Recklinghausen – Das diesjährige Programm der Ruhrfestspiele in Recklinghausen ist mit einem sinnenfrohen und fröhlichen Spektakel gestartet: „Beytna“ ist ein ungewohnt exotisches Tanztheater und eine Performance von Omar Rajeh und seiner arabischen Compagnie. In den letzten 20 Minuten des Stückes schlendern die meisten der Zuschauer im gleißenden Scheinwerferlicht beschwingt über die Bühne und kosten neugierig vom arabischen Eintopf mit Bohnen, gemischten Salat und Fladenbrot, die während der Performance vor den Augen des Publikums als ein Mahl zubereitet worden sind. Wer mag kann dazu auch an einem typischen Anisschnaps nippen. Mitten im Publikum geht die Tanzperformance weiter bis am Ende des Stückes frenetischer Applaus aufbrandet, der einfach nicht enden will. Die Zuschauer sind mitgerissen von der kraftvollen Choreographie. „Beytna“ ist eine tolle Performance, bei dem der Funke von den Akteuren auf die Zuschauer überspringt.
„Beytna“ – so nennt man im Libanon die Einladung, als Gast zu jemandem nach Hause zu kommen. Der Abend des aus Beirut stammenden Tänzers und Choreografen Omar Rajeh ist eine solche Einladung: Er ist ein Fest, ein Ritual, eine Geste der Gastfreundschaft, die am Ende des Stückes auch die Zuschauer mit einschließt.
Langsam erobert der animierende Duft von exotischem Essen und arabischen Gewürzen den Zuschauerraum. Sitzreihe für Sitzreihe bis er schließlich sogar den Rang erklimmt. Eine ältere, rundliche Köchin mit Kopftuch steht an einem meterlangen Tisch und bereitet Fatouch zu, ein traditionelles Gericht der legendären Küche Libanons. Acht Männer stehen ihr zur Seite. Sie schnibbeln und schneiden Salat, Möhren und Zwiebeln, dass es eine helle Freude ist. Das frische Gemüse wird geputzt, geschält und geschnitten. Die Geräusche gelangen verstärkt über die Lausprecher zu den Zuschauern. Man kann sich lebhaft vorstellen und ausmalen, was da gerade unter dem Messer ist, geschnitten oder gehackt wird. Und ehe man sich versieht, regen sich Appetit und Hunger. Die Köchin murmelt ihre Anweisungen und Aufträge, die von den Männern ausgeführt werden.
Plötzlich beginnen drei ihrer Helfer auf ihrer Laute, der Oud, zu spielen. Sie spielen traditionelle Melodien, die an diesem Abend immer wieder ihre kulturellen Bezüge und ihre Klangfarben ändern werden. Es sind vor allem arabische Klänge, rhythmisch, laut und zum Tanz animierend. Und dann beginnen die Übrigen, einer nach dem anderen, sich zu bewegen und zu tanzen; alleine, zu zweit, alle zusammen. Sie folgen einer aus traditionellen, arabischen Tänzen entwickelten Choreographie, bei der ungewöhnliche Bewegungen, bizarre Verrenkungen und stampfende Rhythmen im Vordergrund stehen. Man kann die unterschiedlichen Ethnien und Herkünfte der Tanzer erahnen. Es ist ein buntes Gemisch der Kulturen im Tanz vereint.
Omar Rajeh hat in „Beytna“ nicht einfach Tänzer um sich versammelt, die seine Choreografien nachvollziehen. Er hat vielmehr Kollegen zusammengerufen, die selber als Choreografen arbeiten. Er versucht, durch den Tanz diese je eigenen Persönlichkeiten, Künstler und Individualisten, die aus ganz verschiedenen Kulturen und Tanz-Traditionen stammen, zusammenzubringen, in dem jeder Einzelne seine tänzerische Sprache selbstbewusst neben der anderen behaupten kann.
„Beytna“ ist ein Abend über Begegnungen und das Zusammenleben ganz unterschiedlicher Gemeinschaften. Die kulturellen Unterschiede werden nicht kaschiert oder negiert, sie treffen aufeinander und agieren miteinander. Verschiedenheit wird hier ausgehalten und sichtbar gemacht als etwas Kostbares, Schönes und Wertvolles. Es ist der Stolz der Tänzer der sich eindrucksvoll vermittelt. Omar Rajeh ist einer der wichtigsten Vertreter des zeitgenössischen Tanzes im Libanon. Mit „Beytna“ brachte er seinem Maqamat Dance Theatre den großen internationalen Erfolg. Die Aufführung in Recklinghausen ist ein vielversprechender Auftakt für die diesjährigen Ruhrfestspiele – ein Versprechen!
Ruhrfestspiele Recklinghausen / Otto-Burrmeister-Allee 1 / 45657 Recklinghausen
Telefon 02361 – 9180
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