“Der Sturm” feiert eine spektakuläre Premiere

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Münster – Wie bestellt: Auf die Minute genau öffneten sich am vergangenen Samstag die Schleusen des Himmels – stürmische Zeiten also an Münsters Hafen. Als sei dies Teil der Inszenierung begann die Premiere von “Der Sturm”  mit einem überraschenden Regenschauer. Das Publikum des Wolfgang Borchert Theaters nahm es gelassen bis belustigt, verstand es als eine Art Taufe.

Monika Hess-Zanger ist als Prospera von ihrem Bruder auf eine Insel verbannt. Sie sinnt auf Rache – Foto: Tanja Weidner

Die Wasserspiele auf der schwimmenden Bühne, die in der ersten Szene mit Krachen und Donner, grellen Blitzen sowie meterhohen Feuerstößen (das Theater “Titanick” ließ grüßen) höchst effektvoll und dramatisch den Untergang des Schiffes von Alonso (Jürgen Lorenzen) simulierten, wurden durch einen heftigen Regenguss begleitet, so dass zum ersten Mal gleich das ganze Besteck des gut vorbereiteten Wolfgang-Borchert-Theaters zum Einsatz kam. Aber: Keine Hektik, Unruhe oder gar Panik brachen aus. Die Zuschauer hüllten sich in die kostenlos bereitgestellten Regencapes und wärmten ihre Sitzflächen und Beine mit Decken, die man gegen ein Pfand ausleihen konnte. Danach standen sowieso nur Staunen, Spaß und Begeisterung über ein überaus spielfreudiges Ensemble und eine grandiose, spektakuläre Inszenierung im Vordergrund. Der Schauer war über dem ebenso bunten Treiben wie komischen Geschehen schnell vergessen.

Jannike Schubert hält als Ariel die Fäden des Schicksals in den Händen. Statt durch die Luft reitet sie auf einem schnellen Jetski übers “Meer” herbei und setzt ihre magischen Kräfte ein – Foto: Silvia Drobny

In William Shakespeares letztem Schauspiel geht es wie so oft bei dem großen englischen Dramatiker um Macht- und Ränkespiele, Intrigen und die Liebe. Meinhard Zanger hat den englischen Originaltext von “The Tempest” für seine Inszenierung selbst übersetzt und klug auf eine zweistündige Spielzeit verdichtet, also stark gekürzt und den Text zudem mit vielen parodistischen Einlagen aufgehübscht. Das erlaubt den Schauspielern, ihre Figuren zu “überspielen”, sich ein bisschen im Klamauk zu ergehen und mit großer Lust die witzigen Überspitzungen herauszukitzeln.

Ferdinand und Miranda “fliegen” förmlich aufeinander. Miranda ist unsterblich verliebt (Bastian Seja und Rosana Cleve) – Foto: Tanja Weidner

Alleine die bezaubernde Insel mit ihrem Sandstrand, dem Kanal und den beiden Bergen sowie die witzigen Kostüme (kongenial von Darko Petrovic) boten viel fürs Auge. Vielfach in farbiges Licht getaucht und mehrfach mit feuerspuckenden Vulkanen (tolle Pyrotechnik  von Markus Hemesath) belebt, zieht Regisseur Meinhard Zanger alle Register. Schon dass während des Spiels die Hälfte des Ensembles mehr oder weniger unfreiwillig im Hafenbecken landet, bot einiges an Schauwert. Das Publikum konnte darüber lachen und zugleich ein bisschen frösteln.

Ferdinand und Miranda: Bevor sich das Liebespaar vereinigen darf, hat Propera noch einiges mit ihnen vor – Foto: Tanja Weidner

Seit zwölf Jahren wartet Prospera, Herzogin von Mailand (Monika Hess-Zanger, ganz hervorragend), auf die Gelegenheit sich zu rächen. Von ihrem Bruder Antonio wurde sie gemeinsam mit ihrer Tochter Miranda auf eine einsame Insel verbannt. Mit Hilfe des ihr unterworfenen Luftgeists Ariel (großartig mit Gesangs- und Tanzeinlagen und als wilder Reiter auf einem Jetski unterwegs: Jannike Schubert) sowie ihres wilden und missgestalteten Sklaven Caliban (wunderbar grimassierend und Augend rollend: Tatjana Poloczek), hält sie das Eiland unter ihrer Kontrolle. Die lang ersehnte Chance auf Rache naht. Als Antonio gemeinsam mit dem König von Neapel an der Insel vorbeisegelt, beschwört sie mit Zauberkräften ausgestattet und mit Hilfe der Magie von Ariel einen heftigen Sturm herauf, der das Schiff vor der Insel zerschellen lässt. Die Schiffbrüchigen retten sich auf Prosperas Insel und sind seither in ihrer Hand.

