eine Minderzahl – waren allerdings entrüstet, pickiert und sind offenbar nur geblieben, um sich nicht in ihrem stillen Protest zu erkennen zu geben. Ja, so muss Theater auch sein können: krass, laut, witzig, provozierend, aufrüttelnd, mitunter erschreckend.

Foto: Marion Bührle/Theater Münster

Foto: Marion Bührle/Theater Münster

Friedrich Schillers Erstlingswerk  ist einer der wohl radikalsten Aufbruchs-Texte der Weltliteratur, Familientragödie und politisches Drama zugleich: Der junge Dichter gießt all seine verzweiflungsvolle Wut auf das absolutistische Herrschaftssystem, in dem er leben muss, und all seinen Freiheitsdrang in einen energiegeladenen, revolutionären Text. Die Räuber schildert die tödliche Auseinandersetzung mit einer Vätergeneration, die in der elterlichen Liebe versagt und keine Zukunftsperspektiven bietet. Die mangelnde Vaterliebe macht Franz zum egozentrischen Intriganten, der sein Glück und seinen Platz in der Welt auch mit ungerechten Mitteln erzwingen will, und Karl zum Straßenkämpfer, dessen idealistischer Widerstandsgeist in Anarchie und Gewalt umschlägt.

Schiller greift in seinem Sturm und Drang-Drama eine Gesellschaft an, die müde ist und autoritär, die ihre Kinder zur Mittelmäßigkeit zwingt und ihnen die Zukunft verbaut – das tödliche Ende lässt immerhin die Utopie einer besseren Welt aufscheinen.

Die Inszenierung von Frank Behnke nutzt aktuelle Assoziationen, dabei lässt der Regisseur offen wie weit seine eigene Zuneigung und Übereinstimmung geht. Ihn interessieren mit Schiller vor allem die Strukturen von Überdruss und die Wiederholung gesellschaftlicher Konflikte. Wenn er gleich zu Beginn lautstark und lärmend eine Demonstration von Occupy auf die Bühne bringt, dann macht dies deutlich, dass es zu allen Zeiten den Konflikt mit den überkommenen Idealen der Elterngeneration gegeben hat und geben wird. Das Neue steht vor den Türen, die alten Zöpfe müssen ab.

www.theater-muenster.com

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