Der Kiepenkerl bloggt: La classe stérile

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Türken und Griechen verbindet traditionell eine innige Feindschaft – nicht nur auf Zypern. Wegen der Spannungen mit dem Erzrivalen sind die griechischen Rüstungsausgaben höher als die der anderen EU-Länder. Doch nur über die Türken sind die Griechen 2001 in die Europäische Währungsunion gekommen.

Bei der Aufnahme in den Kreis der Euro-Länder schummelte Griechenland, was das Zeug hielt, und die Europäer ließen es zu. Harte Fakten zählten nicht, denn das Ergebnis war gewollt. Die Euphorie in der rot-grünen Regierung war bestimmt von dem Gedanken: „Jetzt bauen wir ein starkes Europa und wollen natürlich auch den Griechen, die aus einer Militärdiktatur gekommen sind, einen Platz darin sichern.“ Damit bewies Finanzminister Hans Eichel den Weitblick einer knienden Ameise oder eines balzenden Auerhahns.

Alimentierung ist bei den Heleenen längst zur prägenden Lebensorientierung geworden. In Jahrzehnten der Vetternwirtschaft ist ihnen die Vernunft als ureigenes Sinnesorgan abhanden gekommen. Die Fähigkeit, auf der Grundlage von Fakten zu agieren, führt ein Schattendasein.

Als sich die Begründer der theoretischen Volkswirtschaftslehre im ausgehenden 18. Jahrhundert mit den Zusammenhängen des Wirtschaftskreislaufs beschäftigten, teilten sie die Bevölkerung in drei Klassen ein:

  1. Die produktive Klasse, la classe productive,
  2. die unproduktive Klasse, la classe stérile, und
  3. die besitzende Klasse, la classe passive.

Diese Verteilungstheorie ist geprägt von der Vorstellung, dass die Wertschöpfung auf die Erwerbstätigen der classe productive zurückzuführen ist. Auch die vielen vermögenden Alten der classe passive sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Mit den Beamten, Arbeitslosen und Rentnern der classe stérile ist die Vorstellung von etwas Werteverzehrendem und zuweilen Überflüssigem verbunden.

In der griechischen Gesellschaft sind die Grenzen der dogmengeschichtlichen Klassifizierung fließend. So nehmen die Nachfahren von Zeus nicht zur Kenntnis, dass die exorbitante Staatsquote aus dem rückläufigen Bruttosozialprodukt nicht finanzierbar ist. Nach und nach kommen unglaubliche parasitäre Strukturen ans Tageslicht, die den Staat an den finanziellen Abgrund geführt haben: 750.000 korrupte und faule Beamte, 600.00 Angestellte in staatlichen Unternehmen. Dazu zählen auch Beschäftigte in hunderten von staatlichen Gremien, bei denen unklar ist, warum sie überhaupt bestehen. Oder Rentenzahlungen an tausende von Toten, Pensionen für Töchter von verstorbenen Beamten, Boni für Pünktlichkeit und 13 bis 15 Monatsgehälter. In Griechenland ist la classe stérile viel größer, als es die offiziellen Zahlen zeigen. Hinzu kommt, dass mangelnde Selbstreflekion eine Heilung verhindert. Zugegeben, die Protestierer müssen ausbaden, was korrupte Regierungen dem Land über Jahrzehnte eingebrockt haben.

Das Volk der Dichter und Denker ist über alle Klassen hinweg kreativ, wenn es darum geht, das Finanzamt zu linken, schwarze Vermögen im Ausland anzuhäufen oder illegalen Reichtum schamlos zur Schau zu stellen und zu genießen. Eine Neuorientierung ist schwierig, denn es fehlt die Bereitschaft zu mehr Effektivität in der Verwaltung und zu einem gerechten Steuersystem. 

Wenn die von der Troika der Euro-Gruppe vorgegebenen Reformen weiterhin nur halbherzig umgesetzt werden, ist Griechenland dauerhaft von Transferleistungen der Euro-Länder abhängig. Bedauerlich, dass aus den bisherigen Rettungspaketen nur die Kreditgeber bedient und kaum Strukturmaßnahmen finanziert wurden. 

Eine Art Marshallplan ist dringend erforderlich, denn Sparen allein bringt den griechischen Haushalt nicht nachhaltig in Ordnung.

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