Haltern am See – Archäologinnen und Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) haben ein 2.000 Jahre altes römisches Marschlager entdeckt. Schon lange wird das Areal rund um das bekannte römische Hauptlager in Haltern am See archäologisch erforscht. Die neusten Grabungen brachten das bisher älteste Marschlager für bis zu 20.000 Mann ans Licht.
Das neu entdeckte Lager ist etwa 24 Hektar groß und erstreckt sich nördlich des LWL-Römermuseums. Das Lager liegt im Bereich des bekannten Hauptlagers, dessen Westtor vor fünf Jahren im Rahmen des Projekts „Römerbaustelle Aliso“ wiederaufgebaut worden ist. Außerdem überschneidet es sich mit dem 34 Hektar großen Feldlager, bei dem es sich um das bislang älteste sicher nachweisbare Marschlager in Haltern handelte.
„Im letzten Jahrzehnt gab es in Westfalen ungewöhnlich lange Trockenperioden, durch die sich sogenannte Bewuchsmerkmale in Getreidefeldern sehr deutlich abzeichnen. Im Luftbild ließ sich dadurch die Grabenstruktur des neuen Lagers sehr deutlich erkennen.”, erläuterte Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger, Kulturdezernentin des LWL.
Schon vor zehn Jahren machte der Luftbildarchäologe Dr. Bao Song von der Ruhr-Universität Bochum Aufnahmen, auf denen nicht nur die Nordwestecke des seit langem bekannten Feldlagers als dunkelgrüne Spur im Feld zu erkennen ist, sondern auch eine zweite, bis dato unbekannte Lagerecke.
„Weitere Nachforschungen gab es damals nicht, da noch im selben Jahr das Römerlager von Olfen entdeckt wurde. Kurz danach starteten die mehrjährigen Ausgrabungen auf dem zukünftigen Gelände der LWL-Römerbaustelle”, führt LWL-Chefarchäologe Prof. Dr. Michael Rind an. Im Anschluss daran erfolgten Prospektionen im bis dahin unbekannten 28 Hektar großen Marschlager in Bielefeld-Sennestadt.
Aus diesen Gründen findet erst seit wenigen Wochen eine Grabung an der südlichen Fortsetzung der Luftbildspur von 2011 in Haltern statt. An dieser Stelle überschneiden sich der Spitzgraben des vor 120 Jahren entdeckten Feldlagers und der erst jetzt bekannt gewordene römische Lagergraben. “An den Bodenverfärbungen in der aufgedeckten Fläche ist zweifelsfrei zu erkennen, dass der Feldlagergraben der jüngere von beiden ist. Im fast zwei Meter tiefen Schnitt durch den Kreuzungspunkt beider Gräben bestätigt sich dies”, erklärt Dr. Bettina Tremmel von der LWL-Archäologie für Westfalen.
Im Querschnitt zeichnet sich der neue Graben nur noch als 70 Zentimeter tiefe und 1,30 Meter breite, V-förmige Verfärbung ab. Nach der Aufgabe des Lagers wurde der Graben von den Legionären wieder zugeschüttet und so für eine weitere militärische Nutzung unbrauchbar gemacht. Mögliche Wallreste haben sich aufgrund der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung seit dem Mittelalter nicht erhalten. Der Graben des bekannten 34 Hektar großen Feldlagers sei mit drei Metern Breite und 1,6 Metern Tiefe an dieser Stelle doppelt so groß wie der Graben des neu entdeckten Marschlagers. Diese größere Dimension spreche für eine mehrwöchige Nutzungsdauer, so die Expertin weiter.
Mit einer Größe von nur 24,2 Hektar ist das neue Lager ganze 10 Hektar kleiner als das Feldlager. Aber auch auf dieser Fläche hätten darin ohne Probleme drei römische Legionen mit etwa 15.000 Mann Platz gefunden, so die Aussage der Fachleute. Hinzu kommen Tross und Hilfstruppen, so dass die Stärke der Feldzugstruppe auf etwa 20.000 Personen geschätzt wird.
Auf der Grundlage früherer Grabungsergebnisse ist es möglich, eine rechteckige Form des neuen Marschlagers zu rekonstruieren. Vergleichbare Grundrisse zeigen die ebenfalls in die frühe Besatzungszeit Germaniens datierenden Marschlager von Dorsten-Holsterhausen.
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