“Don Quijote” reitet durchs Borchert Münster

„Don Quijote“, die Geschichte vom “Ritter von der traurigen Gestalt” und dessen gewitztem Knappen Sancho Pansa erleben auf der Bühne des Wolfgang Borchert Theaters in Münster ihre weltbekannten Abenteuer – vom Kampf gegen übermächtige Riesen, bösartige Zauberer und blutrünstige Heere. Sie reiten von Schlacht zu Schlacht – über die Bühne auf ihren wundervollen Steckenpferden mit einem eingängigen, rhythmischen Hufgetrappel. Alles für die Gerechtigkeit, den Heldenmut und die Ritterlichkeit, ganz so wie es der erfolglose Hidalgo aus La Mancha bei seiner Lektüre aller Ritterromane gelesen und in sich als Vorbild aufgesaugt hat. Und möge am Ende die Angebetete Dulcinea Del Tobosco auf ihren Ritter stolz sein und ihm ihre unermessliche Liebe schenken…

"Don Quijote" reitet durchs Borchert Münster

“Don Quijote” am Wolfgang Borchert Theater in der Bearbeitung von Luisa Guarro mit Alessandro Scheuerer und Florian Bender – Foto Klaus Lefebvre

Der zweitteilige Roman „Don Quijote“ des spanischen Autors Miguel de Cervantes gilt als eines der bekanntesten Bücher der Weltliteratur: Jeder kennt die beiden ungleichen Protagonisten. Sie sind als komisches Paar zu Ikonen geworden. Vielleicht sogar Vorbilder für Komikerpaare wie Stan und Ollie, wie Pat und Patachon. Der Kampf gegen die Windmühlen ist sogar zum geflügelten Wort geworden. Er ist das Synonym für ein schier aussichtsloses Unterfangen.

"Don Quijote" reitet durchs Borchert Münster

“Don Quijote” am Wolfgang Borchert Theater in der Bearbeitung von Luisa Guarro mit Florian Bender und Alessandro Scheuerer – Foto Tanja Weidner

Indes ganz so viele Leser wie Exemplare, die bis heute von dem „literarischen Werk der Superlative“ gedruckt wurden, gibt es wohl nicht. Dabei gilt „Don Quijote“ als der am häufigsten verkaufte Roman der Welt und steht an Platz vier der weltweiten Bestenliste, hinter der Bibel, dem Koran und dem „Roten Buch“, den Worten des Vorsitzenden Mao Tsetung.

Die Geschichte um den glücklosen Ritter aus La Mancha hat bis heute zahllose Künstlerinnen und Künstler, Autoren, Tänzer und Musiker inspiriert und zu eigenen Interpretationen angeregt. Die „Abenteuer des Don Quijote“ ist ein Stoff, dem wohl niemals die Puste ausgeht. Jede Zeit findet einen eigenen und neuen Zugang. Kaum ein Kreativer, der sich nicht irgendwann einmal mit den Helden der Geschichte befasst hätte.

"Don Quijote" reitet durchs Borchert Münster

“Don Quijote” am Wolfgang Borchert Theater in der Bearbeitung von Luisa Guarro mit Florian Bender uns Alessandro Scheuerer  – Foto Tanja Weidner

Es gibt ungezählte Lesarten und Möglichkeiten diese einzigartige Geschichte und ihre Metaphorik zu interpretieren. Meistens geht es um den Wahn und die Illusion, die unser Handeln antreiben und nicht zuletzt in einer Art Metabetrachtung, die auch im Buch schon angelegt ist, um die Bedeutung der Literatur und der niedergeschriebenen Geschichten, die uns zu den verrücktesten Tätigkeiten motivieren.

“Don Quijote” am Wolfgang Borchert Theater in der Bearbeitung von Luisa Guarro mit Erika Jell – Foto Klaus Lefebvre

In der klugen, temporeichen Bearbeitung von Luisa Guarro verwandelt sich der „Don Quijote“ in einen ebenso unterhaltsamen wie geistreichen Theaterabend. Luisa Guarro zieht alle Register des Theaters und gewinnt dem Drama bei allem Spaß und mit spektakulären Showeffekten auch ein neues Verständnis ab. Ihr geht es um den Frieden.

