Kuithan – Expressionismus aus Bielefeld

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Werther – Werke des Bielefelder Expressionisten Erich Kuithan zeigt das Museum Peter August Böckstiegel noch bis Ende Januar 2024. Die Ausstellung „Erich Kuithan – Ein Bielefelder Künstler zwischen Jugendstil und Expressionismus“ zeigt zum ersten Mal seit 1918 das Werk des 1875 in Bielefeld geborenen Künstlers in seiner westfälischen Heimat. Es ist die Wiederentdeckung eines bislang wenig bekannten Malers und Gestalters, dessen stilistische Entwicklung eine Brücke zwischen Jugendstil, Symbolismus und der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts schlägt.

Kuithan

“Italienerin am Meer”, um 1911, Öl auf Leinwand, 62,2 × 52,2 cm – Foto Christoph Beer

Die Ausstellung wird durch ein umfangreiches Programm aus Vorträgen und Workshops begleitet. Der gleichnamige Katalog mit Texten von Gerhard Renda, Erik Stephan und David Riedel erscheint als Band 3 der „Edition Moderne in Westfalen“ und kann im Museumsshop zum Preis von 24 Euro erworben werden. Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit der Kunstsammlung der Städtischen Museen Jena und wird großzügig gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

Erich Kuithan absolvierte seine künstlerische Ausbildung an der angesehenen Kunstakademie München, wohin seine Familie nach dem frühen Tod des Vaters 1888 übergesiedelt war. Ab 1893 besuchte Kuithan die Malklasse von Karl Raupp (1837-1918), einem süddeutschen Landschaftsmaler, und traf zwei Jahre später im oberbayerischen Schliersee auf den Maler Karl Haider (1846-1912), dessen Landschafts- und Figurenbilder ihn in seinem frühen Schaffen nachhaltig beeindruckten. In diesen frühen Jahren entstanden Bilder wie das Aquarell „Bielefeld“ (1891), das seine Heimatstadt in den Blick nimmt, oder auch den in dynamischer Malerei ausgeführten „Almabtrieb“ (1902).

“Bielefeld, 1891”, Aquarell über Bleis auf braunem Papier, auf Karton aufgezogen, 20,9 × 17 cm – Foto Christoph Beer

Nach ersten Erfolgen auf Ausstellungen und als Illustrator zog Kuithan 1903 nach Jena, wo er zum Leiter der Zeichenschule der Carl-Zeiss-Stiftung berufen worden war. Für Kuithan begann dort eine intensive Phase des Schaffens, gleichzeitig war er mit Intellektuellen, Industriellen und Künstlerfreunden maßgeblich daran beteiligt, Jenas Ruf als Kunststadt zu begründen. Dies findet Ausdruck etwa in dem als Lithografie ausgeführten Plakatentwurf zur Schiller-Feier im Jahr 1905. In ganz Deutschland und auch in Bielefeld fand sein Werk in Gruppenausstellungen im Kunstsalon Otto Fischer Resonanz.

Kuithans bevorzugter Themenkreis blieb zeitlebens der Mensch, im Besonderen der weibliche Akt. Zumeist stellt er seine Frauen als ideale, allegorische Gestalten dar, am Strand oder in Frühlingslandschaften dargestellt, in denen man Landstriche des Saaletals wiedererkennen kann. Ein Beispiel ist das in zarten Tönen gehaltene Gemälde „Der Frühling“ (1906). In diesen Jahren begegnet Kuithan auch der Kunst Ferdinand Hodlers, dessen „Parallelismus“ ihn nachhaltig begeistert, zu sehen am Fresko-Entwurf „Schienenleger“ (1910).

Kuithan

“Der Frühling”, um 1906, Öl auf Leinwand, 140 × 208 cm – Foto Christoph Beer

1911 erhielt Kuithan einen Ruf an die Berliner Königliche Kunstschule. Es ist der Beginn einer neuen Phase in Kuithans Werk, in der er immer stärker von seinen jungen Schülern inspiriert wird, die auf ihrem Weg in die künstlerische Moderne bereits mit reinen Lokalfarben und starken Kontrasten arbeiteten. Deutlich wird dieser Einfluss im farbstarken Titelmotiv der Ausstellung, „Italienerin am Meer“ (1911), das sich von früheren Arbeiten durch seine Farbgebung deutlich abhebt. Es entsteht im Jahr nach einer seiner wiederholten Reise nach Italien, ein Land, dessen Menschen und Kunst ihn nachhaltig beeinflussen. Von einer Tuberkulose-Erkrankung geschwächt, musste Kuithan seine Aufgaben ab dem Jahr 1914 ruhen lassen und zog im Herbst 1916 mit seiner Familie zurück nach Jena. Dort malt er, schon ans Bett gefesselt, seine letzten Bilder und stirbt am 30. Dezember 1917.

Erich Kuithan

“Schienenleger”, (Entwurf für ein Fresko), um 1910, Öl auf Leinwand, 112 × 118 cm – Foto Christoph Beer

Erich Kuithan ist ein Maler zwischen den Jahrhunderten, dessen Werk sich um 1900 eigenständig und ohne eine eindeutig mögliche Zuordnung zwischen Jugendstil, Symbolismus und Expressionismus entwickelt. Als Retrospektive angelegt, gibt die Ausstellung im Museum Peter August Böckstiegel einen Überblick über alle Schaffensphasen des Künstlers und versammelt dazu eine Auswahl von etwa 75 bildnerischen Werken und von Kuithan gestalteten Porzellanen. Auf diesem Weg ermöglicht das Museum Peter August Böckstiegel eine umfassende Neu- und Wiederentdeckung von Erich Kuithan – und bringt mit symbolistischer Kunst und den Ideen des Jugendstils weitere Facetten der Kunst der Moderne nach Werther.

Das Museum bietet öffentliche und private Führungen durch die Ausstellung und das Böckstiegel-Haus an.

Museum Peter August Böckstiegel, www.museumpab.de

Vorschau-Foto: “Landschaft mit Schafherde”, um 1913 – Foto Christoph Beer