Im Münsterland, im nördlichen Revier oder in Ostwestfalen – es ist dasselbe Bild wie überall zwischen Küste und Alpen: Leise drehen sich die Wind-Räder. Die Windmühlen erzeugen Strom, Gewinne – und Ärger! Längst bläst der Windkraftbranche Gegenwind ins Gesicht …
Von Ahaus bis Winterberg, von Porta Westfalica bis Werne haben sich in Westfalen rund 80 lokale Bürgerinitiativen dem bundesweiten Bündnis „Vernunftkraft“ angeschlossen, das sich für eine deutliche Entschleunigung und Mäßigung der Windindustrie einsetzt. Die betroffenen Bürger kritisieren vor allem den goldrauschartigen, ungezügelten Ausbau.
Dass sich der Bürgerprotest ausgerechnet gegen eine „erneuerbare“ Technologie richtet, spaltet die Gesellschaft. Der Konflikt ist nicht so schön simpel wie beim Protest gegen die böse Braunkohle. Die Anhänger regenerativer Energie akzeptieren die Kritik nicht. Für sie ist der Ausbau der Windkraft „alternativlos“. Wer sich dagegen positioniert, gerät in den Ruch, „Klimaleugner“ und Atom-Lobbyist zu sein. Damit wird die Sachdebatte zum Ideologiestreit. Die Region in der Sauerland und Waldecker Land auf die Paderborner Hochfläche treffen, ist nicht nur eine der abwechslungsreichsten und idyllischsten Landschaften Westfalens, sondern auch die mit den meisten Windkraftanlagen. „Wir haben hier gut die Hälfte aller Windräder in NRW“, sagt Hans-Hermann Juergens von der Dahler Windinitiative (DaWI) in Paderborn. „Wir sind nicht prinzipiell gegen Windenergie, aber die Nutzung muss menschenverträglich sein“, stellt er klar. „Wir haben aktuell einen Fall, in dem die Schallgutachten nicht alle Voraussetzungen erfüllten. Darum haben wir Einspruch gegen den Flächennutzungsplan erhoben und eine neue Prüfung beantragt“, erzählt Juergens. Die Chancen einer Klage sieht er skeptisch, „weil die Richter meistens pro Windkraft urteilen.“ Aber er schmunzelt: „Unseren Erfolg sieht man an den Anlagen, die nicht gebaut wurden…“.
Doch was kritisieren die Bürgerinitiativen vor Ort, die sich „Gegenwind“ (Hagen), „Pro Landschaft“ (Senden) oder „Naturpark statt Windpark“ (Grevenstein) nennen, eigentlich an den Windrädern? Es sind ökonomische und ökologische Aspekte, es geht um generelle Anliegen (Naturschutz) wie auch subjektive, zum Beispiel die persönliche Belästigung durch Schall. Vor allem dreht sich der Widerstand um folgende fünf Faktoren: Die Wirtschaftlichkeit: Im Verhältnis zur gravierenden Auswirkung auf die Landschaft ist die Stromausbeute ausgesprochen gering. Sprich: Die rund 35.000 deutschen Windkraftanlagen verstellen zwar viel Panorama, erzeugen aber zusammen nicht einmal 10 Prozent des Energiebedarfs. Möglich ist diese Schieflage nur durch die Subventionspolitik des „Erneuerbare-Energien- Gesetzes“ (EEG). Es lockt Investoren mit üppigen Fördersummen und garantiert eine Abnahme des erzeugten Stroms, auch wenn dieser nicht gebraucht wird. Windenergie ist also ein lukratives Business. Das Kuriose: Anlagen in sogenannten „Schwachwind- Zonen“, deren Ertrag sich eigentlich nicht rechnen würde, erhalten sogar zusätzliche Förderungen! Der Eigentümer des Standort-Grundstückes darf sich über Pachteinnahmen freuen. Doch während bei Verpächtern und Betreibern die Kasse klingelt, haben die Anwohner oft mit der Entwertung ihrer Häuser in Nachbarschaft von Windrädern zu kämpfen.