“Don Quijote” am Wolfgang Borchert Theater in der Bearbeitung von Luisa Guarro mit Erika Jell und Alessandro Scheuerer – Foto Tanja Weidner

Luisa Guarro entfacht mit ihren grandios agierenden Schauspielern ein nicht enden wollendes Feuerwerk an Theatereffekten. Die Bandbreite reicht vom rasanten Slapstick bis hin zum brachialen Schlachtgetümmel. Wunderbar, wenn Don Quijote gegen den schwarzen Riesen kämpft und sehr zum Überdruss der Wirtin statt dem Riesen den Kopf abzuschlagen ein Schlauch voller Rotwein köpft, der sich als ein rot-glitzernder Konfettiregen über die Bühne ergießt. Wunderbar das Bild, wenn Sancho Pansa seinem Wunschtraum erliegt und als Statthalter der Herzogin eine „nicht unbeträchtliche Insel“ übernimmt und auf einem überdimensionierten Stuhl auf der Bühne Platz nimmt und mit seiner Bauerschläue so lange gerechte Urteile fällt bis der Feind die Insel angreift. Dann nimmt der kluge Sancho Pansa doch lieber nach der Devise „Der Klügere gibt nach!“ Reißaus.

“Don Quijote” am Wolfgang Borchert Theater in der Bearbeitung von Luisa Guarro mit Erika Jell – Foto Klaus Lefebvre

Hinzu kommen die unglaubliche Spielfreude von Alessandro Scheurer (als martialisch agierender Don Quijote de la Mancha), Florian Bender (als gewitzter Bauer und zugleich treu ergebener Sancho Pansa) und Erika Jell gleich in einer Handvoll verschiedener Rollen (wunderbar als aufgebrachte „schlagfertige“ Wirtin, Dulcinea und Prinzessin). In weiten Teilen brilliert Florian Bender als Sancho Pansa im trockenen, mitunter sarkastischen Wortgefecht und Schlagabtausch mit seinem Herrn. Auf diesem Sancho Pansa liegt das Hauptgewicht der Inszenierung. Seinem Schalk, seinem Charme und seiner Pfiffigkeit unterliegen alle Figuren – und letztlich auch das Publikum.

"Don Quijote" reitet durchs Borchert Münster

“Don Quijote” am Wolfgang Borchert Theater in der Bearbeitung von Luisa Guarro mit  Florian Bender – Foto Klaus Lefebvre

Nach unzähligen verlorenen Schlachten durchschaut Don Quijote im Angesicht des Todes seinen Wahn und kommt zu einer göttlichen Erleuchtung. Seine Heldenreise endet in einer endgültigen, schmerzlichen Niederlage, die ihn aber zu einer Art Einsicht bringt. „Lächerlich und wahnsinnig war ich, ebenso lächerlich und wahnsinnig ist jeder, der glaubt, es könne solche Menschen geben, die das Recht haben, über ihr eigenes Leben und das der anderen zu verfügen, als ob das Leben nicht das höchste Gut wäre.“ Don Quijote kommt zu der Erkenntnis: „Frieden, ein gepriesenes Ziel, ist kein Waffenstillstand oder ein sich gegenseitig argwöhnisches Bewachen, kein Gleichgewicht zwischen bewaffneten Kräften. Der Frieden ist etwas Höheres und Heiliges und wohnt im kindlichen, unbewaffneten Herzen, das auf die Güte der Menschen vertraut.“

“Don Quijote” am Wolfgang Borchert Theater in der Bearbeitung von Luisa Guarro mit Florian Bender – Foto Klaus Lefebvre

Damit gibt Don Quijote seinem treu ergebenen Knappen eine Aufgabe mit auf den Weg: Er möge im Dienst des Friedens weitermachen und die Kunde in die Welt tragen, dass falsche Propheten und falsche Wahrheiten mörderisch sein können. In Zeiten des Krieges erwächst die Erkenntnis, dass Helden, Waffenrasseln, Kriegsgeschrei und Mordlust keinen Platz in der Welt haben dürfen.

Das ist in den Augen der Autorin Luisa Guarro der Kern der zeigemäßen Fassung des Don Quijote: Der Held verzichtet „vor seinem Tod, göttlich erleuchtet, auf die fixe Idee, ein Held zu werden, und nimmt seinen richtigen Namen an: Alonso Quijano, bekannt als ‚der Gute‘. Und in unserer Version setzt Sancho Pansa, der einfache und unbewaffnete Mann, mit seinem Durst nach Gerechtigkeit seine Reise um die Welt fort, als Hüter und Zeuge der Wahrheit, in die ihn Don Quijote vor seinem Ende eingeweiht hat.“ Die Schlussszene des Stückes bleibt im Gedächtnis haften. Ein wundervolles Bild! Sancho Pansa reitet mit einem versöhnten Lächeln der Zukunft entgegen. Das macht Hoffnung.

Luisa Guarro did a very good job! (Jörg Bockow)

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