GesundZentrum in Bielefeld mit aktueller Technik

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GesundZentrum in Bielefeld mit aktueller Technik: Bett mißt im neuen GesundZentrum Bielefeld den Puls ganz eigenständig.

Bett mißt im GesundZentrum den Puls

Der interdisziplinäre Forschungsverbund „CareTech OWL“ der FH Bielefeld macht im GesundZentrum digitalisierte Technik für das Gesundheitswesen erlebbar – Foto P. Pollmeier/FH Bielefeld

Im neuen GesundZentrum am Südring in Bielefeld Brackwede können Pflegebedürftige, ihre Angehöri­gen und Pflegepersonal interdisziplinär entwickelte Technologien für das Gesundheitswesen aus dem Forschungsverbund CareTech OWL erleben.

Der Roboterarm am Pflegebett reicht das Telefon per Sprach­steuerung an oder assistiert bei Pflegehandlungen. Das intelligente Zuhause erkennt Alltagsroutinen und schlägt bei Abweichungen Alarm. Das mit Sen­soren ausgestattete Bett übermittelt Vitaldaten eines Patienten und meldet sich, wenn die Gefahr droht, wundzuliegen. Digitalisierte Technik, wie sie im Rahmen des interdisziplinären Forschungsverbunds der Fachhochschule (FH) Bielefeld „CareTech OWL“ entwickelt wird, kann sehr praktische Hilfen im Ge­sundheitswesen bieten.

„Im Bereich der Assistenztechnologie wird seit 20 Jahren intensiv geforscht, aber noch immer kommt viel zu wenig intelligente Technologie in der Praxis an“, berichtet Prof. Dr. Udo Seelmeyer vom Fachbereich Sozialwesen an der FH, einer von vier CareTech OWL-Sprecher*innen. Das soll sich durch die Mit­wirkung des FH-Forschungsteams im GesundZentrum ändern. Das Ziel ist es, Forschung anschlussfähig für die Umsetzung in der Praxis zu machen. Und im besten Fall mit Partnern aus der Wirtschaft einem Prototyp zur Marktreife zu verhelfen. „Wir wollen mit unserer Forschung in die Praxis hinein gehen“, be­tont Prof. Seelmeyer.

Forschung erlebbar machen, Orientierung im Pflegedschungel bieten

Genau das passiert am Bielefelder Südring. Das GesundZentrum unter dem Dach der PVM Patienten Versorgung Management GmbH will gemeinsam mit der Expertise seiner Partner aus dem Gesundheitswesen Orientierung im Pfleged­schungel bieten, Menschen bei ihren Fragen rund um die Themen Gesundheit, Pflege und Versorgung ganzheitlich beraten und Lösungen für ihre täglichen He­rausforderungen finden. Mit im Boot sind neben CareTech OWL unter anderem die Stadt Bielefeld mit ihrer kostenfreien Pflegeberatung, Ärztenetz Bielefeld e. V., Fachfirmen für Medizinprodukte zum Beispiel zur Sauerstoff- und Inkonti­nenzversorgung, Anbieter von Bewegungs- und Ernährungskursen, Bethel regi­onal und weitere Unterstützer. Dazu gehören auch Handwerksbetriebe, die bei der Umgestaltung des häuslichen Umfelds im Pflegefall oft unerlässlich sind.

In den Räumlichkeiten eines ehemaligen Mode-Outlets ist mit dem GesundZen­trum auf 750 Quadratmetern eine beispielhafte Beratungs- und Erprobungs­fläche entstanden. „Zusammen mit unseren Partnern haben wir nun einen Ort, an dem sich die Bürgerinnen und Bürger sowie Beteiligte am Gesundheitswe­sen informieren und austauschen können“, sagt PVM-Geschäftsführer Markus Wendler. „Wir können hier Fragen und Bedarfe der Pflegebedürftigen aufneh­men und an die Forschenden weiterleiten.“ Von diesem Austausch profitiert die Wissenschaft und erhält – so die These – neue Ideen für eine bedarfsorientierte Forschung.

