Galerie Laing zeigt “Passion Mensch”

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Münster – „Suche Frieden“ lautet das Leitwort für den 101. Deutschen Katholikentag, der vom 9. bis 13. Mai 2018 in Münster stattfinden wird. Münster wurde zur Friedensstadt, nachdem im grausamsten Krieg der frühen Neuzeit über drei Jahrzehnte hinweg Millionen Menschen hingeschlachtet, ganze Länder Europas verwüstet worden waren und man 1648 hier Frieden schließen konnte.

Otto Pankok: Maria mit dem Toten, Pieta aus :Die Passion”, 1933, Kohlezeichnung

Geradezu passend zum Programm des Katholikentages wird ab dem 8. Mai in der Galerie Laing am Hafen in Münster eine Ausstellung zu erleben sein, die in ausgewählten Exponaten aus dem insgesamt 60 Kohlezeichnungen umfassenden Zyklus „Die Passion“ des gesellschaftspolitisch zeitlebens ambitionierten Malers, Grafikers und Bildhauers Otto Pankok (1893–1966) eine thematisch korrespondierende künstlerische Auseinandersetzung aufzeigt mit dem skulpturalen Kreuzweg „Der geschundene Mensch“ des international wohl bekanntesten ehemaligen Schüler Pankoks: Günther Uecker (*1930).

Otto Pankok: Sie nageln ihn ans Kreuz aus :Die Passion”, 1933, Kohlezeichnung

Dieses außergewöhnliche Ausstellungsprojekt – konzipiert in enger Kooperation mit dem Otto-Pankok-Museum Hünxe – ist in einem besonders ausgeprägten zeitgeschichtlichen Kontext der Stadt Münster zu sehen: Pankoks Passions-Zyklus gilt in seiner großangelegten Dimension als Hauptwerk des Künstlers, das unter gesellschaftspolitischen Vorzeichen in der Anfangsphase des Nationalsozialismus entstand.

Günther Uecker: Wald hängender Steine aus “Der geschundene Mensch”, 1992, Asche, Leim, Steine, Leinen, Holz

Der umfangreiche und bildgewaltige Zyklus wurde auf Initiative des Westfälischen Kunstvereins unter dessen Vorsitzendem, dem seinerzeit an der Universität Münster lehrenden Kunsthistoriker Martin Wackernagel (1881–1962), im Dezember 1935 in Münster erstmals vollständig präsentiert und daraufhin von den nationalsozialistischen Machthabern diskreditiert. Somit hatte die Präsentation des gesamten Zyklus in Münster eine besondere Brisanz, riefen die expressiven Kohlezeichnungen mehr als deutlich Assoziationen zwischen dem Leiden Christi und dem Schicksal des durch die NS-Schergen verfolgten Künstlers hervor; Pankok hatte mit dem Passions-Zyklus seine Überzeugung, „das Einzelne zu einer symbolischen Form des unbegreifbar Allgemeinen“ zu entwickeln zum „Ausdruck des humanen Gehalts der Welt“ (Bernd Küster) gebracht. Mit geradezu revolutionärer, gegen den Nationalsozialismus aufbegehrender Kraft stellte der teils von den braunen Machthabern in die Ausstellung „Entartete Kunst“ verbannte Passions-Zyklus die Neuformulierung eines Christusbildes dar, bei dem Jesus im Spiegel des Künstlers nicht nur als „Bruder der Armen und Verstoßenen“, sondern auch als „Bruder der Verfolgten und Gefangenen“ Gestalt annahm. Pankoks Christusbild entsprach gleichsam einem Friedens-Engagement, das 1951 vorangetrieben wurde in dem berühmten Holzschnitt „Christus zerbricht das Gewehr“; dieses Bildnis wurde bezeichnenderweise in den 1980er Jahren für die Friedensbewegung zu einem markanten Symbol mit hohem Wiedererkennungswert, das in farblicher Variante schließlich sogar am 15. Juni 1981 als Titelbild des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ erschien.

