So wollen Pferde leben

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Westfalen – In Borken-Marbeck haben Ele und Bernd Wessing eine Anlage geschaffen, die auf die Bedürfnisse von Freizeitreitern zugeschnitten ist – und auf die Bedürfnisse ihrer Pferde.

Foto: Andrea Schneider

Ständige Bewegungsmöglichkeit, sechsmal am Tag Hafer, Gesellschaft von anderen Pferden und ein trockenes Plätzchen zum Schlafen und Ausruhen – so schön können die Pferde leben, die auf der neuen Reitanlage von Ele und Bernd Wessing zwischen Borken und Raesfeld zuhause sind. „Pferde sind Herden- und Lauftiere – hier können sie so leben, wie es ihrer Natur entspricht“, erklärt Bernd Wessing die Grundidee der Anfang dieses Jahres fertiggestellten Anlage, zu der neben dem neuartigen Aktiv-Laufstall auch eine Reithalle mit einer 20 x 40 Meter großen Manege und im Sommer ein 30 x 60 Meter großer Außenreitplatz gehören. 37 Pensionspferde können die Wessings künftig in ihrem neuen Laufstall aufnehmen.

In konventionellen Pferdeställen verbringen die Tiere die meis-te Zeit allein in ihrer nur einige Quadratmeter großen Box und werden für begrenzte Zeit zusammen mit Artgenossen auf die Weide gelassen. In dem innovativen “Aktiv-Laufstall” bei Wessing sind die Trennung zwischen Stall und Außengelände und die „Einzelhaft“ der Tiere aufgehoben. Die meiste Zeit verbringen die Pferde auf der 15.000 Quadratmeter großen Bewegungsfläche der Anlage – für die Nacht und bei Regen können sie in einen Gemeinschaftsstall mit festem Boden, Gummimatten und Einstreu aus Holzhäckseln gehen.

Foto: Andrea Schneider

Zur Nahrungsaufnahme müssen die Tiere elektronisch gesteuerte Futterstationen im Freigelände aufsuchen – so ist sichergestellt, dass der Stall nur zum Ruhen genutzt wird und nicht so stark verschmutzt. An der Raufutterstation können sich die vierbeinigen Anlagenbewohner von morgens 6 Uhr bis abends 23 Uhr alle 90 Minuten für 15 Minuten bedienen – dann geht das Rollo vor den Heukrippen wieder herunter.

Foto: Andrea Schneider

Jedes Pferd hat ein elektronisches “Fußkettchen” am linken Vorderbein – an ihm wird es von der elektronischen Anlagensteuerung erkannt. An der Station für Zusatzfutter bekommt es dann mehrmals am Tag genau das zu fressen, was ihm zugeteilt ist. „Menge und Zusammensetzung der Futterration können für jedes Pferd individuell eingestellt werden“, erläutert Wessing. “So bekommt ein Haflinger nur Mineralfutter, während beispielsweise bei einem aktiv gerittenen Springpferd zusätzlich Kraftfutter gegeben wird.” Automatische Türen stellen sicher, dass immer nur ein Pferd in der Kraftfutterstation zu fressen bekommt. “So werden Futterneid und Streit vermieden”, erläutert Ele Wessing, die für den Betrieb der Anlage zuständig ist. Fünf- bis sechsmal am Tag bekommen die Tiere Kraftfutter. “Das ist viel gesünder als das übliche Füttern mit zwei Portionen Kraftfutter am Tag – und die Futterverwertung ist besser.”

Der Ausgang der Kraftfutterstation führt auf einen eingezäunten fünf Meter breiten Weg, auf dem das Pferd einmal um die Außenanlage laufen muss, um wieder zu der Raufutterstation zu kommen. Am äußersten Punkt des Freigeländes ist die Wassertränke. Baumstämme auf den Wegen sorgen dafür, dass die Tiere dabei nicht den direkten Weg nehmen können. Ele Wessing: “So sind die Pferde gezwungen am Tag bis zu acht Kilometer zu laufen – das tut ihnen gut und sie sind entspannter, wenn sie geritten werden.” Berufstätige Reiter, die ihr Pferd seltener bewegen, wissen das zu schätzen.

