Athener Treuhandanstalt

Das im August 2018 auslaufende dritte Hilfsprogramm für Griechenland wird nicht verlängert. Tsipras hat zugesagt, dass das Land künftig ohne europäische Hilfsprogramme auskommt. Doch die Probleme sind damit nicht aus der Welt.

Auf rund 256 Milliarden Euro summieren sich die bisherigen Zahlungen aus den drei Rettungspaketen für Griechenland. Das Geld floss teils in Form von direkten Krediten der Euro-Staaten oder über die Rettungsschirme „European Financial Stability Facility“ (EFSF) und „European Stability Mechanism“(ESM) und des „International Währungsfonds“ (IWF). Allein aus Frankfurt wurden 15,4 Mrd. Euro für den Kauf von Anleihen nach Athen überwiesen. Der IWF hält die Athener Schulden auf Dauer für nicht tragbar. Deshalb sollen die Euro-Länder über Erleichterungen nachdenken. Die Chance, dass es in absehbarer Zeit zu einem Schuldenschnitt kommt, ist groß. Faktisch wurde er bereits vor Monaten für den Notfall vereinbart. Bei ihrer letzten Rettungsaktion im November sicherte die Euro-Gruppe Griechenland zu, über Maßnahmen nachzudenken, die nötig sind, um eine glaubwürdige und nachhaltige Minderung des griechischen Schuldenstandes zu erreichen. Inzwischen spitzte sich die Finanzkrise wieder zu. So konnte die letzte Rate nur mit der fadenscheinigen Lösung ausgezahlt werden, dass der IWF zwar weiterhin bei der Griechenlandrettung mitmacht, sich aber an der Auszahlung nicht beteiligt.

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In den Verhandlungen zum dritten Hilfspaket für Griechenland wurde 2015 die Bildung eines Privatisierungsfonds vereinbart. Wie beim ersten Versuch vor fünf Jahren sollen Eisenbahnen, Kraftwerke, Wasserwerke, Seehäfen, Flughäfen und Immobilien verkauft werden. Gegründet wurde eine Art Treuhandanstalt (Privatisierungsfonds TRIPED), in der die Geldgeber bestimmen. Dieses Verfahren ist mit tiefen Einschnitten in die griechische Souveränität verbunden. Die Einnahmen des Fonds aus der Veräußerung von Volksvermögen in der DDR wurden mit 50 Milliarden Euro veranschlagt. Wie bei der Privatisierung der maroden Wirtschaft durch die Treuhandanstalt handelt es sich auch bei den Zahlen für Griechenland um eine politische Fata Morgana, denn gesucht wurden und werden nicht Käufer, sondern Investoren. Das wird dauern. In der DDR mussten zunächst Katasterwesen, Verwaltung und Justiz modernisiert werden. Neben diesen Problemen gibt es in Griechenland ungeklärte Eigentumsverhältnisse und endlos dauernde Genehmigungsverfahren mit noch ungewissem Ausgang. Welche Investoren werden angesichts der jahrzehntelangen Misswirtschaft und des Investitionsstaus die erwarteten Kaufpreise zahlen? Zusätzlich müssen riesige Summen investiert und Personal abgebaut werden, um die Betriebe wettbewerbsfähig zu machen. Völlig unkalkulierbar ist das Verhalten der rabiaten Gewerkschaften, die den Besitzstand der aufgeblähten Belegschaften in den Staatsbetrieben um jeden Preis erhalten wollen. Doch ohne Personalabbau lässt sich keine Investition rentabel gestalten.

Mittlerweile liege der Zielwert aus Veräußerungen und Überlassungsverträgenlediglich bei 15 Milliarden Euro. Auch diese Prognose ist vermutlich noch zu ehrgeizig.Der griechische Finanzminister rechnet in absehbarer Zeit nur mit knapp 9 Mrd. Euro (bis 2015 = 3,5 Mrd., 2016 = 3,7 Mrd., 2017 = 1, 7 Mrd.) an Zuflüssen, die zur Hälfte in die griechische Staatskasse fließen, während der Rest für die Tilgung von Schulden vorgesehen ist. Weil die größten Positionen bereits vermarktet sind, wird sich am Ende herausstellen, dass die veranschlagten Erlöse von 50 Milliarden Euro völlig illusorisch sind. Schließlich zahlten die Italiener für die marode Staatsbahn lediglich 45 Mio. Euro und die Chinesen für 51 % der Anteile am Hafen von Piräus 280,5 Mio. Euro.

Auf Druck der Gläubiger sollen ab 2018 auch die Finanzämter gepfändete Immobilien zum Marktwert zur Zwangsversteigerung bringen. Bei dem Tabubruch von Alexis Tsipras geht es nicht mehr um die die Abwendung des Staatsbankrotts, sondern um die Eintreibung von 103 Mrd. Euro. Das sind Steuerschulden und Bankkredite, die die Griechen schon seit Jahren nicht mehr bedienen. In der ersten Runde soll es nur Unternehmen und Privatpersonen mit mehr als einer halben Mio. Euro an Schulden treffen. Darunter sind viele strategische Bankrotteure, die mehrere Immobilien besitzen und sehr wohl in der Lage wären, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Bisher nutzten sie das politische Klima, in dem Zwangsversteigerungen tabu waren. Die Ladenhüter werden am Ende wohl unter Zeitdruck verramscht. Im Bundestag war die Durchsetzung des Privatisierungsfonds der entscheidende Punkt für die Zustimmung zum dritten Hilfspaket. Die Berliner Abgeordneten hatten aber aus den Erfahrungen der DDR-Modernisierung nichts gelernt, denn die gesetzten Ziele blieben am Ende ein Wunschtraum. In Griechenland kommt erschwerend hinzu, dass es keine kapitalstarke Bundesrepublik gibt, die ihr Füllhorn ausschüttet und viele tausend Beamte oder Unternehmer schickt, die die Verwaltungen und die Unternehmen des Entwicklungslandes auf den Stand eines Industriestaates bringen.

Die griechischen Regierungen haben es seit 2010 geschafft, dass 60 Prozent der Griechen glauben, dass die Euroländer schuld an ihrer Misere sind. Die Helenen wissen nicht, was zur Lösung der Staatsschuldenkrise passiert, warum es passiert und was mit den Sparmaßnahmen erreicht werden soll. Das sind schlechte Voraussetzungen für die Hilfe zur Selbsthilfe. Mental wollen die Griechen den Wandel vielleicht gar nicht, denn sie fühlen sich als stolze Erben von Denkern und Dichtern. Trotz der Zuwendung astronomischer Zuschüsse der Eurogruppe und EU-Fördermittel wird Griechenland ein Agrarland mit historischen Sehenswürdigkeiten, viel Sonne und wunderschönen Stränden bleiben. Für Touristen ein Traum und für die Bevölkerung ein Albtraum, denn die Schulden wurden in vergangenen Jahren von korrupten Regierungen durch Misswirtschaft angehäuft.

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