Maria 2.0 als Zeichen der Loyalität

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Münster – Ideen umsetzen, nicht immer um Erlaubnis fragen, dranbleiben: Dazu hat der stellvertretende Generalvikar des Bistums Münster, Dr. Jochen Reidegeld, bei einer Podiumsdiskussion am 6. Juni in der Pfarrei St. Marien und St. Josef in Münster ermutigt. Rund 300 Besucherinnen und Besucher folgten der Einladung von Katholischer Frauengemeinschaft und Pfarreirat. Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Maria 2.0“ – Wir lassen nicht locker. Anfragen an die Strukturen der katholischen Kirche“. Moderiert von Dorothea Große Frintrop von der Bischöflichen Frauenkommission im Bistum Münster diskutierten sieben Expertinnen und Experten mit dem Publikum über den systemischen Zusammenhang von Machtstrukturen, sexuellem Missbrauch, Pflichtzölibat und Frauenordinariat in der katholischen Kirche.

Rund 300 Besucherinnen und Besucher kamen zur Veranstaltung ins Pfarrzentrum St. Josef in Münster-Kinderhaus. Foto: Bischöfliche Pressestelle/Ann-Christin Ladermann

„Für mich ist Maria 2.0 ein Zeichen der Loyalität“, betonte Domvikar Reidegeld. „Ich erlebe viele von ihnen als Menschen, die aus der Mitte der Kirche kommen und deren Engagement in dieser Sache Ausdruck Ihrer zum Teil berechtigten Sorge ist.“ Er selbst sei in den vergangenen Jahren im Bistum dafür verantwortlich gewesen, die Aufarbeitung der Fälle sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zu koordinieren. Daher wisse er, wie ernst die Frage nach einer Veränderung in der Kirche sei. Reidegeld zeigte sich realistisch: „Bei vielen Menschen haben wir auf Generationen das Vertrauen als Institution katholische Kirche verloren.“

Dr. Andrea Qualbrink ermutigte dazu, Dinge auszuprobieren, Spielräume zu nutzen – „und wenn es sein muss, neue Traditionen anzufangen“ – Foto: Bischöfliche Pressestelle/Ann-Christin Ladermann

Die Ungeduld des Plenums teilte er in der Frage nach einem Diakonat der Frau: „Die Frauen mussten sich in den vergangenen 70 Jahren jeden Zentimeter in den Altarraum erkämpfen. Das ist nicht richtig“, betonte er. 60 Jahre werde bereits über weibliche Diakone diskutiert. „Ich möchte nicht weitere 60 Jahre warten müssen“, sagte Reidegeld. Der stellvertretene Generalvikar sprach sich außerdem für eine Verwaltungsgerichtsbarkeit aus: „Menschen müssen die Möglichkeit haben, gegen Entscheidungen des Bischofs, des Generalvikars und seines Stellvertreters Einspruch einzulegen.“

Auch Dr. Andrea Qualbrink, Referentin für Personalentwicklung im Bistum Essen, ermutigte dazu, Dinge auszuprobieren, Spielräume zu nutzen – „und wenn es sein muss, neue Traditionen anzufangen“. Sie zeigte sich davon überzeugt, dass Veränderungen und Gespräche auf Augenhöhe möglich seien. Die Ergebnisse der Missbrauchsstudie böten für viele Gläubige Anlass, „das auszusprechen, was sie an der katholischen Kirche nicht aushalten, was die Kirche, die ihnen Heimat ist, schwer macht“. Die aktuellen Entwicklungen seien entscheidend: „Es ist erbärmlich, dass es einen solchen Anlass braucht, um jetzt konsequent hinzusehen“, sagte sie. „Aber das jetzt nicht zu tun, wäre unverantwortlich.“ Qualbrink blickte außerdem in die Zukunft: „Sie sitzen hier, weil Sie sich für die Zukunft der katholischen Kirche interessieren.“ Viele junge Menschen dagegen erachteten das, was die katholische Kirche zu sagen habe, nicht mehr für relevant. „Wer wird in 20, in 30, in 80 Jahren in unserer Kirche von Jesus Christus erzählen? Das ist unsere Verantwortung jetzt“, forderte sie.

