Münster – Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) zeigt vom 11. November 2016 bis 19. März 2017 in seinem LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster Plastiken und Zeichnungen des britischen Bildhauers Henry Moore. Die Ausstellung “Henry Moore. Impuls für Europa” ist die umfangreichste Werkschau des Künstlers in Deutschland seit fast 20 Jahren. Im Interview spricht die Kuratorin Dr. Tanja Pirsig-Marshall über das Thema und die Herausforderungen der Ausstellung.
Frage: Tanja Pirsig-Marshall, Sie arbeiten seit 2010 als Kuratorin der Moderne am LWL-Museum für Kunst und Kultur und haben zuvor an diversen Museen in Deutschland und Großbritannien gearbeitet. Wann haben Sie sich erstmals mit den Arbeiten von Henry Moore beschäftigt?
Pirsig-Marshall: Die Arbeiten von Henry Moore begegnen mir ständig, sie sind in England im öffentlichen Raum sehr präsent – gerade auch in London, wo ich zeitweise lebe. Seine Arbeit “Knife Edge Two Piece” steht dort zum Beispiel direkt vor dem Parlamentsgebäude. Erstmals intensiv habe ich mich mit Henry Moore auseinandergesetzt, als ich Kuratorin am Nationalmuseum in Cardiff war, wo ich zwei seiner Zeichnungen für die Sammlung ankaufen konnte. Als Ausstellungskuratorin für die Leeds Art Gallery war ich – vor meinem Wechsel nach Münster – für die Übernahme der Moore Ausstellung zuständig, die zuvor in der Tate Britain und in Toronto zu sehen war.
Frage: Wie ist es zu der Idee gekommen, Henry Moore eine Ausstellung im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster zu widmen?
Pirsig-Marshall: Die Idee zur Ausstellung hat sich bereits 2012 entwickelt, als wir Themenvorschläge für die erste große Sonderausstellung nach der Neueröffnung gesammelt haben. Das Museum hat 1976 die Plastik “Working Model for Stone Memorial” erworben, die in Anwesenheit von Moore übergeben wurde. Auch seine Plastik “Großer Wirbel” vor dem Gebäude der LBS am Aasee ist vielen Menschen bekannt. Sie wurde 1977 im Rahmen der ersten Skulptur Projekte Münster errichtet. Die Bezüge zwischen dem Künstler, der Stadt Münster und dem LWL-Museum haben wir als Anregung für die Ausstellung aufgegriffen. 40 Jahre nach seinem ersten Besuch im Museum holen wir Moore für die Ausstellung gewissermaßen noch einmal nach Münster.
Frage: Was ist der thematische Dreh- und Angelpunkt, das Hauptthema dieser Ausstellung?
Pirsig-Marshall: Im Mittelpunkt steht die Frage, warum gerade Moore ein Künstler war, an dem sich viele andere Künstler orientieren konnten oder auch gestoßen haben. Einige haben seine Anregungen zur modernen Skulptur aufgegriffen, andere haben sich radikal von ihm und seiner Idee von Abstraktion abgewandt. Zum Beispiel Brigitte Matschinsky-Denninghoff: Nachdem sie ein Buch über die Skulpturen von Moore geschenkt bekam, stellte sie fest, dass sie ihre ganze Idee von Skulptur neu denken musste. Oder Bernhard Heiliger: Er streitet zeitlebens eine Beeinflussung durch Moore ab und doch sind Parallelen zwischen den Werken der beiden Künstler deutlich zu erkennen. Die Ausstellung in Münster zeigt in 120 Werken von 18 Künstlern, dass Henry Moore für die Bildhauerei der Nachkriegszeit ein wichtiger Impulsgeber war.
Frage: Welche Herausforderung bringt diese Ausstellung mit sich?
Pirsig-Marshall: Die größte Herausforderung ist das Gewicht einiger Leihgaben. Wir werden in der Ausstellung zehn Werke zeigen, deren Einzelgewicht über 500 Kilo liegt. Die Bodenbelastung in den Sonderausstellungsräumen im zweiten Stock des Museums muss exakt kalkuliert werden. Sockel und Hauben sind Maßanfertigungen, die Platzierung der schweren Bronzen muss im Vorfeld millimetergenau geplant werden.
Tanja Pirsig-Marshall ist seit 2010 Kuratorin der Moderne und seit 2015 stellvertretende Direktorin am LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster. Sie studierte Kunstgeschichte, Geschichte und Archäologie in Bochum und Bonn und Kunstgeschichte an der Essex-University in Colchester sowie nach ihrer Promotion 2004 Museologie in Newcastle. Sie war als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Museum Folkwang und am Ruhrlandmuseum Essen tätig und war Keeper of Art am Blackburn Museum und Art Gallery (2000), Derek Williams Kuratorin am Amgueddfa Cymru – National Museum Wales (2004-2008) und Ausstellungskuratorin an der Leeds Art Gallery (2008-2010). Neben der freien Mitarbeit am Victoria & Albert Museum in London 1999-2002 war sie als Gastkuratorin an der Kunsthalle der Hypo- Kulturstiftung in München (2002-2003) und an der Kunsthalle Krems (2005-2007) tätig. Sie ist Mitherausgeberin des Werkverzeichnisses Otto Mueller und hat zahlreiche Publikationen zu Otto Mueller und der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts verfasst.
LWL-Museum für Kunst und Kultur / Westfälisches Landesmuseum / Domplatz 10 / 48143 Münster
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