Smart Home für Pflegebedürftige: Die eigenen vier Wände werden intelli­gent

Wie assistive Technologien im häuslichen Kontext funktionieren, zeigt die „Erle­benWelt“ im GesundZentrum. In einer komplett ausgestatteten Musterwohnung können sich Pflegebedürftige, ihre Angehörigen und Fachkräfte aus der Gesund­heitsbranche nicht nur zu Hilfsmitteln, Dienstleitungen, Fördermöglichkeiten beraten lassen, sondern alles gleich auch selbst testen.

Bett mißt im GesundZentrum den Puls

CareTech OWL bündelt die an der FH Bielefeld vorhandenen interdisziplinären Forschungs- und Entwicklungsexpertisen von Gesundheits-, Sozial-, Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften – Foto P. Pollmeier/FH Bielefeld

Die meisten Menschen möchten ihren Alltag möglichst selbstständig gestalten können. Menschen mit Behinderung und Ältere brauchen dabei je nach gesundheitlicher Situation aber Hilfestellungen. Auch für Angehörige bleibt oft eine große Unsicherheit, ob es der zu pflegenden Person allein daheim gutgeht. Erste technische Lösungen für mehr Sicherheit in den eigenen vier Wänden haben Prof. Dr. Thorsten Junge­blut und sein Doktorand Justin Baudisch vom Institut für Systemdynamik und Mechatronik (ISyM) der FH Bielefeld entwickelt: Durch den Einsatz von Bewe­gungsmeldern und Sensoren haben sie ein intelligentes System entwickelt, das die Bewegungsabläufe einer Person erfasst, auswertet und somit „lernt“, wie die Alltagsroutine aussieht.

Einfach zu integrierende Lösungen statt Hightech-Zentrale

Wer jetzt meint, dass digitalisierte Zuhause sähe wie eine Hightech-Zentrale aus, liegt falsch. Es war den Forschungsteams wichtig, dass das smarte Home wohnlich bleibt und einfach nachzurüsten ist. Die kostengünstige Elektronik, die in Form von Bewegungsmeldern, Lichtschaltern, Tür- oder Fenstersensoren zum Einsatz kommt, ist dezent oder sogar meist unsichtbar verbaut. Wie auch der Wasserzähler in der Decke des Ausstellungsbades, der den Durchlauf misst: Rauscht das Wasser über längere Zeit durch, deutet das darauf hin, dass der Bewohner bestenfalls schlicht vergessen hat, den Hahn zuzudrehen. Oder aber, dass er oder sie in der Dusche das Bewusstsein verloren hat.

Zur Installation des sensorikbestückten Wasserzählers ist Doktorand Justin Baudisch, der Informatik studiert hat, selbst auf die Leiter gestiegen. „Mir ge­fällt die praktische Seite an den Forschungsarbeiten zu meiner Dissertation“, erzählt er. „Das ist eine schöne Abwechslung zu der Zeit, die ich am Rechner verbringe. Mich fasziniert an dem System, dass es auch Hinweise auf mögliche Erkrankungen gibt. Bei einer beginnenden Alzheimer-Erkrankung beispielswei­se, denn dabei verlangsamen sich die Bewegungsabläufe. Das können wir mit unserer Technik abbilden.“ Anhand der Aktivitätsmuster sind Therapieerfolge ebenfalls ablesbar, wie etwa nach der Entlassung aus dem Krankenhaus oder nach einer Reha.

Maschinelle Intelligenz unterstützt den Alltag im eigenen Zuhause

Das System kann noch vieles mehr: Durch die Messung der Luftfeuchtigkeit werden auf Wunsch Empfehlungen zum Lüften gegeben. Zudem können die Bewegungsmelder schon rechtzeitig dafür sorgen, dass Türen geöffnet werden – für Menschen im Rollstuhl eine deutliche Erleichterung. Oder, ebenfalls eine große Hilfe: Wenn jemand nachts ins Bad muss, wird automatisch das Licht auf dem Weg dorthin angeschaltet. Das System kann auch erkennen, ob die Woh­nung für längere Zeit verlassen wurde, was auch manchmal Aufschluss darüber gibt, dass etwas nicht stimmt.

