Karikaturen überzeichnen die Geschichte

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Karikaturen sind auch ein Spiegel des Zeitgeistes. Das Verhältnis zwischen Deutschen und Polen hat viele Wandlungen durchgemacht. Es hat Zäsuren gegeben. Der Wechsel der Perspektiven kann man in den Medien jener Zeit ablesen. Spannend wird es, wenn die Vergangenheit im Spiegel der politischen Karikatur betrachtet wird. Dazu gibt es im Westpreußischen Landesmuseum unter dem Titel „Fremde – Freunde. Polen und Deutsche in der historischen Karikatur“ eine erhellende Sonderausstellung. Die Ausstellung mit den Karikaturen ist vom 23. Juni bis zum 17. September 2023 zu sehen.

Karikaturen überzeichnen die Geschichte

Die Sonderausstellung zu politischen Karikaturen ist im Westpreußischen Landesmuseum in Warendorf zu sehen – Foto Westpreussisches Landesmuseum

Die Erste Teilung Polens und der Erwerb der neuen preußischen Provinz „Westpreußen“ 1772 stellen wohl eine der einschneidenden Zäsuren im Verhältnis von Preußen/Deutschland zu Polen dar. Hieraus entwickelte sich seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein ausgeprägter und fast 200 Jahre währender vielschichtiger Antagonismus zwischen Preußen und Polen, der bei weitem nicht nur die in der Region selbst lebenden polnischen und deutschen Bevölkerungsteile betraf. Widersprüche und Gegensätze nationaler Identitäten zeigten sich nicht nur in der Politik, sondern auch in der Publizistik, den Zeitungen und Illustrierten.

Anhand des Mediums ‚politische Karikatur‘ führt diese Ausstellung exemplarisch vor Augen, wie sich Deutsche und Polen zwischen 1772 und 1990/1991 (Anerkennung der Oder-Neiße-Linie und deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag) gegenseitig wahrgenommen haben.

Karikaturen überzeichnen die Geschichte

Repressive Minderheitenpolitik des Kaiserreichs gegen die Polen. Ludwik Nawojewski (Radom 1864 – 1930). Aus: Mucha (Die Fliege), Heft 29, 1909 – Foto Muzeum Karykatury im. Eryka Lipińskiego, Warschau

Hierfür wurden Karikaturen zu wichtigen Schlüsselmomenten ausgewählt: Polenbegeisterung um 1830, Polen-Debatte in der Frankfurter Nationalversammlung 1848, Kulturkampf und Germanisierungspolitik im 19. Jahrhundert, der Erste Weltkrieg und seine Folgen, die lang andauernde und zaghafte Annäherung nach dem Zweiten Weltkrieg, die neue Ostpolitik der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt, die Gründung der Gewerkschaft Solidarność, die Wiedervereinigung Deutschlands.

In ihrer absichtlichen Überzeichnung und scheinbaren Verkürzung versteheb sich die Karikaturen nicht als objektive oder gar allgemeingültige Aussage. Von jeher nutzt die Karikatur Spielräume innerhalb einer immer den politischen Verhältnissen unterworfenen künstlerischen Freiheit, um politische oder gesellschaftliche Ereignisse und Phänomene zu kommentieren und damit den Blick des Betrachters zu weiten. Das Stilmittel der augenzwinkernden bis bitterbösen Zuspitzung oder auch humorvollen Brechung im Rahmen der künstlerischen Freiheit eröffnet dabei die Möglichkeit, politische Ereignisse noch einmal in ganz anderer Form zu kommentieren und dabei auch andere Blickwinkel zuzulassen.

Die Arbeiten polnischer Karikaturisten stammen aus der Sammlung des Karikaturenmuseums Warschau und lesen sich wie die Crème de la Crème der polnischen politischen Grafik.

Karikaturen überzeichnen die Geschichte

Die neue Ostpolitik Willy Brandts führte zum Übertritt einiger SPD- und FDP-Abgeordneter zur CDU/CSU. Das daraufhin von Rainer Barzel und Franz-Josef Strauß initiierte Misstrauensvotum gegen Brandt im April 1972 scheiterte jedoch. Eryk Lipiński (Krakau 1908 – 1991 Warschau), 1972 – Foto Muzeum Karykatury w Warszawie

Die deutsche Perspektive wird unter anderem durch Arbeiten von Zeichnern dargestellt, die vor 1945 für die satirischen Magazine „Simplicissimus“ und „Kladderadatsch“ wirkten. Eine Auswahl der Karikaturen nach 1945 wurde den großen (west-) deutschen Tageszeitungen entnommen. Diese Arbeiten wurden vom Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn und vom Museum Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur & Zeichenkunst in Hannover zur Verfügung gestellt.

Anhand der politischen Karikaturen führt diese Ausstellung vor Augen, wie sich Deutsche und Polen von 1772 und 1990/199 gegenseitig wahrgenommen haben. Hierfür wurden Karikaturen zu Schlüsselmomenten ausgewählt: Polenbegeisterung um 1830, Polen-Debatte in der Frankfurter Nationalversammlung 1848, Kulturkampf und Germanisierungspolitik im 19. Jahrhundert, der Erste Weltkrieg und seine Folgen, die lang andauernde und zaghafte Annäherung nach dem Zweiten Weltkrieg, die neue Ostpolitik der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt, die Gründung der Gewerkschaft Solidarność und nicht zuletzt die Wiedervereinigung Deutschlands.

In ihrer Überzeichnung und Verkürzung verstehen sich die Karikaturen als Stachel im Fleisch des jeweiligen Zeitgeistes. Sie nutzt die künstlerische Freiheit, um politische oder gesellschaftliche Ereignisse zu kommentieren und damit den Blick des Betrachters zu weiten. JB

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