Florian Bender (li) und Tatjana Polocze spielen ganz köstlich die beiden trinkfreudigen Stephano und Caliban – Foto: Tanja Weidner

Die Gestrandeten irren auf der Insel umher. Caliban, ein kleines, aber allerliebstes Biest mit Wuschelkopf taucht auf und beschwert sich über seine schlechte Behandlung. Ferdinand, der Sohn von König Alonso, ebenfalls unter den Geretteten verliebt sich in Miranda, die hübsche und liebenswerte Tochter von Prospera. Aber so einfach, wie die beiden sich ihre Zukunft ausgemalt haben, geht es nicht. Prospera legt ihrer Tochter und Ferdinand einige Steine in den Weg und belegt das Paar mit kaum erfüllbaren Forderungen.

Immer wieder setzt Ariel seine magischen Kräfte ein – Foto: Tanja Weidner

Auf Geheiß von Prospera mischt Ariel alle Gruppen, die auf der Insel umherirren auf und zieht die Strippen des Schicksals. Mit ihrer Magie versetzt sie die Handelnden zur rechten Zeit in Tiefschlaf, ehe sie sich gegenseitig Gewalt antun können. So rettet Ariel auch Alonso das Leben.

Wenn Antonio (Bernd Reheuser) zum Degen greift ist höchste Gefahr geboten. Ariel muss wieder einmal eingreifen, sonst übernimmt am Ende der Tod das Geschehen – Foto: Tanja Weidner

Und da ist da noch das muntere und höchst trinkfreudige Duo aus Trinculo, einem Diener vom Schiff, und dem Schiffs-Stewart Stephano. Sie tun sich mit dem genussfreudigen Caliban zusammen und leeren nach und nach das Weinfass, das sie aus dem Schiffswrack haben retten können.

Prospera stimmt am Ende der Verbindung zwischen Miranda und Ferdinand zu – Foto: Klaus Lefebvre

Immer ist es der dienstbare Geist Ariel, der im Auftrag von Prospera Schicksal spielt. Er hofft auf die Freiheit, wenn es ihm endlich gelingt, die verwickelten Fäden zu entwirren. Dann, so hat Prospera dem Luftgeist versprochen, wird er befreit und aus ihren Diensten entlassen…. “Tschakka!”

Ein furioses Ende naht: Die ganze Insel im Freudentaumel – Foto: Tanja Weidner

Dass ein kleines Privattheater zu großen Leistungen fähig ist, hatte das Borchert Theater bereits vor einigen Jahren mit der Inszenierung von Shakespeares “Der Sommernachtstraum” als Open-Air-Event im nahen Gasometer unter Beweis gestellt. Jetzt hat Meinhard Zanger mit seiner Fassung von Shakespeares “Der Sturm” noch einen obendrauf gelegt. Für “Der Sturm” im Hafen wurden sämtliche Kräfte des Theaters mobilisiert und einige hinzugewonnen. Über 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf, hinter und vor der Bühne sowie auf und im (!!!) Wasser haben mit angepackt. Ein bemerkenswertes Räderwerk lief mit großer Präzision ab.

“Der Sturm” bietet in jeder Hinsicht ein Feuerwerk der großen Gefühle – Foto: Tanja Weidner

Die hohen Erwartungen wurden weit übertroffen: “Der Sturm” entfaltet einen magischen Theaterabend, der nicht nur in die Annalen des Theaters eingehen, sondern darüberhinaus in Münster und Umgebung als ein schier unglaubliches Ereignis in Erinnerung bleiben wird.

Das Schöne: Insgesamt 50 Abende En-suite erlauben es, dass bis zu 40.000 Zuschauer dieses magische Spektakel erleben dürfen. Aktuell sind bereits 31 Vorstellungen komplett ausgebucht.

Unsere dringende Empfehlung: Hingehen und sich von tollen Bildern und Szenen berauschen lassen! (Jörg Bockow)

WBT Wolfgang Borchert Theater / Am Mittelhafen 10 / 48155 Münster

Telefon 0251 – 40019

www.wolfgang-borchert-theater.de

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