Die Energieeffizienz: Windkraft ist „Zufallsstrom“. Bläst der Wind, gibt es reichlich; ist Flaute, steht die Mühle still. Abgesehen von Pumpspeicheranlagen gibt es bis dato keine taugliche Möglichkeit, den bei kräftigem Wind erzeugten Strom zu speichern. Wegen ihres großen Platzbedarfes ist die Zahl von Pumpspeichern nicht beliebig steigerbar. Da in Deutschland auch große Stromtrassen fehlen, kann die erzeugte Energie nicht transportiert werden. Stellen wir uns vor, in Baden-Württemberg regt sich kein Lüftchen, aber die Aluminiumindustrie benötigt sehr viel Strom. An der Küste dagegen drehen sich munter die Rotoren der Offshore-Windräder. Leider kann der Nordsee-Strom nicht zu den badischen Aluhütten geschickt werden. Im Süden wird also Strom aus den Nachbarländern importiert. Der kommt meist aus belgischen und französischen Kohle- und Atomkraftwerken. Gleichzeitig muss der Strom von der See, weil er nicht so schnell verbraucht werden kann, an die Nachbarn abgegeben werden, damit die Spannung das deutsche Netz nicht überlastet. Der Überschuss-Strom aus Deutschland wird in den Nachbarländen in Blindturbinen verbraucht. Das lassen sich die Nachbarn ebenfalls bezahlen. Die doppelten Kosten trägt der deutsche Energieverbraucher mit einem höheren Strompreis. Dass die französischen oder tschechischen Kohlekraftwerke und Atommeiler nicht die saubersten und vertrauenswürdigsten der Welt sind, ist bekannt. Doch wir brauchen sie, um selbst grünen Strom mit Gewissenssiegel zu gewinnen – gleichzeitig zeigen wir als moralische Majestät mit dem Finger auf die „Umweltschweine“ jenseits der Grenzen. Eine groteske Haltung! Zudem müssen auch bei uns ständig Kohle- und Gaskraftwerke als Reserve für die Deckungslücken der windigen Stromerzeugung vorgehalten werden, denn das Stromnetz verträgt keine starken Schwankungen. Im Juni 2019 stand das deutsche Netz mehrfach gefährlich nahe am Kollaps. Für den Fall eines längeren überregionalen Blackouts rechnen die Krisenstäbe der Behörden übrigens schon nach drei Tagen mit bürgerkriegsartigen Zuständen. Der Stop-and-Go-Betrieb der Kohle- und Gaskraftwerke belastet nicht nur deren Substanz, sondern erhöht auch Verbrauch und Emissionen, ähnlich wie beim Auto im Stadtverkehr.
Der Schaden an der Natur: Ob Höhenzüge oder Ebenen voller Windräder schön sind oder nicht, sei dahingestellt. Fakt ist: Für den Bau werden nicht nur Flächen gerodet, sondern auch Bauzufahrtsstraßen asphaltiert. Der Transport der riesigen Komponenten wie Rotorflügel erfordert gewaltige Fahrzeuge, die den Boden stärker verdichten als Forst-Harvester. Die teils bis über 12 Meter tiefen Fundamente beeinflussen den Grundwasserhaushalt. Wird ein Windrad in einem Schutzgebiet genehmigt, wird das Gebiet als „vorgeschädigt“ eingestuft und verliert seinen Schutzstatus – dem Bau weiterer Anlagen steht dann nichts mehr im Wege.
