Borchert Theater: Wir lieben und wissen nichts

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Westfalen –  Die ebenso explosive wie perfide Mischung ist fix angerührt. „Zwei junge Paare treffen aufeinander. Und wenn zwei Paare aufeinandertreffen, deren Beziehungen nicht stabil sind, gibt es Turbulenzen“, erklärt  der Regisseur Johannes Kaetzler lakonisch und mit leicht ironischem Understatement. Den  Zuschauer erwartet bei dem neuen Stück „Wir lieben und wissen nichts“ im Wolfgang-Borchert-Theater in Münster eine hinterhältige Beziehungskomödie.

Noch scheint die Beziehung voll in Ordnung zu sein: Sabrina vor der Sielhorst und Makke Schneider in der Rolle von Hannah und . Foto: Kyoung Jae Cho

Der drohende Umzug fördert trüben Bodensatz zu Tage: Sabrina vor der Sielhorst und Makke Schneider in der Rolle von Hannah und Sebastian. Foto: Kyoung Jae Cho

Wie bei einem sozialen Experiment hat Erfolgs-Autor Moritz Rinke die Konstellation für seine komödiantische Tragödie  zusammengestellt. Zwei Paare treffen aufeinander, um für ein paar Wochen aus beruflichen Gründen ihre Wohnungen zu tauschen. Die Ausnahmesituation befördert unterschwellige Konflikte, Wünsche, Lüste und Leidenschaften sowie ein paar unerledigte Geschäfte wie einen trüben Bodensatz zu Tage.

Noch scheint die Beziehung voll in Ordnung zu sein: Sabrina vor der Sielhorst und Makke Schneider in der Rolle von Hannah und . Foto: Kyoung Jae Cho

Sabrina vor der Sielhorst und Makke Schneider in der Rolle von Hannah und Sebastian. Foto: Kyoung Jae Cho

Zwei Paare um die 40, vier Lebensentwürfe, ein Wohnungstausch: Hannah gibt Atemkurse für gestreßte Bankmanager und plant die Zeugung ihres Kind mit einer Fruchtbarkeits-App. Ihr Freund Sebastian, erfolgsloser Kulturhistoriker und Schriftsteller, würde lieber daheim in seinem „Bewußtseinszimmer“ bleiben, statt erneut mit ihr umzuziehen und sich möglichen Störungen durch lärmige Nachbarn auszusetzen. Ihm unversöhnlich steht Roman gegenüber, der Computerfreak, der Satelliten baut, um die Menschen noch mehr miteinander zu vernetzen. Seine Frau Magdalena, Tier-Physiotherapeutin, reist ihm aus Liebe hinterher und bügelt gern seine Hemden, bis sich ihr bei einem Gläschen des Begrüßungssekts die Zunge löst.

Die beiden Frauen bringen so richtig Schwung in die Geschichte. Meret Engelhardt spielt herrlich die Rolle der leicht angetrunken  aus. Foto: Kyoung Jae Cho

Die beiden Frauen bringen so richtig Schwung in die Geschichte. Meret Engelhardt spielt herrlich die Rolle der leicht angetrunkenen Tier-Physiotherapeutin Magdalene aus. Foto: Kyoung Jae Cho

Die Schlüsselübergabe gerät zum Drama: Weltanschauungen und Beziehungskonzepte prallen aufeinander. In Gesprächen über Internetsex, Cellulite-Vorsorge und die Leistungskraft von Entsaftern brechen plötzlich Grundsatzdebatten hervor, es wird heftig geflirtet und am Ende fällt sogar ein Schuß.

Vieles ist in „Wir lieben und wissen nichts“ ein bisschen  sehr am Schreibtisch ausgedacht und am Reissbrett konstruiert, dennoch funktionieren die Dialoge perfekt. Woody Allen läßt grüßen. Es beginnt so leichtfüssig wie ein Boulevard-Stück, zumal das Bäumchen-wechsel-Dich-Spiel schnell seinen Lauf nimmt, und es endet nach der vorhersehbaren “furchtbaren” Katharsis darin, das jeder irgendwie geläutert, ganz alleine seines Weges zieht.

Ein Schuss ist am Ende unvermeidlich, obwohl er in dieser Szene nur angedeutet wird. Foto: Kyoung Jae Cho

Ein Schuss ist am Ende wohl unvermeidlich, obwohl er in dieser Szene nur angedroht und noch nicht ausgelöst wird. Foto: Kyoung Jae Cho

Johannes Kaetzler aus Hamburg hat das Stück von Moritz Rinke, das derzeit parallel an vielen Bühnen in Deutschland gespielt wird, im Wolfgang-Borchert-Theater mit ökonomischen Mitteln aber eben ganz zielsicher in Szene gesetzt, wobei ihm nach der Pause dann doch die Puste auszugehen droht. Die vier Schauspieler bringen die Charaktere mit all ihren Nuancen, Nebenaspekten, Verrücktheiten und Eigenarten wunderbar süffisant und mitunter herrlich überdreht auf die Bretter, dass es eine helle Freude ist. Das Stück bietet einen schonungslosen Blick auf die Liebe und ihre Irrwege im 21. Jahrhundert. “Alles ist miteinander vernetzt, aber die Entfernungen zwischen den Menschen werden immer größer.” Wer im Publikum möchte sich davon freisprechen?!

Wer sich also im Theater prächtig unterhalten lassen will, ist derzeit im Münsteraner Borchert Theater bestens aufgehoben, zumal das Stück bei einem Glas Wein  genügend Disskussionstoff für die anschließende Beziehungskrise  bereithält. Nur gut, dass dann dort vermutlich keine geladene Pistole bereit liegt, die das Ganze auf die Spitze treiben könnte wie im operettenhaft angelegten Ende von „Wir lieben und wissen nichts“.

Wolfgang Borchert Theater / Hafenweg 6-8 / 48155 Münster
Kartentelefon 0251 – 39907-0
www.wbt-muenster.de

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