Ausstellung und Publikation „Experiment Heimat“ zeigen neue Blickwinkel auf identitätsstiftende Orte und Themen in Westfalen.
Am Wochenende startete im Kreis Coesfeld die umfangreiche Wanderausstellung des Westfälischen Literaturbüros in Unna e. V. (WLB) mit Texten und Fotos renommierter Künstlerinnen und Künstler von Wladimir Kaminer bis zu Ute Mahler und Werner Mahler. Die Ausstellung ist bis Ende Februar 2022 an neun Orten in ganz Westfalen zu sehen. Ein begleitender Kunstband präsentiert die Ergebnisse in voller Länge zum Nachlesen und Nachschauen.
„Experiment Heimat“ ist das Projekt betitelt, für das im Auftrag des Westfälischen Literaturbüros in Unna e. V. im vergangenen Jahr international renommierte Fotografinnen und Fotografen sowie Autorinnen und Autoren an insgesamt neun „heimatlich“ konnotierte Orte in Westfalen reisten, um dort den schillernden und kontroversen Begriff der Heimat zu erforschen.
Das Spektrum ihrer Untersuchungen reichte vom Fußball in Dortmund bis zum Nationalmythos der Hermannschlacht im Teutoburger Wald. Aus ihren Erlebnissen auf Reisen und ihren Eindrücken aus den Begegnungen mit den Menschen vor Ort entwickelten sie in der Folge Texte und Fotoserien, die davon berichten, was Heimat heute ist oder sein könnte. Zusammengeführt werden sie nun in einer umfangreichen Wanderausstellung und einem soeben erschienenen Kunstband und verbinden sich dort zu einem Kaleidoskop höchst unterschiedlicher visueller und literarischer Interpretationen zum Thema Heimat.
Ist Heimat eine Emotion oder ein Ort? Eine Realität oder ein Ideal? Ist sie dort, wo wir geboren oder aufgewachsen sind? Oder hier, wo wir jetzt leben? Existiert sie vielleicht gar nicht (mehr)? Ist sie ein unausweichliches Schicksal oder etwas, das man sich selbst schafft? „Das sind nur einige der Fragen, mit denen das Literatur- und Fotografie-Projekt Experiment Heimat sich auseinandergesetzt hat. Die künstlerischen Ergebnisse der Fotografinnen und Fotografen und der Autorinnen und Autoren geben darauf vielleicht nicht immer eine direkte Antwort. Ich bin mir aber sicher, dass sie in jedem von uns einen inneren Dialog anregen und vor allem die Leser und Zuschauer miteinander ins Gespräch kommen lassen werden.
Die von dem international ausgezeichneten Fotografen Peter Bialobrzeski kuratierte multimediale Ausstellung zeigt auf 56 großformatigen Ausstellungspanels Bilderserien der Fotografinnen und Fotografen Peter Bialobrzeski, Jörg Brüggemann, Alem Kolbus, Ute Mahler, Werner Mahler, Loredana Nemes, Christina Stohn, Nikita Teryoshin und Aleksandra Weber sowie Zitate aus den Texten und Gedichte der Schriftstellerinnen und Schriftsteller Helene Bukowski, Safiye Can, Nora Gomringer, Lütfiye Güzel, Sabrina Janesch, Wladimir Kaminer, Sharon Dodua Otoo und Najem Wali. An einer Touchscreen-Station können die Besucherinnen und Besucher wählen, ob sie die von der Schauspielerin Christine Rollar und dem Poetry-Slammer Marian Heuser gelesenen ausgewählten Passagen aus den exklusiven Texten hören oder produzierte Videos schauen möchten: „Experiment Heimat vorgestellt“ und Sequenzen der kulturellen Veranstaltungen aus der Recherchephase an den Heimat-Orten Kreis Coesfeld, Hattingen und Enger.
Ausstellung offiziell eröffnet
Am Samstag, 9. April, fand die Eröffnung der Ausstellung „Experiment Heimat“ in der Kolvenburg in Billerbeck statt – aufgrund der Covid-19-Pandemie nur im kleinen Rahmen mit geladenen Gästen. Im Anschluss an die Begrüßung durch Kreisdirektor Dr. Linus Tepe stellten Wolfram Kuschke und die Kulturreferentin des Kreises Coesfeld Swenja Janning das Projekt „Experiment Heimat“ im Gespräch mit dem Journalisten Volker Stephan vor. Nachdem die Schauspielerin Christine Rollar den sehr persönlichen Essay „Der Geschmack von Heimat“ der ebenfalls am Projekt beteiligten Autorin und Journalistin Hatice Akyün gelesen hatte, fand eine zweite Gesprächsrunde statt. Der Leiter des WLB Heiner Remmert und der Kurator Peter Bialobrzeski gaben eine kurze Einführung in die Ausstellung und den begleitenden Text-Foto-Band. Beim anschließenden Rundgang durch die Ausstellung kamen die Gäste miteinander ins Gespräch. Der Abend klang bei einem Getränk und Fingerfood sowie musikalischer Begleitung des Duos „Loopdreams“ aus.
Am Sonntag, 10. April, fand dann die Eröffnung für das öffentliche Publikum statt. Der international preisgekrönte irakische Schriftsteller Najem Wali und die aufstrebende Fotografin Alem Kolbus, die im vergangenen Jahr im Kreis Coesfeld recherchiert haben, kamen dafür noch einmal zur Kolvenburg zurück, um ihre künstlerischen Ergebnisse vorzustellen. In einer kurzweiligen Lesung und Werkschau berichteten sie von ihren Begegnungen und Erlebnissen und wie sie diese in die Foto-Serie „Genius Loci“ und den Essay „Beheimatet bin ich wie immer in Geschichten“ umgesetzt haben. Die Billerbecker Singer-Songwriterin Malena begleitete den Nachmittag musikalisch.
Die Ausstellung „Experiment Heimat“ ist noch bis zum 15. Mai 2022 in der Kolvenburg in Billerbeck zu sehen und reist dann über die kommenden zehn Monate weiter an die anderen „Heimat-Orte“. Die nächste Station ist die Zeche Zollern in Dortmund.
Begleitend zur Ausstellung ist beim Kunstverlag Hartmann Books ein 280 Seiten starker Text-Foto-Band mit 138 Abbildungen erschienen, der neben den Texten und Fotos noch weiteres „Heimat-Kundliches“ enthält. Die Publikation ist im Buchhandel mit der ISBN 978-3-9670-084-5 für 28 € erhältlich oder kann beim WLB (zzgl. Porto) über post@wlb.de bestellt werden.
Das Experiment HEIMAT ist ein Literatur- und Fotografie-Projekt von 2021 bis 2023 des Westfälischen Literaturbüros in Unna e. V. (WLB) in Kooperation mit Bochum Marketing, dem Literaturbüro OWL, der Stadt Dortmund, der Stadt Enger, den LWL-Industriemuseen Henrichshütte Hattingen und Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop, dem Kreis Coesfeld, der Stadt Schmallenberg und der Kreisstadt Unna sowie zahlreichen weiteren Vereinen, Einrichtungen und Initiativen in Westfalen. Das Projekt wird gefördert vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen sowie vom Westfälischen Heimatbund und von der Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung begleitet.
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