In dem Aktiv-Laufstall können Pferde so leben, wie es ihrer 
Natur als Herdentieren entspricht – allerdings gibt es dabei auch Reibereien und Rangkämpfe. Deswegen kommen neue Tiere an den ersten Tagen in konventionelle Einzelboxen mit einem kleinen Paddock, über dessen Zaun sie mit den Stammbewohnern Kontakt aufnehmen können. “In der Regel gewöhnen sich Neulinge schnell ein und schauen sich von den anderen ab, wie sie an Futter und Wasser kommen“, hat Ele Wessing beobachtet. “Für rangniedrige Tiere gibt es einen abgetrennten Bereich mit Futterstation, der über eine automatische Tür nur für sie zugänglich ist. Dort können sie sich von den Schikanen ihrer Artgenossen erholen.” Auch der Zugang zum sechs Hektar großen Weidebereich der Anlage wird über eine Automatik-Tür geregelt. Gesteuert wird die gesamte Anlage über einen PC; an ihm wird festgelegt, was jedes einzelne Pferd zu fressen bekommt und welche Anlagebereiche ihm zugänglich sind. An dem PC kann Ele Wessing auch erkennen, ob ein Pferd seine Futterrationen vollständig gefressen hat: “Wenn nicht, ist es vielleicht krank und ich muss nachsehen.” Inklusive Futter kostet ein Einstellplatz bei Wessing 330 bis 380 Euro pro Monat und Pferd.

Foto: Andrea Schneider

Wie der Stall entspricht auch die neue Reithalle auf Hof Wessing dem Stand der Technik. Die Spaceboard-Bauweise sorgt für ständige natürliche Ventilation, der Hallenboden ist ein Sand-Textil-Gemisch, das in einer wasserdichten Bodenwanne liegt. Die unteren Zentimeter der Bodenwanne stehen ständig unter Wasser. “Das sorgt immer für eine gewisse Feuchtigkeit im Boden – und verhindert die Staubentwicklung.” Über eine Pumpe kann die Höhe des Wasserstands und damit die Bodenbeschaffenheit verändert werden: hoher Wasserstand – weicher Boden für Dressurreiter, niedriger Wasserstand – harter Boden für Springreiter.

Damit die neue Halle den Besitzern der eingestellten Pferde immer offen steht, verzichtet Wessing auf regelmäßige Gruppenreitstunden. Außerdem sind die Anlage und ihre Nutzung nicht an einen Reiterverein gebunden. “Das wollen die Leute heute nicht mehr”, ist Bernd Wessing überzeugt. “Das macht ja auch häufig Ärger.” Für jedes eingestellte Pferd ist ein abschließbarer Spind vorhanden, in dem Sattelzeug und anderes Zubehör gelagert werden kann. Es gibt ein Solarium, in dem die Pferde abtrocknen können, bevor sie wieder in den Laufstall kommen, und Duschen mit Umkleidekabinen für die Einsteller, die nach dem Reiten direkt zum nächsten Termin müssen. Im Frühjahr kommen noch ein Aufenthaltsraum mit Küchenzeile und Getränkeautomat dazu und eine Terrasse mit Blick auf den geplanten Außenreitplatz und das Freigelände des Aktiv-Laufstalls. So haben nicht nur die Pferde, sondern auch die Pferdebesitzer ihre Freude an dem neuen Haltungskonzept.

Wienand Geuking

Hof Wessing /Ele & Bernhard Wessing / Sonnenbrink 60 /46325 Borken-Marbeck
Mobilfunk 01 60 – 94 63 40 63
Telefon 02861/67942
www.hof-wessing.de

 

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