Günther Uecker: Chichicastenango-Boot, 1980, Installation

Der Holzschnitt „Jesus zerbricht das Gewehr“ hat als provokantes Zeichen eines leidenschaftlichen Pazifismus zudem eine entscheidende Schlüsselfunktion, der im Rahmen des Ausstellungsprojektes in Verbindung mit Pankoks „Passion“ eine besondere Bedeutung zukommt, da die Werkschau eine thematisch-konzeptionelle Brücke zu Uecker als einem der bedeutendsten Objektkünstler der Gegenwart schlägt. Dass der nachhaltig durch seine reliefartigen Nagelbilder bekannt gewordene Düsseldorfer Künstler in der Nachkriegszeit den Weg an die Düsseldorfer Kunstakademie fand und dort Student von dem 1946 als Professor an das Institut berufenen Otto Pankok wurde, geht explizit auf Ueckers Begegnung mit jenem Holzschnitt „Christus zerbricht das Gewehr“ als einer Art Initialzündung zurück; aufgewachsen auf der Mecklenburger Halbinsel Wustrow, beabsichtigte Uecker nach Verlassen der DDR 1953 und einem Aufenthalt in West-Berlin an der Düsseldorfer Kunstakademie zu studieren; noch 2012 erzählte er hierzu in einem „Welt“-Interview: „Ja, da wollte ich weiter Kunst studieren, bei Otto Pankok. Den hatte ich mir ausgesucht, weil der unter den Nazis Malverbot hatte, das war ein ganz wichtiges Kriterium für mich. Und weil er linke, soziale Interessen hatte. Ich bin dann, als ich Sandbostel endlich verlassen durfte, zu ihm hin und habe ihm gesagt, dass ich in der DDR ein Bild von ihm gesehen habe, auf dem Jesus über dem Knie ein Gewehr zerbricht. Und dass mich dieses Bild so sehr beeindruckt hat, dass ich bei ihm studieren will. [… ] Er hat gesagt, ich solle wieder zurückgehen. Mit meinen Idealen würde ich im Westen nur verdorben. Da bekam ich einen Zusammenbruch. So viel geheult habe ich noch nie. Und wie ich heulte und heulte, lief er weg und kam mit einem Papier zurück, ich solle mich beruhigen, er habe mich eingeschrieben. Dann wollte er wissen, wo ich schlafe, und ich antwortete wahrheitsgemäß: ,Draußen, in den Ruinen.’ Da hat er eine Matratze besorgt und in die Klasse gelegt. Er sagte: ,Hier kannst du erst mal bleiben’. So bin ich an der Düsseldorfer Kunstakademie angenommen worden.“

Vielfach von Uecker persönlich in Texten und Gesprächen bekundet, weist der gesellschaftspolitische Anspruch seiner ihm eigenen künstlerischen Ideenwelt zahlreiche Korrespondenzen und Parallelen auf zu seinem ehemaligen Lehrer Otto Pankok – den Uecker im persönlichen Gespräch mit den Ausstellungsorganisatoren gar als seinen „erwählten Vater“ tituliert hat. Das Leitmotiv des 101. Katholikentags in Münster 2018 „Suche Frieden“ gilt für Leben und Werk Otto Pankoks und Günther Ueckers gleichermaßen; beide Künstler sind im wahrsten Sinne „Suchende“ des Friedens und versuchen ihn mit und in ihrem Schaffen zu finden.

Eine künstlerische Ambition der Ausstellung besteht darin, erstmalig die gesellschaftlich-sozialen Bezugs- und Brennpunkte von Uecker und Pankok als Humanisten und „Brüder im Geiste“ darzustellen: So entsprechen sich die zyklisch großdimensionierten Werke wie Pankoks „Passion“ und Ueckers skulpturaler „Kreuzweg“ mit dem Titel „Der geschundene Mensch“ in geradezu kongenialer Weise als quasi künstlerisch ineinandergreifender Themen-Komplex, der bis dato so noch nie gezeigt wurde.

Galerie Laing / Hafenweg 46 / 48155 Münster

Telefon 0251 – 77793145

www.galerie-laing.com

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