Die FH Bielefeld macht im GesundZentrum die Technik für eine solche intel­ligente Wohnung unmittelbar erlebbar und informiert über die konkreten Einsatzmöglichkeiten neuester wissenschaftlicher Ergebnisse. Die ersten Pro­jektergebnisse basieren auf einem it’s OWL Transferpiloten mit dem Titel „Ma­schinelle Intelligenz für die Prädiktion von Interaktion anhand von Bewegungs­daten“. Projektvolumen: 232.000 Euro. Die Fördersumme beträgt 100.000 Euro. Weitere 121.000 Euro trägt der Transferpartner Steinel Gruppe, ein tech­nischer Ausstatter für Immobilien aus Herzebrock-Clarholz.

Roboterarm reicht dem Kranken eine helfende Hand

Es sind oft kleine Handreichungen, die im Pflegekontext in der Summe sehr viel Zeit kosten und Personal binden: Ein am Nachttisch installierter Roboterarm aus dem FH-Labor kann da Abhilfe schaffen und Pflegende in Kliniken, Pflege­einrichtungen oder zu Hause deutlich entlasten. Mittels Sprachsteuerung reicht er Bettlägrigen Fernbedienung, Rätselheft oder Telefon. Die helfende Hand wur­de am ISyM der FH entwickelt unter der Leitung von Prof. Dr. Axel Schneider, Prodekan für Forschung, Entwicklung und Transfer am Fachbereich Ingenieur­wissenschaften und Mathematik. „Der Arm stoppt automatisch bei Berührung. Mikrofon und Lautsprecher sind so ausgerichtet, dass der Bettlägrige das Sys­tem mittels Sprache bedienen kann“, erläutert Tobias Ehlentrup, Technischer Geschäftsführer des ISyM.

Bett mißt im GesundZentrum den Puls

v.l.n.r.: Justin Baudisch, Prof. Dr. Thorsten Jungeblut, Prof. Dr. Udo Seelmeyer und Tobias Ehlentrup von der FH Bielefeld – Foto P. Pollmeier/FH Bielefeld

Waren früher Steuerungselemente für Robotik groß und sperrig, so passt heute alles in einen kleinen Kasten, der sich bequem im Nachtschrank verstauen lässt. Weitere Unterstützung bietet eine sich in der Entwicklung befindliche human­mechatronische Orthese mit gezielter Kraftunterstützung für den Care-Sektor. Der Prototyp stammt aus dem Labor für Biomechatronik der FH Bielefeld. Rund um das Bett ist allerdings noch viel Raum für technische Lösungen, die das Pfle­gen deutlich erleichtern: So kann ein mit Sensoren ausgestattetes Pflegebett Vitaldaten aufzeichnen, im Sinne der Dekubitusprophylaxe drohende Druckstel­len erkennen und die Pflegenden über eine anstehende Umbettung der Patien­ten informieren.

Über CareTech OWL – Zentrum für Gesundheit, Soziales und Technologie

An dem interdisziplinären Projekt sind mehr als 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Fachbereichen Ingenieurwissenschaften und Mathe­matik, Gesundheit, Sozialwesen und Wirtschaft beteiligt, um bedarfsgerechte und praxisnahe Lösungen für die soziale und gesundheitliche Versorgung zu entwickeln, die das Potenzial neuer Technologien ausschöpfen. Das Zentrum soll als zentrale Anlaufstelle für Privatpersonen, Verbände, Institutionen und Unternehmen in der Region fungieren.

Über das GesundZentrum

Unter einem Dach bietet das GesundZentrum auf über 750 Quadratmetern Beratungs- und Erprobungsfläche das Know-how und die Kompetenzen vieler verschiedener Partner aus der Gesundheitsbranche. Eine in der Region einzigartige Kooperation von engagierten Spezialisten, die Menschen bei Fragen rund um die Themen Gesundheit, Pflege und Versorgung ganzheitlich beraten und Lösungen für die täglichen Herausforderungen finden.

Betrieben wird das Ge­sundZentrum von der PVM Patienten Versorgung Management GmbH. Das 2001 gegründete Bielefelder Unternehmen bietet seinen Kund*innen im Bereich Pfle­ge, nachstationäre Behandlung und Kliniküberleitung eine Vollversorgung mit Produkten und Dienstleistungen.

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