Der Kiepenkerl bloggt: Europa der Neinsager-Fraktionen

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Das war ja ‘ne schöne Bescherung. Die Deutschen schickten zahlreiche EURO-Skeptiker und Rechtspopulisten ins Europaparlament, nachdem das Bundesverfassungsgericht am 26. Februar 2014 die bisherige Drei-Prozent-Sperrklausel für die Wahlen zum Europaparlament für nichtig erklärt hatte.

Zur Erinnerung: Auf den Stimmzetteln bewarben sich folgende Parteien um die Stimmen der Bürger:

Europas Neinsager

Parteien zur Europawahl 2014

Die Wähler hatten die Qual der Wahl. In den Wahlkabinen wurden sie von einer unerwartet langen Wahlliste überrascht. So mancher kannte lediglich die etablierten Parteien. Trotzdem oder gerade deswegen ernteten die Splittergruppen auf dem Feld der Enttäuschten, obwohl sie nicht gesät hatten. Wofür oder wogegen die No-Names kämpften, war den Protestwählern egal. Sie wollten den regierenden Parteien einen Denkzettel verpassen.

Unter den 96 gewählten deutschen Abgeordneten befinden sich sieben Einzelkämpfer, die teilweise undefinierbare Interessen vertreten. Die Politiker sollten die Ergebnisse nicht auf die leichte Schulter nehmen, denn auch die Einzelkämpfer der Tea Party-Bewegung haben das Politikgeschäft in den USA komplizierter gemacht.

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Foto: Flickr / Eva Freude, CC BY-NC-SA 2.0

Früher war Europa für viele ein abstraktes Konzept. Heute wird es zunehmend von Populisten genutzt, um nationalistische Gefühle zu mobilisieren. Ältere Menschen in der Bundesrepublik befürchten bereits Weimarer Verhältnisse, denn 1928 standen 37 Parteien zur Wahl – mit den bekannten Folgen.

Deutschland war 2009 mit sechs Parteien im Europaparlament vertreten. Die Zahl erhöhte sich 2014 auf vierzehn. Unter Versorgungsgesichtspunkten können sich die sieben ins Parlament einrückenden Einzelkämpfer freuen. Doch politisch werden sie im eingespielten Räderwerk der Brüsseler Bürokratie nichts bewirken.

Parteien  Sitze
 CDU  29
 CSU  5
 Union insgesamt  34
 SPD  27
 FDP  3
 Grüne  11
Linke  7
 AfD  7
FREIE WÄHLER 1
PIRATEN 1
FAMILIE 1
Tierschutzpartei 1
NPD 1
ÖDP 1
Die PARTEI 1
Gesamtmandate  96

Deutschland hat in jüngster Zeit keine guten Erfahrungen mit Vertretern von Minderheitsinteressen gemacht. Denken wir an die „Gewerkschaft Deutscher Lokführer“ oder an die „Vereinigung Cockpit“. Beide Gewerkschaften haben nur wenige Mitglieder und verursachten trotzdem durch Streiks für überzogene Forderungen volkswirtschaftliche Schäden in Höhe von mehreren Millionen Euro. Zum Glück sind wir von solchen Blockademöglichkeiten in Brüssel noch weit entfernt.

In Europa ist das befürchtete Wahldebakel ausgeblieben. Allerdings schwächen die Abgeordneten der EURO-Skeptiker und der Rechtsradikalen in allen EU-Ländern die Gestaltungskraft und den Einfluss der etablierten Parteien in Brüssel. Doch selbst die erdrutschartigen Erfolge von Marine Le Pen (Frankreich), Geert Wilders (Niederlande, Nigel Farage (Großbritannien), Gabor Vona (Ungarn) und Timo Soini (Finnland) haben nur marginalen Einfluss auf Europa. In den verschiedenen Ländern werden die Kräfte allerdings langfristig nicht ohne Wirkung bleiben.

In Brüssel wird jetzt der Ruf laut: Neinsager aller Länder, vereinigt euch! Wenn die Euroskeptiker und die Rechtspopulisten mit Bertold Brecht zum Thema „Der Jasager und Der Neinsager“ der Tradition von Neinsagern folgen, um „das Vernünftige zu tun“, wäre dagegen nichts einzuwenden.

Warten wir ab, was unsere Volksvertreter aus den Wahlergebnissen machen. Bezeichnend ist, dass der Streit unter den Regierungschefs um den EU-Kommissionspräsidenten bereits begonnen hat, obwohl Jean-Claude Junker unerwartet schnell mit deutlicher Mehrheit vom EU-Parlament in dieses Amt des gewählt wurde.

 

 

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