Die Gesundheitsbelastung: Windkraftanlagen machen nicht nur ein hörbares „wusch-wusch-wusch“, sondern emissieren auch Infraschall unter 20 Hertz, den wir nicht hören, obwohl ihn das Innenohr aufnimmt. Infraschallwellen entstehen, wenn die Luft zwischen Rotorblatt und Betonturm schlagartig verdichtet wird und wieder auseinanderströmt. Diese Vibrationen kann man mit Mikro-Barometern noch in Kilometern Abstand messen, wie das Bundesamt für Geowissenschaften nachwies. Wie kommt es dann, dass das Bundesumweltamt stets behauptet, bei einem Abstand von 700 Metern gingen von Windkraftanlagen keinerlei Belästigungen aus? Das Bundesumweltamt bündelt die Messwerte zu Frequenzbändern, wodurch einzelne Ausreißer geglättet werden. Tatsächlich hat ein Ärzteteam der Uniklinik Mainz in drei Testreihen nachgewiesen, dass Infraschall die Herzmuskulatur schwächen kann. Bei einigen Probanden wurden auch Schwindel und Schlafstörungen beobachtet. Verschärft wird das Risiko durch die Praxis des „Re-Powering“. Das bedeutet, das Windkraftanlagen aus den 1990er Jahren mit Leistungen von 0,25 Megawatt durch wesentlich stärkere wie die umstrittene Anlage im Naturschutzgebiet Haskenau bei Münster-Hiltrup mit über 4 Megawatt ersetzt werden, wodurch sich nicht nur die Leistung vervielfacht, sondern auch die Nebenwirkungen.
Die „Vogelschredder“: Jährlich töten Windräder rund 12.000 Greife und hochgerechnet 250.000 Fledermäuse Deutsche Wildtier-Stiftung). Da tote Vögel oft von Raubwild verschleppt werden, ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Bei Detmold sollen WKA-Betreiber sogar Rentner dafür bezahlt haben, unter Windrädern gefundene tote Greifvögel heimlich zu entsorgen, behauptet die Bürgerinitiative „Gegenwind Borchen“. Hinzu kommt jährlich etwa eine Megatonne Insekten, die kleineren Vögeln als Nahrung fehlen (Quelle: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt). Einige streng geschützte Arten stehen regional vor dem Zusammenbruch, z.B. der Rotmilan, dessen Hauptbrutgebiet in Deutschland liegt, aber für den deutsche Windräder „Todesursache Nr. 1“ sind (Quelle: der Länderarbeitsgemeinschaft der staatlichen Vogelschutzwarten). Das müsste eigentlich zu einem kollektiven Aufschrei der Naturschutzverbände führen, doch weder BUND noch NABU wollen sich mit der Windkraft-Lobby anlegen. Immerhin schreibt der NABU auf seiner Webseite resignativ an die Windenergiekonzerne: „Der NaBu ist enttäuscht von der mangelnden Bereitschaft, ein real existierendes Artenschutzproblem anzuerkennen und gemeinsam an sinnvollen Lösungen für eine naturverträgliche Energiewende zu arbeiten.“
Doch vielleicht droht der Windkraftindustrie selbst eine Wende: In NRW – wo 40 Prozent des deutschen Industriestrombedarfs verbraucht werden – endet für 2.184 Windräder zwischen 2021 und 2028 die staatliche EEG-Subventionierung. Da die Anlagen ohne Förderung unrentabel sind, droht ihnen die Stillegung, da ein „Re-Powering“ durch neue stärkere Anlagen wegen strengerer Auflagen sowie Gutachten der Gegner vor Ort (z.B. geologische, hydrologische, ökologische, medizinische und juristische Einwände) kippen könnte. Wenn unsere europäischen Nachbarn die Nase davon voll haben, unsere Energie- Kapriolen durch Strom-Im- und Exporte mitzumachen, ist mit der deutschen Energiewende Feierabend. Darum brauchen wir zuverlässige Technologien – aber mit Augenmaß und ohne dass berechtigte Bedenken unter die Räder rücksichtslosen Profits kommen, sondern im Einklang mit Umwelt, Mensch und Tier. Wind Wind WindWind Wind Wind Wind Wind Wind
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