Westfalen – Der Blick auf die Wirklichkeit könnte unterschiedlicher kaum sein. Zwei Fotografen und eine Videokünstlerin setzen sich auf ihre sehr eigene Art und aus einem künstlerischen Blickwinkel mit der Wirklichkeit auseinander. Die Kunst-Ausstellung “Augenblicke – Ansichten – Aufsichten” findet vom 17. November bis zum 12. Januar 2014 in der Otmar-Alt-Stiftung in Hamm statt. Die drei künstlerischen Statements stammen von Nikola Hamacher, Ulrich Haarlammert und Hans Blossey.
Ulrich Haarlammert fängt in seinen Collagen gewissermaßen den Lauf der Zeit ein. Die brillanten “Momentaufnahmen” sind ein Zeugnis von mehr oder weniger langen Zeiträumen. In ihnen finden Gegenwart und Vergangenheit in einer einzigen Aufnahme zusammen.
Sein künstlerisches Projekt nennt er mit kryptischer Vieldeutigkeit “Gegenwarten”. Die paradoxen Dokumente haben eine metaphysische Qualität und entfalten eine überwältigende Ästhetik. Wenn in einer Aufnahme Tag und Nacht verschmelzen, dann zeigt sich darin gewissermaßen eine neue Dimension: irritierend, geheimnisvoll und unglaublich schön.
Da fallen schon einmal Sommer und Winter auf einem Foto in einem scheinbaren “Augenblick” zusammen. In einer Aufnahme tummeln sich Jung und Alt am und in Münsters Aasee und dies mit einer Selbstverständlichkeit, dass die Paradoxie des Fotos im ersten Moment gar nicht auffällt. Denn die einen schwimmen im Wasser oder kühlen sich die Füße offenbar in sommerlicher Hitze, während zur gleichen Zeit die anderen auf dem gleichen See mit Schlittschuhen ihre Bahnen ziehen.
Und bei dem Foto “Autoscooter” wirft das Verkehrschaos auf der Kreuzung die Frage auf, wie dieses Knäuel aus Fahrzeugen überhaupt entstehen konnte. Es scheint eine perfide Choreographie dahinter zu stecken.
Die Fotos von Haarlammert bringen verschiedene Momente in ein einziges Bild, wodurch sie eine Geschichte erzählen – ganz wie in einem Film. Ulrich Haarlammert ist mit seiner Kamera auf einer Entdeckungsreise. Nur selten inszeniert er seine Story, die er dann mit seinen Objektiven einfängt, lässt Personen nach einem Skript agieren oder arbeitet mit selbstgesetzten Scheinwerfern. Meist lässt er sich überraschen, was sich durch die Aufnahmen zu unterschiedlichen Zeiten ergibt. So gesehen versteht sich Haarlammert vor allem als Künstler mit einem artifiziellen Arbeitsprozess. “Ich selbst bin kein Fotograf”, sagt Haarlammert, “und mir ist auch keiner bekannt, der ähnliche Ansätze verfolgt. Einfluss auf meine Arbeit könnte eher schon Andreas Gursky mit seinen computergestützten Fotomontagen haben.”
Videokünstlerin Nikola Hamacher spielt mit großer Virtuosität und dem ihr eigenen Charme die Möglichkeiten des Mediums Video aus. Mit Hilfe der Technik erzeugt sie magische Momente. Die kleinen Sequenzen verzaubern und irritieren den Zuschauer durch ihre ungewöhnliche Perspektive oder verblüffen durch eine frappierende Pointe. Sie machen einfach Freude und üben beim Betrachter eine neue Sichtweise und einen neuen Blick ein. Man ist als Betrachter danach wie “wachgeküsst” und schaut einfach genauer hin.
Wie einfach es doch sein kann, in seinen eigenen vier Wänden ein Becken voller Fische in den Boden einzulassen?! Dafür reichen schon ein Beamer und das kleine Video von Nikola Hamacher.
Trauen Sie ihren Augen nicht! Sie werden akzeptieren müssen, dass Ameisen mit einer überraschenden Intelligenz und einem vorbildlichen Gemeinschaftssinn ausgestattet sind. Davon können wir uns ein Scheibe abschneiden. Der Einzelne ist nichts, es zählen das Kollektiv und der Vorteil für die Gesellschaft. Wenn die Ameisen den Appell “Vamos” in einer beispiellosen Aktion abtragen Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort kommen die Betrachter aus dem Staunen nicht heraus. Alle packen mit an und im Nu ist die Arbeit getan. So geht Gemeinschaft! Verblüffend einfach und zauberhaft.
Hans Blossey, der renommierte Reporter und Luftbildfotograf aus Hamm, richtet sein Teleobjektiv gewissermaßen vom Himmel aus auf die Stadt Hamm und schießt aus seinem Fluggerät Bilder von ungewöhnlicher Schönheit und Poesie. Blossey macht Fotos, die die Stadt und das Land in ein völlig neues Licht tauchen. “Der Himmel über Hamm”. Dramatisch fliehen die Wolken über das weite Land. Wie aus Zuckerwatte erscheinen die Dunstschwaden aus den Kühltürmen der Kraftwerke. Verwirrend und doch wohl geordnet sind das Labyrinth und Netzwerk der Verkehrsadern aus Straßen und Schienen und wie eine niedliche Puppenstube liegt die Stadt vor dem Betrachter ausgebreitet. Alle Tristesse, Kälte und Rauheit der Stadt scheinen aus der Perspektive wie hinweg geblasen. Die Hammenser werden sich verwundert die Augen reiben. Aus dieser Perspektive haben sie ihre Stadt sicherlich noch nie betrachtet. Aber: Sie werden sie lieben. Und sie werden stolz sein auf ihr Stück Heimat.
Die Eröffnung der Ausstellung “Augenblicke – Ansichten – Aufsichten” findet am 17. November um 15.00 Uhr in der Otmar-Alt-Stiftung statt. Während der Vernissage stellt der Vorstand der Stiftung, Dr. Jörg Bockow, die drei Künstler vor und erläutert ihre Arbeiten.
Otmar-Alt-Stiftung / Obere Rothe 7 / 59071 Hamm-Norddinker
Telefon 023 88/21 14 www.otmar-alt.de
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