Auf dem Podium diskutierten (von links) Pfarrer Ulrich Messing, Anne Hakenes, Dr. Jochen Reidegeld, Andrea Voß-Frick, Dr. Aurica Jax, Prof. em. Karl Gabriel und Dr. Andrea Qualbrink. – Foto: Bischöfliche Pressestelle/Ann-Christin Ladermann

Immer wieder rückte das Thema Klerikalismus ins Zentrum der Diskussion. Der emeritierte Professor Karl Gabriel vom Institut für Christliche Sozialwissenschaften der Universität Münster hatte zu Beginn erklärt, dass der Klerikalismus die katholische Kirche in einen Abgrund zu stürzen drohe. „Er verstellt ihr heute den naheliegenden Weg, den bisherigen Ausschluss von Frauen im Priesteramt als zeitbedingt zu definieren und hinter sich zu lassen“, erläuterte er. Gabriel forderte eine klare Machtteilung, die sich in Strukturen ausdrücken müsse. „Es kann nicht sein, dass sich die Kirche auf die Schicht von Klerikern bezieht“, kritisierte er. „Aber wirklich Macht abzugeben und nicht nur zu delegieren, das scheint in der katholischen Kirche doch sehr schwierig.“ Auch Reidegeld bestätigte, dass sich der Klerikalismus als Mentalität in der katholischen Kirche tief eingeprägt habe. Diesen gelte es, gemeinsam abzuräumen.

Über die Hintergründe und Perspektiven der Initiative Maria 2.0 kamen die weiteren Podiumsgäste miteinander ins Gespräch. Nachdem Dr. Aurica Jax, Leiterin der Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz, zunächst die Person Maria aus der feministischen Theologie heraus betrachtet hatte, ging Andrea Voß-Frick, Initiatorin von Maria 2.0, auf die Motive der Aktion ein. „Von außen auf die katholische Kirche blickend sehe ich eine autoritäre Hierarchie, strikte Weisungsbefugnisse, nahezu uneingeschränkte Machtfülle für wenige, ein System, das Anpassungsdruck und Angst erzeugt.“ Die Ergebnisse der Missbrauchsstudie hätten viele Gläubige enttäuscht und wütend zurückgelassen. „Und viele gehen“, betonte sie. „Unsere Wünsche an eine erneuerte Kirche sind nicht als zeitgeistliche Modeerscheinung abzutun“, verdeutlichte Voß-Frick.

Ulrich Messing, Pfarrer von St. Marien und St. Josef, dankte den Frauen, die Maria 2.0 ins Leben gerufen haben, und freute sich über einen Prozess, „der von unten her wächst“. „Es sind Menschen, die sich um diese Kirche so sorgen, dass wir gemeinsam miteinander an Veränderungen arbeiten können“, sagte Messing. Einen Teil der Bischöfe erlebe er als „ehrlich darum ringend, wie es weitergehen kann“. Auch wenn es für das Eine oder Andere einen langen Atem bedürfe, ermutigte er: „Lassen wir nicht locker.“

Dieser Forderung schloss sich Anne Hakenes an, Vorsitzende des Trägervereins des 101. Katholikentags, der vor rund einem Jahr in Münster stattgefunden hatte. Auch wenn die Form von Maria 2.0 sie eher verunsichert als ermutigt habe, unterstütze sie doch die Leitgedanken wie beispielsweise die Forderung nach dem Frauendiakonat. „Es kann nicht wahr sein, dass Frauen immer in der zweiten Reihe stehen“, kritisierte sie. Das Frauenbild vor 2000 Jahren sei ein anders gewesen als heute. „Es ist von Menschen gemacht und kann auch von Menschen geändert werden“, stellte Hakenes fest.

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