Münster – Die Stadt Münster realisiert in der barocken Dominikanerkirche ein eigens für dieses Gebäude entworfenes Werk von Gerhard Richter. Es besteht aus einem Foucaultschen Pendel, das in der 29 Meter hohen Vierungskuppel der Kirche installiert wird, und vier großen hochrechteckigen Glastafeln. Diese werden paarweise an den der Vierung gegenüberliegenden Wänden angebracht. Bis zum Frühsommer 2018 werden die Arbeiten am Gebäude sowie die Herstellung und Installation des Kunstwerkes abgeschlossen sein. “Dann wird das Baudenkmal als neuer Kunstraum im Zentrum der Stadt dauerhaft für die Öffentlichkeit zugänglich sein”, sagte Oberbürgermeister Markus Lewe. Er dankte dem Künstler, der die Arbeit der Stadt schenken wird.
“Dieses Geschenk ist eine unschätzbare Ergänzung und ein Impuls für den Kunst- und Kulturstandort Münster”, stellte die Kulturdezernentin Cornelia Wilkens heraus. Das Kunstwerk sichere zugleich die Erhaltung und Nutzung des Kirchengebäudes, das im Besitz der Stadt ist. Zuletzt wurde es bis zur Profanierung am 12. November 2017 von der katholischen Universitätsgemeinde genutzt. In Absprache mit dem Künstler wird das Gebäude ausdrücklich nicht musealisiert. Vielmehr wird die Stadt ein Konzept zur Nutzung etwa für Konzerte, Vorträge, Lesungen und andere Veranstaltungen ausarbeiten.
Die Realisierung eines Foucaultschen Pendels ist seit langem ein Anliegen von Gerhard Richter. Jetzt fand sich dafür ein geeigneter Ort. “Als ich dieses sehr schöne Bauwerk sah, war ich sofort begeistert und überzeugt, dass das der richtige Ort für das Pendel ist”, erläuterte der Künstler seine Entscheidung, die Arbeit der Stadt Münster als Geschenk anzubieten. “Wenn uns das alles so gelingt wie geplant, wäre das großartig. Ein Geschenk auch für mich”, so Gerhard Richter (am Donnerstag, 30. November) bei einem Ortstermin in der Kirche. Verantwortlich für die Realisierung sind die beiden Kuratoren Dr. Kirkpatrick (Leiterin der Kunsthalle Münster) und Marcus Lütkemeyer. Projektkoordinator im Amt für Immobilienmanagement der Stadt ist Andreas Tschöpe.
Ohne sich an anderen Himmelskörpern zu orientieren, gelang dem französischen Physiker Léon Foucault 1851 der Nachweis, dass sich die Erde in unserem Sonnensystem um sich selbst dreht. Nach Wiederholung seiner Versuchsanordnung im Pantheon in Rom erkannte die katholische Kirche seinerzeit erstmals das heliozentrische System Galileis und Newtons an.
In der Dominikanerkirche erfolgt diese anschauliche Demonstration der Erdrotation mit einem Pendel, das aus einer Metallkugel besteht, die an einem 20 Meter langen Seil hängt. Die Kugel schwingt über einer kreisrunden Bodenfläche, die etwa vier Meter Durchmesser haben wird. Eine eigens entwickelte Elektronik im Zentrum unter dieser Schwingungsebene hält über Magnetismus das Pendel in Bewegung. Während es ununterbrochen schwingt, dreht sich die Ebene unter der Kugel infolge der Erdrotation langsam nach Osten. Pro Stunde beträgt die Drehung rund zwölf Grad. Eine volle Umdrehung um 360 Grad, die einem Sternentag entspricht, dauert in Münster 30 Stunden. Die Dauer der Drehung hängt von der Lage des Ortes auf der Erde ab.
Die Bodenplatte mit der Schwingungsfläche wird sich an der Stelle des bisherigen Altartischs im Zentrum unter der Vierungskuppel befinden. Voraussichtlich wird sie mit einer niedrigen Glasbalustrade eingefasst.
Für die Nord- und die Südwand unter der Kuppel werden vier 1,3 mal vier Meter große Glastafeln angefertigt. Die Tafeln werden jeweils paarweise so vor der Wand angebracht, dass der Eindruck entsteht, sie würden vor der Wand schweben. Rückseitig sind die Tafeln emailliert. Jede zweite Tafel ist auf der Vorderseite mit einer Spiegelschicht bedampft. In den Glastafeln spiegeln sich die Bewegungen des Pendels, der Kirchenraum und die Besucher. Durchsichtige, farbige und graue Glasflächen spielen im Schaffen von Gerhard Richter eine wesentliche Rolle. Ein Beispiel ist die bekannte, in ihren Ausmaßen monumentale Arbeit “Schwarz, Rot, Gold” (1999) im Reichstagsgebäude in Berlin.
Mit der Realisierung des neuen Kunstraums sind auch die Weichen für die Sanierung und künftige Nutzung des Denkmals gestellt. Unter anderem müssen die Gebäudetechnik (Elektroinstallation, Heizung, Lüftung, DV-Verkabelung, Beleuchtung) erneuert und Sanitäranlagen geschaffen werden. Die umfangreichen Sanierungs- und Bauarbeiten können voraussichtlich im Jahr 2019 erfolgen. Während dieser Bauphase muss die Kirche vorübergehend für das Publikum geschlossen werden.
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