Mit Wurstessen protestieren, erklärt der Kiepenkerl

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Wie Wurstessen zu einem Protestausdruck geworden ist, erklärt der Kiepenkerl in seinem Blog-Beitrag.

Mit Wurstessen protestieren, erklärt der Kiepenkerl

In Zürich begann mit einem demonstrativen “Wurstessen” die Reformation in der Schweiz – Foto Pixabay

Mit dem berühmt gewordenen „Zürcher Wurstessen” begann die Reformation in der Schweiz. Am 9. März 1522 verursachten Zürcher Christen um den Reformator Ulrich (Huldrych) Zwingli einen Skandal: Sie trafen sich ausgerechnet am ersten Sonntag in der Fastenzeit beim Zürcher Buchdrucker Froschauer zum Wurstessen. Es war ein Protest gegen die religiöse Bevormundung.

Ihr Credo war: „Wer fasten wolle, solle das tun. Wer es nicht tun wolle, solle es nicht tun.“

Das Zürcher „Wurstessen“ symbolisiert eine Eigenart der Schweizer Reformation und ist vergleichbar mit den Hammerschlägen des Augustinermönchs Martin Luther an der Schlosskirche zu Wittenberg. Das gemeinsame Anliegen war die Befreiung von religiöser Bevormundung.

Ulrich Zwingli war im März 1522 dabei, als Zürcher Bürger in der Fastenzeit gemeinsam Würste aßen. Für den Reformator Zwingli war das Wurstessen ein Aufbruch in die Freiheit. Doch in welche Freiheit?

Wer sich an einem Wurstessen beteiligte, riskierte nicht wenig: Kerkerhaft und existenzgefährdende Geldbußen waren die dafür vorgesehenen Strafen. In einer Predigt „Über die freie Wahl der Speisen“ rechtfertigte Zwingli das demonstrative Fastenbrechen als Bekenntnis zur „Freiheit, zu der Christus uns erlöst hat.“ Christliche Freiheit sei allerdings keine ziellose Willkür. „Sie darf der Liebe zum Nächsten keinen Abbruch tun und bleibt an das Gesetz der Liebe gebunden“, schärft der Reformator seinen Anhängern ein.

Mit Wurstessen protestieren, erklärt der Kiepenkerl

Ulrich Zwingli war im März 1522 dabei, als Zürcher Bürger in der Fastenzeit gemeinsam Würste aßen. Für den Reformator Zwingli war das Wurstessen ein Aufbruch in die Freiheit – Foto Wikipedia

Die Aufklärung deutete das Wurstessen als symbolischen Beginn einer Geschichte der Selbstbefreiung von diktierten religiösen Normen und von fremdbestimmten Zumutungen jeglicher Art. Immanuel Kant bezeichnete die Aufklärung als frühen Akt des Auszugs aus der „selbstverschuldeten Unmündigkeit.“ Nicht völlig zu Unrecht. Denn die sich aus dem religiös-protestantischen Freiheitsimpuls entwickelnde Forderung nach Religions- und Gewissensfreiheit bildet eine Grundlage für die im Grundgesetz der Bundesrepublik verbrieften Freiheits- und Menschenrechte.

Zwingli war von 1516 bis 1518 Leutpriester (Weltpriester) im Benediktinerkloster Einsiedeln, ehe er in vergleichbarer Funktion nach Zürich berufen wurde, wo er ab 1519 als Großmünsterpfarrer wirkte.

Mit der Bibel in der Hand begann Zwingli gegen alles in seinen Augen „Nichtbiblische” zu predigen. Die Verehrung von Bildern, Reliquien und Heiligen lehnte er ab. Besonders wichtig war sein Engagement gegen den Zölibat und die Eucharistie.

Zwinglis Äußerungen erregten den Zorn von Papst Hadrian VI., der ihm Kanzelverbot erteilte und den Rat der Stadt aufforderte, den Priester als Ketzer zu ächten.

Doch auf Einladung des Zürcher Rats kam es zur Ersten Disputation (Verteidigung), bei der über die von Zwingli theologisch begründeten Reformen debattiert wurde. Zur Verteidigung hatte Zwingli seine reformatorischen Erkenntnisse in 67 Artikeln zusammengefasst.

Entgegen der Weisung von Papst Hadrian VI. machte sich der Rat der Stadt die Haltung von Zwingli zu eigen und beschloss, Zwinglis Thesen für schriftgemäß zu erklären. Der Rat übernahm damit die Funktion der Kirche und setzte die reformatorischen Neuerungen Zwinglis durch. Er schaffte die Traditionen der katholischen Kirche ab, die nicht biblisch begründet waren, u.a. Heiligenbilder, Klöster, Beichte, Firmung, Prozessionen und Krankensalbung.

1522 setzte Zwingli die Reformation im eigenen Leben um und schloss heimlich die Ehe. Wie viele andere Priester legalisierte er damit eine schon länger bestehende Beziehung. Zwingli machte öffentlich, dass das Eheverbot für Priester nicht aus der Bibel abgeleitet werden kann. Er schrieb an den Bischof von Konstanz und flehte ihn förmlich an, den „Priestern, die Brunst leiden”, das Heiraten zu gestatten. Die „wilde Ehe” war auch für Zwinglis Frau, Anna Reinhart, mit Unannehmlichkeiten verbunden.

Nach einer zweiten Disputation beschloss der Rat von Zürich die Abschaffung der Bilder in den Kirchen und der Heiligen Messe nach lateinischem Ritus. Bei einzelnen Exzessen von übereifrigen Reformanhängern wurden dabei auch bedeutende Kunstwerke unwiderruflich zerstört.

Bis heute trennt vor allem die Abschaffung der katholischen Messe im Jahr 1525 die reformierte und die katholische Kirche. Statt der Messe wurden reine „Wortgottesdienste” eingeführt und nur noch viermal im Jahr Abendmahl gefeiert – und zwar mit Brot und Wein für alle Teilnehmenden.

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