Prädikat unbedingt sehenswert

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Detmold – Landestheater Detmold brilliert mit einer überzeugend schlanken Turandot-Inszenierung. Wem irgendwann in grauer Vorzeit der Name Luciano Pavarotti untergekommen ist, der hat auch Bekanntschaft mit der Arie “Nessun dorma” (niemand schlafe) gemacht. Seine Stimme und seine Interpretation aus den 80er Jahren sind bis heute untrennbar mit dieser Arie verbunden, und das wird auch so bleiben. Zum Glück sind die Zeiten vorbei, in denen man jede Turandot-Inszenierung hieran gemessen hat.

Landestheater Detmold

Dem Landestheater Detmold ist eine sehr zeitgemäße Turandot-Inszenierung gelungen. – Foto Matthias Jung

 

Das Landestheater Detmold hat in seiner aktuellen Spielzeit diese letzte große Oper von Giacomo Puccini auf den Spielplan gesetzt. Man hätte auch noch ein Jahr warten können, und wäre dann mit dem Datum der 100-jährigen Uraufführung konform gegangen. Auf der anderen Seite würdigt die Detmolder Oper auf diese Weise den 100. Todestags Puccinis, der nämlich vor der Vollendung dieser Oper gestorben ist und folglich auch die Uraufführung nicht mehr erleben konnte.

Puccini ist vor der Vollendung gestorben

Da aber die Opernwelt keinesfalls auf dieses letzte Meisterwerk Puccinis verzichten wollte, haben sich ganz unterschiedliche Schlussoptionen ergeben. Manche Häuser spielen Turandot in der Ursprungsfassung ohne richtigen Schluss. Die meisten Häuser und auch Detmold entscheiden sich für die Fassung mit dem Schluss von Franco Alfano, den der Verlag nach Puccinis Tod mit der schnellen Fertigstellung der Oper beauftragt hatte. Aber es gibt auch noch andere Final-Kompositionen. Immer wieder haben sich Komponisten mit der Fertigstellung der Turandot befasst.
Genauso offen wie das musikalische Ende ist auch das Libretto. Zwar lag das noch zu Lebzeiten vor, aber Puccini war damit nicht zufrieden und haderte darum auch mit seiner musikalischen Fertigstellung. Auch hier ist jede Turandot-Inszenierung eine immer wieder spannende Wundertüte. Das Landestheater Detmold hat den Schlussspagat psychologisch stimmig hinbekommen, was man nicht von jeder Turandot-Produktion behaupten kann. Hier haben Regisseur Holger Potocki und Dramaturgin Anna Neudert sehr gut zusammengearbeitet.

Inszenatorisch, musikalisch und gesanglich ist dem Landestheater Detmold eine Turandot-Produktion gelungen, die das Prädikat unbedingt sehenswert verdient. Regisseur Potocki erschafft eine Welt einer sterilen Diktatur mit dem 50-köpfigen Opernchor als unterdrücktes Volk. Und dieser Chor ist das wahre Gold der Detmolder Oper. Er ist Spielmasse und Stimmfluss, gehorcht der Regie ebenso wie dem Dirigenten Per-Otto Johansson, der dem Detmolder Symphonischen Orchester einen sehr ausgewogenen und samt dunklen Ton entlockt.

Tenor Ji-Woon Kim gelingt Jahrhundert-Arie

Eine glückliche Hand hat das Detmolder Landestheater auch mit seinen Solisten bewiesen. Tenor Ji-Woon Kim ist die Rolle des Calaf auf den Leib geschneidert. Dort, wo Pavarotti auf großes Pathos gesetzt hat, geht Kim mit einer überraschenden Schlankheit und Lässigkeit durch diese Jahrhundert-Arie, ohne ihr den Zauber zu nehmen. Das liegt an Kims überragender Gesangstechnik. Bei ihm klingen selbst schwierigste Passagen, wie aus dem Handgelenk geschüttelt. Seit fünf Jahren ist Kim eine Säule im Ensemble des Detmolder Landestheaters.

Erstmals in Detmold zu sehen ist die ukrainische Sopranistin Oksana Kramareva in der Rolle der Turandot. Mit ihrem kraftvollen und bisweilen wuchtigen Sopran und ihrer einnehmenden Bühnenpräsenz hat sie sich mit dieser Premierenproduktion auf Anhieb ins Herz des Detmolder Opernpublikums gespielt.

Bis zum 24. April wird Turandot mit Unterbrechungen in Detmold gespielt. Am schönsten ist es natürlich, die Inszenierung vor Ort in dem 110 Jahre alten, pittoresken Opernhaus zu erleben. Aber Turandot geht auch auf Tournee. Bereits am Samstag, 23. September, steht Turandot in Herford (19 Uhr) im Stadttheater auf der Bühne. Am Dienstag, 26. September (19.30 Uhr), gibt es ein Gastspiel im Münsterländischen Coesfeld. Am Mittwoch, 7. Februar, darf sich Gütersloh auf einen Besuch der Detmolder Oper freuen. Alle Termine und Karteninfos:www.landestheater-detmold.de

 

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